Erding:"Ich habe das genossen"

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Er hat sich erweichen lassen: Die Filmemacherin Nina Winkler durfte die Entstehung eines Bildes des Künstlers Rudolf L. Reiter begleiten. Einfach war das nicht immer. Am kommenden Freitag ist der Film im Museum Erding zu sehen

Interview von Mathias Weber

Er malt und malt und malt: Rudolf L. Reiter, der bekannteste Künstler Erdings, tritt auch mit 72 Jahren nicht kürzer - obwohl er sich im vergangenen Jahr einer schweren Herz-OP unterziehen musste. Auch diese Episode in seinem Leben wird in einem Film nicht ausgespart, der am kommenden Freitag im Museum Erding gezeigt wird. Zum ersten Mal seit Jahrzehnten hat sich Reiter dazu überreden lassen, sich bei seiner Arbeit filmen zu lassen. Produziert hat den 40-Minüter, der die Entstehung eines abstrakten Bildes begleitet, die Österreicherin Nina Winkler. Die 30-Jährige ist Geschäftsführerin der Akademie Wildkogel, einem privaten Institut, bei dem Reiter als Dozent arbeitet.

Süddeutsche Zeitung: Herr Reiter, Sie sehen gut aus.

Rudolf L. Reiter: Die Leute sagen immer, ich mache einen guten Eindruck. Ja, es geht mir dementsprechend, es ist aber nicht mehr das, was es einmal war. Man merkt es beim Atmen, ich habe Wasser in der Lunge. Ich habe sehr, sehr viel mitgemacht. Auch im Film sieht man das: Mechanisch hat man mein Herz gerichtet, aber meine Seele zu Tode getrampelt.

Die Dreharbeiten zum Film haben vor Ihrer schweren Erkrankung begonnen, und mussten dann unterbrochen werden.

Ein Ausschnitt aus dem Film: Rudolf L. Reiter arbeitet in dem Atelier, in dem gedreht wurde. (Foto: oh)

Nina Winkler : Eigentlich wollten wir den Film im Herbst letzen Jahres fertigstellen, aber dann ist der Herr Reiter für die Not-OP ins Krankenhaus gekommen, wir mussten zwangspausieren. Er hat sich dann zum Glück von den Strapazen erholt, er hat wieder angefangen zu malen, weil es ihm gut getan hat. Das wollten wir im Film natürlich auch zeigen, dass es wieder bergauf ging und er sich an große Formate herangewagt hat.

Reiter: Ich war ja fix und fertig. Ich habe immer gesagt: Wenn, dann muss mich die Kunst aus dieser Misere herausholen. Dann bekam ich das Angebot von der Akademie Wildkogel, dort arbeiten und malen zu können.

Winkler: Wir haben uns natürlich auch Sorgen gemacht. Für mich war das ganze Projekt aber eine Ehre, dieses "Über die Schulter schauen". Ich glaube, bei dem Entstehungsprozess eines Bildes dabei sein zu dürfen, das gab es noch nicht - von der Grundierung bis zur Signierung.

War die Grundidee des Filmes, den Entstehungsprozess eines Bildes zu begleiten?

Winkler: Wir wollen den Leuten schon zeigen, wie du arbeitest und wie so ein Bild entsteht, was da dahintersteckt. Durch die Kamera, mit meinen Augen, haben wir den Prozess festgehalten. So hat das noch niemand miterlebt. Schon früher gab es Versuche, einen solchen Film zu drehen.

Der Künstler Rudolf L. Reiter spricht mit der Filmemacherin Nina Winkler (Foto: Renate Schmidt)

Reiter: Gerhard Richter hat einmal gesagt, es ist ein intimer Akt, zu malen, es ist wie ein Seelenstriptease. Da will man natürlich nicht, dass ständig jemand um einen herum steht. Ich habe mich in der Vergangenheit immer gewehrt. So ein Projekt funktioniert nur, wenn jemand mit dabei ist, der sich vollkommen zurücknehmen kann, wenn es eine total positive Aura gibt. Wie ist es dann zu diesem Projekt gekommen?

