Erding:Kitzretter unterwegs

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Wiesen bieten den Kitzen saftiges Futter und Schutz vor Fressfeinden. Doch hier droht auch die Gefahr, von Mähmaschinen erfasst zu werden. (Foto: Kreisjagdverband)

Jäger und Landwirte versuchen, so viele Jungtiere wie möglich vor dem Mähtod zu retten. In Taufkirchen gibt es sogar einen eigens gegründeten Kitzrettungsverein. Ein neues Forschungsprojekt der Landesanstalt für Landwirtschaft soll Strategien für einen verbesserten Schutz entwickeln

Von Thomas Daller, Erding

Landauf landab waren Jägerinnen und Jäger in den vergangenen Wochen unterwegs, um Kitze aus den Wiesen vor dem Mähwerk zu retten. Auch im Landkreis Erding waren viele Jäger und Landwirte aktiv. Mit Erfolg, freut sich Thomas Schreder, Vorsitzender des Kreisjagdverbandes Erding: "Es ist uns gelungen, viele der kleinen Kitzen vor dem Tod oder vor schlimmen Verstümmelungen zu bewahren. Herzlichen Dank an alle Kitzretter aus der Jägerschaft, den Bauernfamilien und den vielen Tierfreunden aus der Bevölkerung für Ihren Einsatz. Sie haben mit großem Engagement viel Tierleid verhindert."

"Landwirte und Jäger stehen gemeinsam in der Verantwortung, etwas gegen den Mähtod zu tun", sagt Schreder. "Die einen aus jagdethischer Verpflichtung heraus, die anderen von Gesetzes wegen. Entscheidend ist, dass Bauern und Jäger partnerschaftlich zusammenarbeiten und die Landwirte ihre Jäger rechtzeitig über den Erntetermin informieren und dann gemeinsam gehandelt wird."

Die Botschaft ist vielerorts angekommen: Das Bewusstsein für die Kitzrettung sei noch nie so groß gewesen wie dieses Jahr. Überall in Bayern bilden sich neue schlagkräftige Kitzretter-Gruppen aus Jägern, Bauern und Ortsansässigen, um gemeinsam eine Drohne anzuschaffen, Scheuchen oder akustische Kitzretter an den Wiesen aufzustellen und mit neuen Ideen und viel Engagement nach Kitzen zu suchen. Im Landkreis Erding gebe es in Taufkirchen sogar einen eigenen von der Jägerschaft gegründeten Kitzrettungsverein, in anderen Teilen des Landkreises, wie zum Beispiel in Langenpreising, unterstützt die Jagdgenossenschaft die Jägerschaft beim Kauf von Drohnen und viele Revierpächter kaufen sich Wildscheuchen, um das Tierleid zu verringern. Dazu haben viele Landwirte ihre Mahd angepasst und mähen von innen nach außen, damit die Wildtiere eine Fluchtmöglichkeit haben. Auch in den Sozialen Medien sei die Kitzrettung ein großes Thema. Viele schöne Bilder und bewegende Geschichten würden darüber berichten, wie wieder ein Kitz aus der Gefahrenzone herausgetragen werden konnte, oder ein Landwirt es kaum fassen kann, dass gleich fünf Kitze auf seiner Wiese versteckt waren.

Besonders gefährdet seien Wiesen und Futterflächen, die am Waldrand liegen. Denn die Rehgeißen "setzen", wie es in der Jägersprache heißt, ihre Kitze gern in die Wiese. Dort sind sie besser vor ihren Fressfeinden geschützt und Geiß und Kitz finden einen üppig gedeckten Tisch. Das eiweißreiche Gras fördert die Milchbildung beim Muttertier und liefert erste saftige Nahrung für die Kitze. Allerdings droht ihnen hier auch die Gefahr, vom Mähwerk erfasst zu werden, denn sie sind im hohen Gras gut getarnt und sie flüchten nicht, wenn sich die Maschine nähert, sondern ducken sich nur noch tiefer am Boden.

Tierleid verhindern heißt auch: "Bitte nicht anfassen!" betont der Kreisjagdverband Erding. Er weist deutlich darauf hin, dass Kitze nicht berührt werden sollen und die Kitzrettung den Profis überlassen werden soll. Berührt man die Kitze mit bloßen Händen besteht die Gefahr, dass die Muttertiere, die oft nur einen "Sprung" weit entfernt stehen, die Kitze nicht mehr annehmen. "Also bitte auf keinen Fall anfassen", schreibt der KJV. Zugleich weist der Verband darauf hin, dass vermeintlich verwaiste Rehkitze unbedingt in den Wiesen bleiben sollen. Thomas Schreder: "Rehgeißen legen ihre Kitze in der Regel in einer Wiese ab, lassen das Kitz dort meist den ganzen Tag alleine liegen und suchen nur ein- oder zweimal pro Tag die Kitze zum Säugen auf. Den Rest der Zeit bliebt das Muttertier in der Nähe. Die Jungtiere sind also nicht alleine und brauchen keine Hilfe, sondern nur Ruhe." Deshalb auch die dringende Bitte, Hunde derzeit nicht frei laufend in die Wiesen zu lassen.

Um die Jungtiere zur Mahdzeit in Zukunft noch besser zu schützen, soll nun ein Forschungsprojekt der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft Wildtierrettungsstrategien entwickeln. Thomas Schreder: "Wir danken der Bayerischen Staatsregierung für diese Initiative und freuen uns über die gute Zusammenarbeit. Gerne bringen wir unser Wissen und unsere Erfahrung zum Schutz der Jungtiere ein." Denn der Kreisjagdverband Erding hat bereits 2012 im Rahmen eines Pilotprojekts mit der Kitzrettung per Wärmebildkamera begonnen, die an einer Drohne montiert war. Die Kombination aus Wärmebild und Video, Laptop und Fernsteuerung per GPS hat 10 000 Euro pro Drohne gekostet. Auch Landmaschinenhersteller prüfen mit finanzieller Unterstützung von Bundesforschungs- und Bundeslandwirtschaftsministerium den Einsatz von Wildrettern und Infrarot-Detektoren an Traktoren.

Zudem bieten die Jäger den Landwirten an, ihnen bei der Suche nach den Tieren zu helfen. Allerdings sollten die Landwirte ein bis zwei Tage vor der Mahd die Jäger informieren; nicht erst wenige Stunden vorher. Darüber hinaus lobte Schreder auch das "sehr verantwortungsvolle Verhalten" der Landwirte: "Keiner sieht es gern, wenn ein Kitz zerhäckselt hinterm Kreiselmähwerk liegt. Nur wenn die Mahd durch Unternehmen gemacht wird und es schnell gehen soll, dann wird es schwierig."

© SZ vom 02.06.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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