Erding:Höhen und Tiefen

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"Ein Obdachloser und sein guter Freund": Auch dieses Bild hat Claus Langheinrich in die Ausstellung aufgenommen. (Foto: C.Langheinrich/oh)

Ausstellung in Erding über den "Gesichtsverlust"

Von .M. Schwarzbauer, Erding

Wer in Deutschland sein "Gesicht verliert", der leidet meist unter dem Schwund des gesellschaftlichen Ansehens. Der Lengdorfer Fotograf und ehemalige Schulamtsdirektor Claus Langheinrich geht sogar so weit und interpretiert in diesen Ausdruck "eine Charakterschwäche" hinein. In seiner neusten Ausstellung "Lost Faces", die vom 21. Dezember bis 6. Februar im Kreiskrankenhaus Erding besucht werden kann, stellt er Porträts vor, die diesen Gesichtsverlust - in all ihren Facetten - festzuhalten versuchen.

Seine Fotografien bezeichnet Langheinrich als "Streetfotografien", denn keines seiner Bilder wurde im Studio oder mit Blitz aufgenommen. "Auf der Straße spielt sich das wahre Leben ab, ich will authentische Momentaufnahmen und keine konstruierten Porträts", sagt der ehemalige Schulamtsdirektor. Anschließend bearbeitet er die Aufnahmen am Computer, reißt manche auseinander, verstärkt den Kontrast, lässt sie verschwimmen oder setzt Farbnuancen.

Vier Jahre dauerte es, bis er die 46 Fotos, die er auf öffentlichen Plätzen in Südamerika, Polynesien, Afrika und Europa aufnahm, zusammengestellt hatte. "Die Straßen bieten eine große Vielfalt an Gesichtern, die einen rennen gehetzt zur Arbeit, andere schlendern mit entspanntem und glücklichem Gesichtsausdruck durch die Gassen, wiederum andere kann man dabei beobachten, wie sie gerade das Gesicht verlieren", sagt der Fotograf.

Die Bilder behandeln bestimmte Themenkreise: Langheinrich bezeichnet sie als "Charakterstufen". "Mich interessieren die Höhen und Tiefen des menschlichen Daseins", sagt Langheinrich. Mit dem Bild "Der Alkoholiker und sein Hund" (links) will der Fotograf zum Beispiel zeigen, wie ein Mensch durch die Sucht sein Ansehen und Würde verloren hat.

Für seine Ausstellung lichtete der Fotograf unter anderem eine alte Frau aus der Atacamawüste in Chile ab und betitel es "Alt geworden". "In den Gesichtszügen ist das harte Leben nicht spurlos vorbeigezogen. Das eine Auge ist kaum geöffnet und die tiefen Falten lassen darauf schließen, dass die Frau immer hart arbeiten musste", sagt Langheinrich. Die Bildreihe "Verschwommene Erinnerung an einen Fisch" sieht der Fotograf als kleinen Zusatz: "In Kroatien haben meine Frau und ich in einem Restaurant den amerikanischen Schriftsteller Jonathan Rosenbaum getroffen. Er bestellte einen Fisch und ich habe mit meiner Kamera festgehalten, wie der Fisch - im wahrsten Sinne des Wortes - das Gesicht verloren hat", sagt Langheinrich schmunzelnd

© SZ vom 17.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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