Vogelplage:Lachende Krähen, verärgerte Bürger

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Trotz jährlicher Vergrämungsmaßnahmen steigt die Zahl der Brutnester kontinuierlich an. Die Regierung von Oberbayern erlaubt nur optische und akustische Mittel, auf keinen Fall letale

Von Gerhard Wilhelm, Erding

Die "frohe Botschaft", so Oberbürgermeister Max Gotz, lautet "Hoffnung". Allerdings ist die Hoffnung, dass die Zahl der Krähen im Stadtgebiet sinkt, gering. Und daran wird wohl auch der dritte, diesmal neunseitige sogenannte Vergrämungsbescheid der Regierung von Oberbayern nichts ändern. Denn die Entwicklung der Zahl der Vögel seit 2012 zeigt: Es werden trotz aller Maßnahmen immer mehr. "Wir verscheuchen die Krähen von links nach rechts, aber die lachen sich einen und bauen die nächsten Nester", sagte Stadtbaumeister Sebastian Henrich am Dienstagabend im Stadtentwicklungs-, Umwelt- und Verkehrsausschuss des Stadtrats.

Saatkrähen stehen auf der Vorwarnliste der gefährdeten Brutvögel und deshalb dürfen sie eigentlich weder bejagt noch vergrämt werden. Nester dürfen nur mit einer Ausnahmegenehmigung der Regierung von Oberbayern entfernt werden. Und auch nur in der Winterzeit ehe die Vögel anfangen zu brüten. Erding hat nun bis Ende Februar Zeit - mit der Möglichkeit die Frist bis 15. März zu verlängern - die Saatkrähen mit "akustischen und optischen", aber nicht "letalen Mitteln" zu verscheuchen, sie zum Umsiedeln zu bewegen.

Die Beschwerden über den Lärm und den Dreck, den die Vögel verursachen, kennt OB Gotz schon lange, aber er sieht die Stadt nicht als Schuldigen dafür an, dass es immer mehr werden. "Wir sind der falsche Adressat der Beschwerden, das ist die Regierung von Oberbayern. Vielleicht ändert sich dort einmal was, wenn sich genügend Bürger beschweren." Es sei jedenfalls aus seiner Sicht keine Lösung, wenn man die Vögel nur von einer Ecke in die andere vertreibe.

Bei der jüngsten Bestandsaufnahme wurden 649 Nester in den Bäumen gezählt. 2015 waren es nur 512 gewesen. Einen "Erfolg" gab es dennoch: Die Zahl der über das gesamte Stadtgebiet verteilten Splitterkolonien ist gesunken. Aber darin liegt laut Stadtbaumeister Henrich auch die Gefahr: "Wenn sich Splitterkolonien zu einer Hauptkolonie zusammen schließen, dann sind sie geschützt". Wie "wirksam" die bisherigen Aktionen waren, bei denen die Nester aus den Bäumen geholt wurden, zeigen Zählungen. Laut Henrich lag die Zahl der Nester bei der Splitterkolonie am Herzoggraben im Jahr 2014 bei 47. Dann wurden 23 Nester entfernt. Das Ergebnis: 2015 waren es 55. Und trotz der Wegnahme von weiteren Nestern stieg die Zahl im vergangenen Jahr auf 73 an.

Die Hauptkolonie der Erdinger Saatkrähen lebt im Stadtpark, sie soll unangetastet bleiben, so verlangt es die bei der Regierung von Oberbayern angesiedelte Naturschutzbehörde. Und das ist sozusagen auch rundum gelungen. Dementsprechend stieg die Zahl der Krähenpaare im Rückzugsort Stadtpark von 366 im Jahr 2014 auf 532 im vergangenen Jahr. Ähnlich drastisch ist die Entwicklung an der Goethestraße: drei Paare 2014, zwölf 2015 und 26 im vergangenen Jahr - trotz Vergrämungsmaßnahmen.

Das Wort Vergrämung kommt aus der Jägersprache und bezeichnet das dauerhafte Vertreiben, Verscheuchen oder Fernhalten von Wild, damit sind etwa Marder, Wildkatzen oder eben Saatkrähen gemeint. Letztere dürfen deshalb nicht gejagt werden, weil Krähen zu den Singvögel zählen, und die dürfen in Deutschland nicht geschossen werden.

Es gibt verschiedene Maßnahmen die laut Bescheid zur Vergrämung der Vögel angewandt werden dürfen. Dazu gehören optische Mittel wie bunte Ballons, Flatterbänder, Scheinwerfer oder Greifvogel- und Uhu-Attrappen, akustische Maßnahmen wie zum Beispiel Knallkörper, Klatschen und Baumpflegemaßnahmen, also das Ausschneiden von Astgabeln, Kronenkappen von Nestern und Brutbäumen vor der Brutzeit. Auch Falken dürften zur Abschreckung eingesetzt werden. Doch die Erfahrungen zeigen, dass die Krähen zwar wegfliegen, sich aber dann einfach auf einanderes Gebiet verteilen. Wie erfolgreich Attrappen zur Abschreckung sind, berichtete Stadtbaumeister Henrich am Beispiel eines aufgestellten Marders: "Nachdem die Vögel erkannt haben, dass der nicht echt ist, haben sie ihn regelrecht zugeschissen".

Die Krähenvertreibung macht nicht nur viel Arbeit, sondern ist auch teuer, da jährlich begleitend ein ornithologische Gutachten erstellt werden muss, in dem genau die Zahl der Krähen und ihre Lebensbereiche erfasst werden.

© SZ vom 16.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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