Erding:Große Bühne für den Landrat

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Martin Bayerstorfer kritisiert beim Besuch von Bundesinnenminister Thomas de Maizière die Organisation im Warteraum Asyl. Bis zum Sonntagmorgen kommen 890 Flüchtlinge in Erding an

Von Sebastian Fischer, Erding

Plötzlich schwenkten die Kameras und Mikrofone im Shelter 15 um - um die Worte des Mannes einzufangen, der sich soeben ins Bild geschlichen hatte. Es war spektakulär, wie Landrat Martin Bayerstorfer (CSU) Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) mit Sorgen konfrontierte, die der Warteraum Asyl am Fliegerhorst dem Landkreis bereitetet. Es war allerdings nicht minder interessant, als die Kameras und Mikrofone noch einmal weiterschwenkten: zu Heiko Werner, dem Aufbauleiter vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf). Er erklärte die von Bayerstorfer angesprochenen Probleme und bot Lösungen an.

Da war zunächst Bayerstorfers Kritikpunkt, dass die Einrichtungen auf dem Fliegerhorstgelände gegen baurechtliche Verordnungen verstoßen. Es stört den Landrat, dass Zelte und Shelter unter dem Vorwand, auf einem militärischen Gelände zu stehen, errichtet wurden, nun aber auf einem nichtmilitärischen Gelände genutzt werden. Werner erklärte, das Problem sei, dass die Rechtsnormen für derartige Ausnahmesituationen nicht gemacht seien. "Wir haben auf dem Gelände sogenannte fliegende Bauten, die für drei Monate gültig sind." Über Regelungen, die darüber hinaus gehen, sei das Bamf bereits in Gesprächen mit dem Bauamt der Großen Kreisstadt Erding. Doch zunächst sei es die Aufgabe der Behörde gewesen, Menschen menschenwürdig unterzubringen.

Gespalten in punkto Flüchtlingspolitik: Bundesinnenminister Thomas de Maizière (vorne) und Landrat Martin Bayerstorfer waren verschiedener Ansicht. (Foto: Renate Schmidt)

Bayerstorfer warf dem Bamf zudem vor, keine Lösung für die Versorgung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge zu haben. Die Jugendlichen sind eigentlich nicht in die Regelung der raschen Weiterverteilung einbezogen, sondern müssen laut Gesetz vom zuständigen Jugendamt in Obhut genommen werden. Dies könne der Landkreis jedoch aufgrund personeller und räumlicher Engpässe nicht leisten, sagte Bayerstorfer. Werner erklärte, dass in der vergangenen Woche deshalb alle 16- und 17-Jährigen, meist junge Männer aus Afghanistan, weiterverteilt worden seien. Einzig jüngere, unbegleitete Kinder seien dem Jugendamt anvertraut worden, nicht mehr als fünf. Auch der Landrat erklärte später: "Ja, das läuft jetzt."

Bayerstorfer kritisierte darüber hinaus, dass der Landkreis Kosten für Krankentransporte und stationäre Behandlungen im Klinikum Erding übernehmen müsse. Aus seiner Sicht sollte hier das Bamf zuständig sein, das lehne die Verantwortung jedoch ab. Werner pflichtete ihm in diesem Punkt bei: "Wir müssen den Landkreis unterstützen, so geht das nicht." Bayerstorfer mahnte: "Wenn das zu Lasten der Bevölkerung geht, ist das nicht akzeptanzfördernd." Was er nicht erwähnte, war das Engagement vieler Erdinger Ärzte. Die Zahnärzte im Landkreis unter der Leitung des pensionierten Kieferorthopäden Hans Seeholzer behandeln in Absprache mit dem Deutschen Roten Kreuz (DRK) bereits Flüchtlinge, ohne sich im Vorhinein über die Bezahlung zu erkundigen.

Bayerstorfer fand es auch falsch, dass es den ankommenden Flüchtlingen im Camp freigestellt werde, sich registrieren zu lassen. Es ginge ihm nicht darum, Menschen einzusperren. Er würde nur gerne wissen, wer sich in seinem Landkreis aufhalte, sagte er in die Fernsehkameras. Kurz davor hatte de Maizière erklärt, dass auch die in Berlin derzeit diskutierten Transitzonen "keine Haftanstalten" sein sollen. Es werde keine Freiheitsentziehungen für Flüchtlinge geben, sagte der Innenminister. Dass der Erdinger Warteraum Asyl als Transitzone infrage kommen könnte, schloss de Maizière nicht aus. Sicher scheint nur, dass eine Entscheidung für die Errichtung von Transitzonen den Betrieb im Erding er Warteraum verändern würde.

Der Betrieb war in der Nacht zum Sonntag so rege wie in der gesamten vergangenen Woche noch nicht. 890 Flüchtlinge kamen bis zum Sonntagmorgen an. Die bislang höchste Auslastung, "aber völlig im Bereich der Möglichkeiten", sagte Günther Geiger vom DRK am Sonntag. Die Kapazitäten reichen derzeit für die Unterbringung von 1556 Menschen. Auch Geiger räumte ein, es gebe im Warteraum noch "einen Sack mit Problemchen". Doch er sei sicher, diese bald zu lösen.

© SZ vom 26.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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