Erding:Großes Gemeinschaftsgefühl

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Parteiübergreifend demonstrieren die Erdinger am Freitagabend für einen längeren Bahntunnel, als bislang geplant. Oberbürgermeister Max Gotz verspricht, "wirkliche Neuigkeiten" zu verkünden

Von Florian Tempel, Erding

Um beim Bau des S-Bahnringschlusses möglichst viel Bahntunnel in seiner Stadt zu bekommen, nutzt Oberbürgermeister Max Gotz (CSU) alle Möglichkeiten der politischen Klaviatur. Hinter geschlossenen Türen verhandelt er mit Ministern und Beamten, im Stadtrat ließ er raffinierte Bebauungspläne auflegen, er berief Bürgerversammlungen ein und drohte in öffentlichen Reden mit dem Gang vor Gericht, wenn der Staat nicht dem Erdinger Willen entsprechen wolle, die Gleise im Stadtgebiet möglichst weitgehend im Untergrund verschwinden zu lassen. An diesem Freitag erweitert Gotz das Spektrum seiner vielschichtigen Anstrengungen: Er stellt sich um 17 Uhr am Bahnübergang in der Haager Straße an die Spitze einer Demonstration unter freiem Himmel.

Das Plakat für die Kundgebung "Kein Ringschluss ohne Tunnel" listet Gotz zwar hinter dem Sprecher der Bürgerinitiative "Bahntunnel Erding", Winfried Busch, als zweiten Redner auf. Gleichwohl wird mit größerer Spannung erwartet, was der OB zu sagen hat. Auch wenn er schon oft Gesagtes wiederholen wird - zum Beispiel Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) an dessen Worte "Sonderlasten erfordern Sondermittel" zu erinnern -, habe er auch "wirkliche Neuigkeiten" zu verkünden, sagt Gotz. Um was es sich dabei genau handelt, will er vorab nicht verraten. Nur so viel: Es habe mit der Finanzierung des gewünschten Tunnels zu tun.

Selbst wenn Gotz nichts Neues zu sagen hätte, ist die Kundgebung am Freitag ein besonderes Phänomen. In der Presseankündigung heißt es "die Bürgerinitiative sowie alle im Stadtrat vertretenen Parteien und Gruppierungen" seien die Veranstalter. Auf den Plakaten prangen in ungewohnter Einmütigkeit die Logos von CSU, SPD, Freien Wählern, Erding Jetzt und ÖDP. Dass das nicht wirklich alle sind - Piraten, FDP und Republikaner fehlen - darf man vernachlässigen. Es ist eine so breite politische Basis, als ob es eine Demo wäre, bei der es um den Weltfrieden geht.

Tatsächlich sind sich in Erding wohl alle einig: Die bislang vorgelegten Pläne der Staatsregierung taugen nichts. Denn die sehen ein Abtauchen der S-Bahnzüge erst auf Höhe des Erdinger Bahnhofs vor, der später nicht mehr gebraucht wird, weil er durch einen neuen Bahnhof auf dem Fliegerhorstgelände ersetzt wird. Die Begründung der Staatsplaner: Ein Gleistunnel, der weiter südlich begänne, sei zu teuer. Ein solcher Tunnel sei gewissermaßen nicht erlaubt, denn man müsse die finanziell günstigste Lösung bauen. Dazu sei man gesetzlich verpflichtet - außer die Stadt zahlen die Untertunnelung selbst.

Die Kommunalpolitik sieht die Sache ganz anders. Aus Erdinger Sicht ist ein längerer Tunnel zwingend notwendig. Nicht nur, weil man sonst die Gelegenheit vergebe, die Schranken an der Haager Straße los zu werden. Vor allem kann man dann das Gelände rund um den noch bestehenden Bahnhof städtebaulich sinnvoll nutzen. Und wenn man dort, neben Rad- und Fußwegen ein paar große Häuser hinstelle, könnte man mit dem Gewinn daraus auch ein schönes Stück Tunnel finanzieren.

Das große Erdinger Gemeinschaftsgefühl pro Tunnel wird durch die lange Liste weiterer angekündigter Teilnehmer noch verstärkt: Mit demonstrieren wollen die Bundestagsabgeordneten Andreas Lenz (CSU) und Ewald Schurer (SPD), sowie die Landtagsabgeordneten Doris Rauscher (SPD), Benno Zierer, Thorsten Glauber und Hubert Aiwanger (alle Freie Wähler), Claudia Stamm und Markus Ganserer (Grüne). Und auch Umweltministerin Ulrike Scharf (CSU), die Erdinger Landtagsabgeordnete und Mitglied der Staatsregierung in einer Person ist, will dabei sein.

Das ist besonders interessant. Denn eine Kundgebung richtet sich ja immer auch gegen jemanden. Der Adressat, der am Freitag angesprochen werden soll, ist die bayerische Staatsregierung, deren Chef großzügig Sondermittel versprochen hat, deren ausführende Organe aber nichts rausrücken wollen. Was hat Scharf dazu zu sagen? Sie übt den Spagat und lässt ausrichten: "Einerseits darf sich die Lebensqualität der Erdinger Bürgerinnen und Bürger nicht verschlechtern. Andererseits muss es eine faire Lösung für die Finanzierung für eine mögliche Verlängerung des Südtunnels bis zum Bahnübergang Haager Straße geben. Es wäre fatal, wenn der Bau des Ringschlusses in ferne Zukunft rückt oder gefährdet wird."

© SZ vom 24.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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