Winkler: Wir kennen uns durch die Akademie. Herr Reiter hat Workshops bei uns geleitet, dadurch ist die Freundschaft zwischen uns entstanden. Wir machen bei der Akademie immer kleine Image-Filme unserer Dozenten, Herr Reiter war begeistert von meinen Aufnahmen und vom Schnitt - und die Idee war geboren. Aber man musste Sie nicht lange überzeugen, mitzumachen. Oder, Herr Reiter?

Reiter: Ich muss ganz ehrlich sagen, ich habe schon daran gedacht, dass es jetzt ganz gut wäre, wenn man die Endphase und mein Spätwerk noch dokumentieren würde; für meine Kinder, für meine Sammler. Es wäre natürlich schön, wenn mir der Herrgott noch zehn Jahre gibt, aber es ist ja alles Ok, ich habe Erfolg gehabt, ich habe meine Leben gelebt.

Frau Winkler, Sie waren alleine mit Herrn Reiter im Raum, Sie haben Kamera und Ton übernommen. Wie haben Sie beide die Dreharbeiten empfunden?

Die Filmemacherin Nina Winkler durfte den Künstler Rudolf L. Reiter bei der Arbeit filmen. So sah er früher aus. (Foto: oh)

Reiter: Angenehmen, nach dem zweiten und dritten Mal. Ich habe das auch immer wieder gesagt, dass eine positive Stimmung und Aura vorhanden war. Ich merke das sofort, ich könnte sonst auch nicht mehr arbeiten.

Winkler: Für mich war das fantastisch. Ich habe hautnah miterlebt, wie so ein Werk entsteht und habe das genossen. Die Zeit, die wir da hineingesteckt haben, bereue ich nicht und würde es jederzeit wieder machen. Der Film ist eine klassische Dokumentation?

Reiter: Mehr oder weniger. Nina stellt nicht den Anspruch, "Vom Winde verweht" zu drehen. Es ist ein Arbeitsfilm, wie es sie zum Beispiel auch über Van Gogh gab. Es stört mich überhaupt nicht, wenn es vom Technischen und Handwerklichen nicht ideal ist. Ein bewusstes Stilmittel ist, dass wenig gesprochen wird. Interviews gibt es aber schon.

Winkler: Es ist eher ein ruhiger Film, der Prozess der Schöpfung eines Werkes steht im Vordergrund.

Herr Reiter, Sie haben den Film schon gesehen?

Ja natürlich, ich war ja in die Produktion eingebunden.

Und wie war die Atmosphäre im Schneideraum, ist der Herr Reiter da sehr bestimmend?

Winkler (lacht): Er hat schon gewisse Vorstellungen.

Reiter: Vorsichtig ausgedrückt. Man streitet nicht, aber man diskutiert natürlich. Manches wollte ich schon herausgeschnitten haben.

Winkler: Da bin ich dann hartnäckig geblieben. Aber es war eine gute Kooperation. Was ist eigentlich mit dem Bild passiert, das während des Filmes entstanden ist? Reiter: Das ist fix und fertig und steht bei mir im Atelier jetzt. Ein informelles Bild, wunderschön, sehr farbintensiv, 2,60 Meter auf zwei Meter groß. Je größer und imposanter das Bild, desto mehr Spaß macht es. Freuen Sie sich auf den Termin am Freitag?

Reiter: Ich muss ganz ehrlich sagen, seitdem meine Frau gestorben ist, hatte nicht mehr das Gefühl, einen Grund zum Feiern zu haben. Aber diese Veranstaltung hier, das ist wirklich mal wieder mal so ein Grund. Meine Frau ist bestimmt dabei, von oben.

Die Filmpremiere am Freitag, 19. August, ist öffentlich zugänglich. Los geht es im Museum Erding um 17 Uhr. Zuerst wird der Film gezeigt, dann wird der Autor Manfred Trautmann Gedichte sowie einen Auszug aus der Biografie von Rudolf L. Reiter lesen.

© SZ vom 18.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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