Erding:Manche fangen wieder von vorne an

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Im Sportpark Erding sollen die Fußbodenmarkierungen die Abstände zwischen den Teilnehmern von Gruppen sicherstellen. (Foto: Stephan Goerlich)

Drei Wochen nach der Wiedereröffnung füllen sich die Fitnessstudios im Landkreis langsam wieder. Die Betreiber stellen allerdings eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes vieler Kunden fest

Von Charlotte Nachtmann, Erding

In den Fitness-Studios im Landkreis darf seit drei Wochen wieder geschwitzt werden. Nach anfangs verhaltenem Andrang wurden die Freizeitsportler insbesondere nach dem Wegfall der Testpflicht mutiger, berichten Inhaber von Sportstudios im Landkreis. Doch die Trainingsrückstände und gesundheitlichen Probleme haben bei vielen, gerade älteren Kunden über die fast siebenmonatige Schließzeit zugenommen. Finanziell problematisch für die Betreiber sind vor allem die fehlenden Neukunden und Kompensationen für die Schließzeit.

Familie Rannetsperger ist es gelungen, ihre neue Filiale in Dorfen mit 200 Kunden zu eröffnen und innerhalb von zwei Wochen kamen noch einmal 150 dazu. Eigentlich sollte es für das Vitalis Dorfen bereits im Januar losgehen. Eine Filiale in Ampfing im Landkreis Mühldorf betreiben die Rannetspergers bereits. Beim Kundenverhalten habe sich besonders der Wegfall der Testpflicht bemerkbar gemacht, wie auch Hans Enzinger für das Fit&Fun und die My Fit Station in Dorfen sowie den Sportpark Taufkirchen bestätigt. "Da der Landkreis Erding vor Mühldorf unter 50 war, sind einige Kunden sogar ins Studio nach Dorfen gefahren", weiß Lena Rammetsperger.

Die Body and Soul Filiale in Erding läuft hingegen zur Zeit nur auf dreißig bis vierzig Prozent des Normalbetriebs, gibt Inhaber Michael Pribil an. Neben den "Berührungsängsten mit geschlossenen Räumen" sei dafür auch die Sommersaison verantwortlich. Aufgrund des Mindestabstandes ist die Anzahl der Kunden, die gleichzeitig trainieren dürfen, in allen Studios begrenzt. Dennoch hat bisher nur das Vitalis Dorfen seine Kapazitätsgrenze zweimal erreicht. Bei allen anderen ist noch Luft nach oben.

Beim Kundenverlust spricht Michael Pribil von circa zwanzig Prozent. Viele würden die Kündigungen jetzt allerdings zurücknehmen. Andere Betreiber sehen das Problem weniger in den Kündigungen als in der Tatsache, dass sie lange keine Neukunden anwerben konnten.

Sorge macht den Fitnessstudios aber vor allem der Gesundheitszustand vieler ihrer Kunden. "Für die Senioren war die Pause am schlimmsten. Sie müssen jetzt quasi wieder von neu auf anfangen", bedauert Erhard Schloderer, Inhaber des Sportparks Schollbach. Michael Pribil betont, dass gesunde Sportler die Möglichkeit gehabt hätten, auf Outdoor-Aktivitäten auszuweichen. Bei "präventivem und rehabilitativem Sport" ist die Betreuung durch professionelle Trainer indes kaum zu ersetzen. "Fitnessstudios sind genauso Teil der Gesundheitsvorsorge wie Rehazentren. Es ist schade, dass das von der Politik nicht anerkannt wird", beklagt Pribil. Hans Enzinger wird noch deutlicher: Er ist der Auffassung, dass die Schließung der Fitnesseinrichtungen nicht zum Schutz der Gesundheit der Bevölkerung beitrage. "Im Gegenteil: Die Gesundheit der Bevölkerung wurde geschwächt und sie ist damit anfälliger für das Virus", erzürnt sich Enzinger. Muskeltraining, der Besuch von Solarien und Saunen sowie der soziale Kontakt beim Training trügen entscheidend zur Stärkung des Immunsystems bei.

Jetzt haben die Fitnessstudios mit Muskulaturabbau, Übergewicht und Rückenproblemen zu kämpfen zählt Daniela Reuss, Inhaberin des Finest Fitness Clubs in Moosinning, auf. Wichtig sei es nun, langsam anzufangen. In Moosinning werden zum Beispiel bewusst mehr Pausenzeiten eingebaut. Um Kunden, die sich noch nicht wieder ins Studio trauen, weiterhin abzuholen, baut Reuss derzeit ihren Außenbereich aus. Zudem lässt sie, wie viele ihrer Kollegen, die online-Kurse der Lockdown-Zeit zunächst weiterlaufen. Von zu Hause aus können sich Kunden beispielsweise per Zoom einem laufenden Kurs im Finest Fitness Club zuschalten. Denn Gruppenangebote sind nun in Präsenz wieder erlaubt.

Finanziell brachte die fast siebenmonatige Schließzeit viele Fitnessstudio-Betreiber an ihre Grenzen. Bei Michael Pribil ist nach eigenen Angaben nur ein sehr geringer Teil der staatlichen Hilfen eingetroffen: "Für dieses Jahr haben wir noch keine Zuschüsse erhalten. Man kann schon mal ein bis zwei Monate vorfinanzieren, aber nicht fünfeinhalb." Hans Enzinger beklagt die unzureichende Höhe der Zahlungen: Im ersten Lockdown seien ihm über die Soforthilfe gerade einmal 5,5 Prozent seiner Kosten erstattet worden. Ergeht zudem davon aus, dass den Fitnessstudios die finanziell schwierigsten Zeiten erst noch bevorstünden, da viele Kunde ein Anrecht auf Kompensationszahlungen hätten.

Enzinger, Reuss und Schloderer gaben an, dass jeder, der wolle, eine Kompensation erhält. Body and Soul hatte eine Sonderstilllegung der Beiträge angeboten, die viele Kunden genutzt auch hätten. Im Vitalis Dorfen setzten die Beitragszahlungen erst jetzt ein. Zudem sind hier die Verträge monatlich kündbar. Auf dieses Modell hat auch Enzinger seine Verträge umgestellt. Niederschwellig und flexibel möchte er sein Angebot gestalten, denn "wir wissen nicht, wie es im Herbst weitergehen wird".

© SZ vom 15.06.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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