Erding:Mit Fantasie und Disziplin

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Judith Heger arbeitet als freischaffende Zeichnerin. Seit mehr als einem Jahrzehnt illustriert sie deutsche Schul- und Kinderbücher. Ihr Ziel ist es, den Leser mit ihren Bildern zum Schmunzeln zu bringen

Von Tahir Chaudhry, Erding

Nahezu jedes Kind malt oft und gerne, aber warum meist nie so gut, dass aus ihm irgendwann ein Künstler wird? "Ich habe sicher mehr gemalt als andere Kinder, aber das Wichtigste war, dass ich jemanden hatte, der mich korrigiert", glaubt Judith Heger, 40, die als freischaffende Illustratorin in Erding arbeitet. Der Hinweis etwa, dass Augen im Gesicht eher mittig sitzen und nicht weiter oben, sei sehr hilfreich, denn das Kind lerne dazu und bedenke es beim nächsten Mal. Vorbilder, denen man nacheifern kann, seien zudem sehr bedeutend. Die Begabung scheint ihr jedoch ganz besonders in die Wiege gelegt worden zu sein: der Vater war Grafiker, die Mutter gelernte Modezeichnerin, ihre Tante Trickfilmzeichnerin und ihr Bruder wurde Tätowierer. "Irgendwann habe ich angefangen mir die Frage zu stellen, was meinen Bildern im Vergleich zu denen der anderen fehlt und damit begonnen, mich selbst ständig zu korrigieren", erinnert sich Heger.

Bleistift und Papier - mehr braucht die gebürtige Frankfurterin erst mal nicht. "Wenn ich wenig Zeit habe, zeichne ich einfach drauf los. Irgendwann kommt man dann in einen Flow", sagt Heger, die nunmehr seit über einem Jahrzehnt deutsche Schul- und Kinderbücher illustriert. Meistens gebe es eine konkrete Textvorgabe und Gestaltungswünsche seitens der Verlage. Ungefähr fünfzehn Minuten arbeite sie an einer Skizze und bis das Bild dann endgültig fertig sei, könnten manchmal bis zu eine Stunde vergehen. Allerdings zeichne sie für gewöhnlich aus Planungsgründen an vielen verschiedenen Bildern gleichzeitig. "Es kann schon auch mal knapp werden, wenn man zwei Monate für ein ganzes Buch hat, aber eine gute Zeiteinteilung bewahrt vor Stress", sagt Heger. Ist der Verlag mit den eingereichten Entwürfen zufrieden, wird die Handskizze mit einem Fineliner nachgespurt, wahlweise mit Acryl und Aquarell oder eingescannt am Computer koloriert.

Judith Heger machte Urlaub in Finnland und ließ sich beim Malen von dem Land mit seiner Schönheit der Natur inspirieren. Die Figuren kamen von selbst. (Foto: oh)

"Mein Wunsch war es eigentlich immer Medizin zu studieren, aber dafür war ich in Latein und Chemie zu schlecht. Weil ich dann Lehrerin werden wollte, habe ich angefangen Deutsch und Kunst auf Grundschullehramt in Potsdam zu studieren", sagt Heger. Doch ihr habe der Ort nicht gefallen und sie brach deshalb das Studium ab und setzte sich kurze Zeit später auf die große Insel ab. In der englischen Hafenstadt Portsmouth machte sie ihr Vordiplom in den Fächern Kunst und Illustration. Durch die Freundschaft zu ihrem späteren Mann kam sie zurück nach Deutschland, um in München Kommunikationsdesign zu studieren. Doch wegen der Geburt ihres ersten Kindes beendete sie den Studiengang vorzeitig. Sehr gelegen und aus heiterem Himmel kam das Angebot einer Bekannten, ihr Buch zu illustrieren, was gut funktionierte. Der Verlag war zufrieden, nahm sie in ein Netzwerk von Illustratoren auf und schickte ihr Aufträge.

"Das Zeichnen war mir immer lieb und teuer und deshalb dachte ich, wenn ich das beruflich machen würde, würde ich mir den Spaß verderben", sagt Heger. Doch es kam anders und sie fand ein "angenehmes Maß". Sie kümmert sich nicht um Aufträge, die Verlage kamen schon immer selbst auf sie zu. Um auf dem riesigen Markt als hauptberufliche Illustratorin bestehen zu können, müsste sie viel mehr arbeiten. Doch sie will nicht: "Es reicht mir gerade völlig. Ich kann außerdem nicht ständig in meinem Büro herumsitzen, will lieber rauskommen und mit Menschen zu tun haben". Sie macht Musik, singt im Chor und trifft sie sich gern mit Künstlerfreunden aus der Musik, Malerei und Bildhauerei. Vor zwei Monaten heiratete sie Peter Heger, den überregional bekannten Pianisten und Chorleiter aus Erding und findet: "Wir ergänzen uns gegenseitig ganz schön".

Seit zwei Jahren arbeitet Heger nebenher bei der Brücke Erding, einer Einrichtung der Jugendhilfe, in deren Auftrag sie sich derzeit mit Schülern der Katharina-Fischer-Schule künstlerisch betätigt. Dort hat sie die Erfahrung gemacht, dass viele ihre Tätigkeit als Illustratorin unterschätzen. "Das fängt schon damit an, wenn man in der Schule den Arbeitsauftrag erteilt, eine Skizze zu zeichnen, dann sind alle dabei. Aber wenn man sie darum bittet, sie auszumalen, haben die ersten keine Lust mehr", sagt Heger. Als Illustratorin gehe es nicht nur um Selbstverwirklichung, sondern auch um Broterwerb: das erfordere neben Fantasie und Beobachtungsgabe vor allem Ausdauer und Disziplin.

Zurzeit arbeitet Judith Heger an einem Buch der Tiergeschichten für den christlichen SCM Verlag. Die Ideen dazu kamen ihr während ihres Urlaubs in Finnland. Wie ein roter Faden zieht sich der Humor durch all ihre Illustrationen. Es macht ihr Spaß, übertriebene Gesichter und Körperhaltungen in spaßigen Situationen zu zeichnen. "Mein Ziel ist es, solange die Vorgaben es nicht erschweren, die Rezipienten zum Schmunzeln zu bringen", sagt Heger. Sie ist überzeugt, dass Bilder niemals vom Markt kommen werden, denn besonders Kinder würden es lieben, sich Bilder anzuschauen, sich an sie zu erinnern und immer wieder Neues in ihnen zu entdecken. "Ein Ipad wird niemals ein Bilderbuch ersetzen können", weiß Heger ganz sicher.

© SZ vom 27.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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