Erding:Gutscheinsystem wird überprüft

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Die Regierung von Oberbayern untersucht nun offiziell den Erdinger Sonderweg. Bislang bekommen die Flüchtlinge im Landkreis das Kleidergeld nicht bar ausgezahlt

Von Florian Tempel, Erding

Das im Landkreis Erding vor vier Wochen eingeführte System, Flüchtlingen das ihnen zustehende Geld für Kleidung und Schuhe nicht bar auszuzahlen, sondern ihnen stattdessen Einkaufsgutscheine zu geben, wird von der Regierung von Oberbayern nun doch offiziell auf seine Rechtmäßigkeit überprüft. Die Bezirksregierung bestätigte, dass man "hierbei als Fachaufsichtsbehörde tätig" sei. Mit dem Hinweis, dass der "Prüfvorgang" andauere, gab die Bezirksregierung keine Auskunft dazu, wie man den Erdinger Sonderweg vorläufig einschätze. Vor drei Wochen hatte die Aufsichtsbehörde noch mitgeteilt, sie sehe keinen Anlass für eine Überprüfung des Erdinger Sonderwegs.

Seit der Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes zum 1. März muss Flüchtlingen, sobald sie die Erstaufnahme hinter sich haben, grundsätzlich das finanzielle Existenzminimum in Höhe der Hartz IV-Sätze bar ausgezahlt werden. In ganz Oberbayern wird das so gemacht - nur nicht im Landkreis Erding. Hier wird der Teilbetrag für Kleidung und Schuhe - einem Erwachsenen stehen monatlich 33,57 Euro zu - den Flüchtlingen lediglich in Form von Wertgutscheinen ausgehändigt. Die Gutscheine gelten ausschließlich in Geschäften im Landkreis. Landrat Martin Bayerstorfer (CSU) hatte die Einführung des Gutscheinsystems unter anderem damit gerechtfertigt, dass eine Bargeldauszahlung "falsche Anreize schafft". In zwei Treffen mit den Fraktionsspitzen des Kreistages diskutierte Bayerstorfer die Einführung des Gutscheinsystems und erhielt letztlich einhellige Zustimmung dafür.

Das bayerische Sozialministerium stellte auf Anfrage der SZ allerdings klar, dass die Ausgabe von Gutscheinen statt Geld laut geltendem Recht nur "ausnahmsweise" zulässig sei und in jedem Fall einer "erhöhten Begründungspflicht" unterliege. Der bayerische Flüchtlingsrat hatte nach einem Bericht der SZ das offenbar einzigartige Erdinger System als "unzulässig und illegal" scharf kritisiert und das bayerische Sozialministerium aufgefordert, Landrat Bayerstorfer "dringend zur Vernunft zu bringen".

In der bayerischen Behördenhierarchie sind allerdings die Bezirksregierungen die direkten Aufsichtsbehörden der Landratsämter. Die somit zuständige Regierung von Oberbayern sah jedoch zunächst keinen Handlungsbedarf. Aus zwei Gründen: Man wusste vorab von der Einführung des Gutscheinsystems im Landkreis Erding und hatte dagegen "keine grundsätzlichen Bedenken", hieß es in einer ersten Stellungnahme. Bayerstorfer habe die Einführung des Gutscheinsystems "am Rande eines in einer anderen Sache vereinbarten Gesprächs bei Regierungsvizepräsidentin Els" angesprochen. Der zweite Grund, auf eine Überprüfung zu verzichten, war allgemeinerer Art: "Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu gewähren sowie die grundsätzliche Entscheidung über die Leistungsform obliegt den örtlichen Trägern, also den Landratsämtern." Die "Rahmenbedingungen und Anforderungen" des zum 1. März geänderten Gesetzes seien den Landratsämtern bekannt - sprich, diese müssten schon selbst wissen, was sie tun dürfen und was nicht.

Die nun doch eingeleitete Prüfung des Erdinger Gutscheinsystems beinhalte eine "Aufklärung und Bewertung des Sachverhalts", heißt es in einem aktuellen und knappen Schreiben der Regierung von Oberbayern. Man führe dazu "Gespräche mit dem Landratsamt Erding".

Als Aufsichtsbehörde hat die Bezirksregierung Einwirkungsmöglichkeiten auf ein Landratsamt, die über eine reine Diskussion in Gesprächen hinausgehen. Die Ausgabe der Gutscheine ist in jedem Einzelfall per Bescheid ergangen. Die Regierung von Oberbayern wäre grundsätzlich befugt, diese Bescheide zurückzunehmen oder abzuändern.

© SZ vom 10.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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