Erding:Im beiderseitigen Interesse

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Von der Winterfütterung profitieren vor allem wenig gefährdete und an Menschen angepasste Arten wie etwa Amseln. (Foto: Renate Schmidt)

Wer Vögel auf dem Balkon oder im Garten füttert, löst zwar keine Naturschutzprobleme, hilft aber einigen Arten über den Winter - und es macht Spaß, dem bunten Treiben zuzusehen

Von Florian Tempel, Erding

Sobald der erste Schnee gefallen ist, beginnen Tierfreunde mit der Vogelfütterung. Das ist schon immer so, in Corona-Zeiten aber noch beliebter denn je. Gerade in diesem tristen Lockdown-Winter wollen viele mit Meisenknödeln, Sonnenblumenkernen und Hanfsamen nicht nur den Vögeln helfen, sondern auch sich selbst etwas Gutes tun, indem sie sich auf diese Weise Abwechslung, Farbe und Leben in den Garten oder auf den Balkon holen. Mit Natur- und Artenschutz habe die Vogelfütterung zwar wenig zu tun, schreibt der Bund Naturschutz (BN) in einer Pressemitteilung: "Wirklich hilfreich für die Vogelwelt wäre mehr Wildwuchs im Garten und die Erhaltung naturnaher, vielfältiger Lebensräume." Doch auch die Naturschützer räumen ein: "Vögel füttern macht Spaß, fördert die Artenkenntnis und steigert nachweislich das Wohlbefinden von uns Menschen." Na also - eine Wohltat in beiderseitigem Interesse.

In Supermärkten und Zoohandlungen werden derzeit wieder große Mengen Vogelfutter angeboten. Laut BN geben Vogelfreunde jährlich mehr als 20 Millionen Euro dafür aus. Während die Allerweltsvögel wie Spatzen, Meisen und Amseln am Futterhäuschen wie im Paradies leben, hätten andere Vogelarten jedoch kaum etwas von der Fütterung. "Eine Winterfütterung leistet nur einen sehr geringen Artenschutzbeitrag", schreibt Gabriele Betzmeir, die Erdinger BN-Kreisvorsitzende, "viel wichtiger für den Schutz unserer Gartenvögel sind dichte Hecken, Streuobst, naturnahe Stauden und Kräuter, die auch über den Winter stehen bleiben dürfen".

Die Fütterung verschafft den häufigen und an Menschen angepassten Vogelarten einen Konkurrenzvorteil, der sich auf die Größe und Verteilung der Vogelgemeinschaften auswirken kann. Laut einer britischen Studie habe sich zwar die Artenanzahl durch die zunehmende Futtervielfalt der Futtermittelindustrie in den Gärten erhöht, über das ganze Land betrachtet ist sie gleichgeblieben. "Nur Füttern hilft zu wenig. Man fördert damit lokale Tierpopulationen, aber nicht unsere biologische Vielfalt", so Betzmeir. Echter Vogelschutz sei der Erhalt strukturreicher Landschaften und natürlicher Lebensräume.

Verkehrt sei die Vogelfütterung trotzdem nicht. Futterstellen bieten eine gute Gelegenheit, Vögel aus der Nähe zu beobachten und interessante Naturerlebnisse zu erfahren. Daten aus einer Untersuchung der Universität Eichstätt zeigten, dass Vogelbeobachtungen glücklich machten, schreibt der Bund Naturschutz. Wichtig zu beachten sei bei der Winterfütterung vor allem, dass die Futterstelle sauber gehalten und verschmutztes Futter entsorgt werde. Frisches Wasser sollte man übrigens im Garten und auf dem Balkon das ganze Jahr über anbieten.

Dennoch blieben häufig die angebotenen Nüsse und Samen unberührt und Meisenknödeln verschmäht. "Vögel sind wählerisch, solange sie durch das Wetter nicht gezwungen sind auf minderwertige Kost umzusteigen," schreibt BN-Kreisgeschäftsführer Manfred Drobny. Sehr günstige Meisenknödel enthielten Abfallfette, Backbrösel und andere unverdauliche Füllstoffe. Wer in seinem Garten viele Vögel beobachten will, müsse deshalb auf gute Futterqualität setzen. Je vielfältiger das Futterangebot ist, desto mehr Vogelarten finden etwas Passendes. Besonders beliebt sind Sonnenblumenkerne, Hanf, Hirse, Mohn, Distelsamen, Fett-Kleie-Gemische, Haferflocken, frisches Obst, Rosinen und getrocknete Mehlwürmer. Drobny und Betzmeir appellieren für eine Alternative zum günstigen Vogelfutter, das am Ende womöglich von denen, die es fressen sollen, links liegen gelassen wird: "Der Kauf von regionalen und biologisch angebauten Produkten hilft, strukturreiche Landschaften als Lebensraum für viele verschiedene Vogelarten zu erhalten. Das ist sinnvoller als übermäßig Winterfutter zu erwerben."

© SZ vom 05.01.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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