Erding:Nach einigem Zaudern

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Eine aufwendige Datenerhebung soll den Schaden, den das Feuerwehrfahrzeug-Kartell angerichtet hat, beziffern. Den kommunalen Spitzenverbänden geht es vor allem um Rechtssicherheit.

Matthias Vogel

In den 32 000 Kommunen der Bundesrepublik Deutschland werden seit gut einer Woche noch mehr Daten in die Computer eingegeben als sonst. Grund: Die Firma "Lademann & Associates" aus Hamburg soll den Schaden beziffern, der den Kommunen durch die Preisabsprachen der vier marktbeherrschenden Hersteller von Feuerwehrfahrzeugen in den vergangenen 13 Jahren entstanden sein könnte. Dazu hat das Unternehmen nun alle Gemeinden beauftragt, online alle Anschaffungen seit 2001 einzupflegen.

Ende April soll die Datenerhebung abgeschlossen sein, Anfang Juni dürfte dann die Auswertung vorliegen, wie Wilfried Schober vom Bayerischen Gemeindetag sagt. In der Erdinger Verwaltung ist nach der Bitte, die Einkäufe aufzulisten, kein Stress ausgebrochen. Die Stadt ist eine von zwei Kommunen, die eventuell nach Fertigstellung des Gutachtens als Musterklägerin auftreten könnte. Man habe die Investitionen daher schon einmal eingegeben, hieß es aus dem Rathaus. Betroffen sind freilich mehrere Gemeinden des Landkreises.

Anfang 2011 wurde der Skandal aufgedeckt: Die Feuerwehrfahrzeughersteller Iveco, Ziegler, Schlingmann und Rosenbauer hatten seit 1998 Preise abgesprochen und sich so die Ausschreibungen der Kommunen gegenseitig zugeschanzt. Dass die meisten Kommunen betroffen sind, liegt nicht nur ob der langen Zeitspanne auf der Hand, während der einfach irgendwann einmal ein neues Löschfahrzeug fällig wird. Die vier Unternehmen teilten sich auch 90 Prozent des Marktes untereinander auf. Seit mehr als einem Jahr versuchen das Bundeskartellamt, kommunale Spitzenverbände und nach einigem Zaudern auch die Kartellanten festzustellen, ob und wie viel Schaden den Auftraggebern entstanden ist.

Mittlerweile ist klar: Nur noch zwei Firmen sind ernsthaft daran interessiert, den völligen Verlust der Vertrauenswürdigkeit abzuwenden: Die Rosenbauer-Gruppe und Schlingmann blieben dabei, die Expertise des Gutachter-Büros bezahlen zu wollen. Ende 2011 meldete die Albert Ziegler GmbH Insolvenz und schied so als Geldgeber für das Gutachten aus. Der Bayerische Gemeindetag hielt daraufhin diejenigen seiner Mitglieder, die bei dem schwäbischen Unternehmen in besagtem Zeitraum gekauft hatten, an, ihre Schadensersatzansprüche schriftlich und bis zum 27. Dezember 2011 beim Unternehmen einzureichen und damit einer Verjährung vorzubeugen. "Das haben dann auch alle gemacht", berichtet Schober heute.

Der Direktor des bayerischen Gemeindetags wusste damals Kurioses zu berichten: Das insolvente Unternehmen gründete flugs die Ziegler Safety GmbH und verkauft seither weiter munter Feuerwehrfahrzeuge - mit der ursprünglichen Firma als Subunternehmer und unter Listenpreis. Schober berichtete damals auch von Anfragen einiger Bürgermeister, ob man angesichts der guten Preise nicht kaufen sollte. Mittlerweile hätten etliche Kommunen tatsächlich zugeschlagen, wie Schober sagt. "Aller moralischen Bedenken zum Trotz."

Inzwischen weigert sich auch Iveco, das Gutachten anteilig zu finanzieren. Bis es fertig ist, liegt alles auf Eis. Ist Schaden entstanden und lässt er sich beziffern, braucht es eine Lösung, die von allen Seiten akzeptiert wird. Im Sinne der Kommunen wäre dann ein Fonds die beste Lösung, der von den Kartellanten gefüttert und anteilig an die Kommunen ausbezahlt wird. "Das sind dann vermutlich kleinere Beträge", sagt Schober. Das aufwendige Gutachten lohne sich dennoch. "Es geht ja um Steuergelder. Machen die Kommunen nichts, moniert der Kassenprüfer, warum kein Schadensersatzanspruch geltend gemacht worden ist. Der Vorwurf könnte im schlimmste Fall sogar Veruntreuung lauten. Wir brauchen Rechtssicherheit", so Schober.

© SZ vom 13.04.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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