Erding:Idealisten gesucht

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Wer kann eigentlich von Kunst allein leben? Zwar ist die Szene im Landkreis groß, richtigen Erfolg haben aber nur wenige

Von Mathias Weber

Bodo Gsedl muss bald weiter. Vormittags hat er noch einen Termin im Klinikum in Taufkirchen, dort gibt er einen Zeichenkurs. Nachmittags wird er sich vielleicht vor seinen Computer setzten, ein wenig arbeiten. Oder er kümmert sich um den Verein Sovie, der sich um die Inklusion psychisch Kranker bemüht. Viel Zeit für Freizeit bleibt an einem solchen normal Tag wohl nicht, für Zeit, in der er sich seiner Kunst widmen könnte. Aber das macht Gsedl, der sich trotz seiner vielen anderen Aufgaben selbst ja auch immer noch als Künstler bezeichnet, nicht viel aus: "Freizeit, das kenne ich nicht", sagt er. "Am Tag kenne ich nur zwei Zeiten: Schlafenszeit und Schaffenszeit." Das, was für Gsedl Kunst ausmacht, also eigenschöpferisch zu handeln, das habe er schon seit eineinhalb Jahre nicht mehr gemacht. Auf Anfrage fertigt er nur ab und zu Portraitbilder an, zwischen 250 und 800 Euro kosten sie, Portraits in Aquarell ein wenig mehr. Allein von seiner Kunst leben, könne er sowieso nicht, daher arbeitet er hauptberuflich als Grafikdesigner, nebenbei leitet er den Taufkirchener Sovie-Verein. Es geht Gsedl da aber auch nicht anders als vielen anderen Künstlern im Landkreis: Sie organisieren viele Ausstellungen, sie sorgen für kulturellen Austausch im Landkreis, sie lieben ihre Kunst, sie machen sie gerne; aber nur davon leben, das kann kaum einer.

Es braucht da schon andere finanzielle Hintergründe. Die Künstlerin Elisabeth Lex aus Notzing zum Beispiel ist seit Jahrzehnten in der Erdinger Szene bekannt, und veranstaltet immer wieder Ausstellungen ihrer Bilder. Letztes Jahr, sagt sie, sei es ein gutes Jahr gewesen, sie hatte richtig viele Bilder verkauft. Dieses Jahr aber ist Flaute: Noch kein einziger Kauf, obwohl sie derzeit bei zwei Ausstellungen dabei ist. Aber auch wenn sie eine Handvoll Bilder verkauft, davon leben wird sie nicht können: 400, 500 Euro bekomme sie für ein Bild, es kommt auch auf das Format an. Aufwendigere Bilder können auch mal 800 Euro oder mehr kosten. Lex sagt, sie hatte schon immer andere finanzielle Grundlagen, die ihr die Kunst überhaupt ermöglicht hätten: Früher war sie berufstätig, heute bekommt sie eine Rente und gibt Kurse an der Volkshochschule. Bei Bodo Gsedl aus Taufkirchen ist es ähnlich: Er würde, sagt er, als Grafikdesigner allein aber genug verdienen, um durchzukommen. Finanziell ausreichend gut gestellt ist er auch, weil auch seine Frau ihr Gehalt mit einbringt, das gibt Gsedl offen zu.

Andere sind nicht so offen. Manche aus der Szene sprechen hinter vorgehaltener Hand den sehr unfeministischen Umstand an, dass viele Künstler im Landkreis eben Frauen sind - Frauen, die auf kein eigenes Einkommen angewiesen sind, da ihr Partner das Geld nach Hause bringt; und die sich eben voll auf ihre Kunst konzentrieren können. Für die Qualität der Kunst, sagt einer, sei das nicht sehr förderlich: "Da kommt dann Hausfrauenkunst raus. Man schaltet zu wenig Hirn ein. Es gibt einfach wahnsinnig viele Leute, die einfach nur Farbe und Form auf einen Untergrund bringen."

Kunst ist eben Geschmackssache. Und auch die Werke der über die Landkreisgrenzen hinaus bekannten Künstler sind nicht unumstritten: Die Fachwelt ist sich aber einig, dass die Bilder Rudolf L. Reiters von hoher künstlerischer Qualität sind. Werke des Erdinger Malers wurden von der Bayerischen Staatsgemäldesammlung gekauft, vom Münchner Lenbachhaus, sind Teil von Sammlungen von Miami bis Zhejiang. Vor einigen Jahren wurde eine Sammlung von 90 Reiter-Bildern an das Museum Erding vermacht. Damals wurde geschätzt, dass jedes der Bilder mehr als 1000 Euro wert sei.

Und noch ein Name fällt, wenn es um Künstler geht, die es geschafft haben: Harry Seeholzer, der sich, wenn es um sein künstlerisches Schaffen geht, Harry S. nennt. Er hat sich im Landkreis einen Namen gemacht, früher hat er Aktionskunst gestaltet, dann Bilder, jetzt viele Skulpturen; auch Spektakuläres, zum Beispiel das stählerne, meterhohe "Tor I" im Westen Erdings. Bodo Gsedl glaubt, dass man es so machen muss wie Seeholzer, um als Künstler durchzukommen: "Er ist sich für nichts zu schade", sagt Gsedl, er würde eben auch für Gewerbe und Industrie eher einfache Arbeiten erledigen. So komme man aber zu Reputation, bleibt im Gespräch, und so kann man schließlich auch von der Kunst leben. Denn am Ende muss man seine Werke verkaufen, nur vom Malen alleine wird man nicht reich. Manche Erdinger Künstler sagen, dass früher mehr verkauft wurde und die, die es sich leisten konnten, mehr in Kunst investiert haben. Doch diese Zeiten seien vorbei. Aber über eine Unterstützung sind die Künstler im Landkreis froh: Über die der Politik, die zum Beispiel Kunst im öffentlichen Raum fördere und die Rathäuser für Ausstellungen aufsperre. Das könnte nämlich auch ganz anders sein.

© SZ vom 09.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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