Erding:Grundstücke auf Vorrat

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Der Landkreis gibt 2016 zehn Millionen Euro für Tausch- und Ökoausgleichsflächen für die geplante Nordumfahrung Erding aus. Für 3,4 Millionen kauft er "ohne speziellen Zweck" das Gut Hirschau von der Flughafengesellschaft

Von Florian Tempel, Erding

Der Landkreis Erding wird im kommenden Jahr so viel Geld ausgeben wie noch nie. Allein 23 Millionen Euro sind im Haushaltsentwurf 2016 für Investitionen eingeplant, ein absoluter Rekord. Zwei Positionen stechen dabei heraus: Allein zehn Millionen Euro sind für den Kauf von Grundstücken vorgesehen, die für den Bau der Nordumfahrung von Erding benötigt werden. Für weitere 3,4 Millionen Euro kauft der Landkreis der Flughafen München Gesellschaft (FMG) das nördlich der Autobahn A 92 gelegene Gut Hirschau ab.

Für den Bau der Nordumfahrung, die vom Staatlichen Bauamt Freising als Kreisstraße ED 99 geplant wird, braucht man eine große Menge Grund. Der Bedarf für den eigentlichen Straßenbau inklusive Begleitgrün neben der knapp neun Kilometer langen Ost-West-Verbindung von der B 388 bei Unterstrogn und zur Flughafentangente Ost bei Reisen liegt bei etwa 15 Hektar. Mehr als doppelt so viel, etwa 32 Hektar, werden als ökologische Ausgleichsflächen für das Großprojekt benötigt.

Im August berichtete Landrat Martin Bayerstorfer (CSU), dass "wir mit dem Flächenerwerb schon richtig fleißig waren". 43 Hektar Land habe der Landkreis bereits erworben und über den Ankauf von zwölf weiteren Hektar sei man in Verhandlungen. Wie viel Geld dafür schon ausgegeben wurde, will das Landratsamt aber nicht sagen. "Da die Kaufbeschlüsse alle nicht öffentlich gefasst wurden, können zu den Kosten keine Informationen weitergegeben werden", schreibt die Sprecherin der Behörde auf Nachfrage.

Bis der Bau der Nordumfahrung beginnen kann, werden noch einige Jahre vergehen. Das Planfeststellungsverfahren läuft zwar seit Oktober 2014. Dennoch ist das Staatliche Bauamt noch immer damit beschäftigt, die mehr als tausend Einwendungen zu sichten und dazu Stellung zu nehmen. "Jeder Einwand wird ernst genommen", sagt Abteilungsleiter Robert Braun, "und das wird noch einige Zeit in Anspruch nehmen." Er hoffe, sagt Braun, dass es in der zweiten Jahreshälfte 2016 einen Erörterungstermin zu den Einwänden geben wird. Danach folgen wahrscheinlich Umplanungen und eine erneute Beteiligung der Öffentlichkeit. Für einen Planfeststellungsbeschluss wird die Regierung von Oberbayern noch einmal etliche Monate brauchen. Und dann können Betroffene gegen den Beschluss vors Gericht ziehen.

Da Preise für landwirtschaftliche Flächen immer weiter steigen, ist es verständlich und wohl auch sinnvoll, dass der Landkreis schon jetzt Grundstücke kauft. Vielleicht läuft der Grunderwerb für die Nordumfahrung Erding aber auch so ähnlich ab wie der Erwerb des Guts Hirschau. Dessen Kauf ist schon unter Dach und Fach, bestätigte die Sprecherin des Landratsamts, "wir waren schon beim Notar". Die 3,4 Millionen Euro werden jedoch erst im kommenden Jahr an die FMG überwiesen. Diese hatte das Gut Hirschau, das bis 2012 von der TU München als landwirtschaftliches Versuchsgut genutzt wurde, vor sieben Jahren dem Freistaat abgekauft. Was der Landkreis Erding mit dem Gut Hirschau vorhat, bleibt erst ein Geheimnis. Aus dem Landratsamt heißt es, der Kauf sei "ohne speziellen Zweck für die Grundstücksbevorratung" vorgenommen worden.

Das Gut Hirschau umfasst knapp 16 Hektar Land. Der größere Teil liegt auf Flur der Gemeinde Marzling im Landkreis Freising, ein kleinerer Teil innerhalb der Gemeindegrenzen von Eitting, alles aber nördlich der A 92. Neben einem großen Gutshof stehen noch umfangreiche landwirtschaftliche Hallen und Tierställe auf dem Gelände. Seit die TU München im Herbst 2012 abgezogen ist, wurde das Areal nur noch einmal genutzt: Ein Wanderzirkus schlug dort für einige Monate sein Winterlager auf.

Als die FMG das Gut vom Freistaat kaufte, wurde gemutmaßt, die Flughafengesellschaft habe das im Zusammenhang mit dem geplanten Bau der dritten Startbahn getan. Um Tauschflächen für direkt betroffene private Grundeigentümer im Vorrat zu haben, oder, um in Hirschau später Ökoausgleichsflächen ausweisen zu können. Das bayerische Finanzministerium beteuerte nach dem Verkauf an die FMG lediglich, es gebe keinen "unmittelbaren Zusammenhang" zur dritten Startbahn. Für Ausgleichsflächen hätte die Lage der 16 Hektar aber ganz sicher gepasst. Das Fauna-Flora-Habitat-Gebiet Isarauen liegt unmittelbar nebenan.

Tausch- und Ausgleichsflächen werden aber auch für andere Großprojekte im Landkreis Erding gebraucht. Neben der Nordumfahrung vor allem auch für den geplanten S-Bahn-Ringschluss. Bei einer Veranstaltung des Bayerischen Bauernverbands vor einem Monat wurden Zahlen genannt: Für die Gleise vom Flughafen bis Erding werden 18 Hektar sowie 50 Hektar Öko-Ausgleichsflächen benötigt. Wer besorgt das alles? Die Deutsche Bahn, die den Ringschluss bauen wird, kauft nie auf Vorrat, sondern immer erst dann, wenn für ein Projekt rechtskräftiges Baurecht besteht. Das liegt jedoch noch in ferner Zukunft. Gut möglich, dass der Landkreis das erkannt hat, und auch aus diesem Grund "Grundstücksbevorratung" ohne "unmittelbaren Zusammenhang" zu einem konkreten Projekt betreibt.

© SZ vom 19.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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