Erding:Glückliche Verlierer

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Äußerlich soll sich nichts verändern, nur eine Wand in der Filiale soll zurückgebaut werden. Der gewonnene Platz soll für mehr Kundenkomfort sorgen. (Foto: Schmidt)

Erding muss Aldi vor Gericht Recht geben: Die Filiale im Gewerbegebiet West darf wachsen. Doch die Stadt ist mit dem Urteil nicht unglücklich. Sobald es rechtskräftig ist, sollen die Umbauarbeiten beginnen

Von Sebastian FIscher, Erding

Mag ein Streit vor Gericht auch noch so kompliziert sein, das Urteil klingt oft ganz einfach. So geschehen, als Oberbürgermeister Max Gotz (CSU) im Ferienausschuss am Donnerstagabend von Stadträtin Johanna Heindl (FW) nach dem Urteil der Klage des Lebensmitteldiscounters Aldi gegen die Stadt Erding gefragt wurde und die Münchner Verwaltungsrichter zitierte. Da sagte Gotz: "Der Aldi kann bauen, was er möchte."

Es war allerdings nicht nur interessant, was Gotz sagte, sondern auch wie er es sagte. Nicht etwa mit der Stimme eines geschlagenen Verlierers, sondern ganz beiläufig, als würde er die Tagesordnung vorlesen. Gotz war nicht verbittert, dass Erding gegen Aldi verloren hatte. Denn das ist das Ungewöhnliche an diesem Fall: Erding wollte eigentlich nie gewinnen.

Aldi hatte im Frühjahr gegen die Stadt geklagt, um vor dem Verwaltungsgericht München eine Baugenehmigung für eine Erweiterung des Marktes auf dem Kletthamer Feld im Gewerbegebiet West zu erzwingen. Die zur Verfügung stehenden 796 Quadratmeter Verkaufsfläche sollen um Teile eines angrenzenden, derzeit leer stehenden 143 Quadratmeter großen Lagers erweitert werden. Der betroffene Bebauungsplan, der sich auf das Gebiet zwischen Dachauer Straße und Flughafentangente bezieht, sah aber nur eine Fläche für die Nutzung für den Einzelhandel von bis zu 850 Quadratmetern vor.

Deshalb hatte Aldi den von der Stadt erlassenen Plan angefochten - die einzige Möglichkeit, um die Verkaufsfläche zu erweitern. Denn die Stadt zeigte sich zwar von vornherein einverstanden mit den Plänen des Discounters, verwies aber darauf, an den rechtsgültigen Bebauungsplan gebunden zu sein. Doch Aldi hatte vor Gericht zwei gute Argumente: Die jüngste Änderung des Bebauungsplanes im Jahr 2005 - eine Erweiterung der Fläche von 800 auf 850 Quadratmeter - hatte die 1. Kammer des Verwaltungsgerichts um die Vorsitzende Richterin Andrea Breit bereits bei den ersten Verhandlungen im April für ungültig erklärt: Es hätte ein Sondergebiet ausgewiesen werden müssen. Und auch der ursprüngliche Plan von 1996 war juristisch angreifbar, gleich aus mehreren Gründen. Der Lärmschutz wurde missachtet, zudem städtebauliche Aspekte unzureichend beschrieben. Wie die Versäumnisse der Stadt zu erklären seien, erklärte Erdings Rechtsamtsleiter Andreas Erhard damals, könne man jetzt nicht mehr so genau sagen: Der zuständige Kollege sei leider schon im Ruhestand.

Das Gericht folgte der Argumentation der Anwälte des Discounters. Die Kammer traf sich zu einem Ortstermin im Erdinger Gewerbegebiet und zu einer mündlichen Verhandlung im Rathaus. Zwar steht das offizielle Urteil nach Auskunft des Verwaltungsgerichts noch aus. Doch Gotz bestätigte einen entsprechenden Medienbericht, wonach das Urteil zugunsten des Klägers ausfällt. Die Stadt wird den Plänen nicht im Weg stehen, der Discounter die Prozesskosten tragen. Etwas einzuwenden gegen das Urteil hatte nur die für die Landesplanung zuständige Regierung Oberbayern. Die hatte auf die Gültigkeit des Landesentwicklungsprogramms verwiesen. Das Verwaltungsgericht darf jedoch von dessen strikter Lesart abweichen. Außerdem belege Erhard zufolge ein von der Stadt vorgelegtes Gutachten, dass die Konkurrenz durch die Erweiterung keinen Schaden zu nehmen drohe.

Sobald das Urteil rechtskräftig ist, werde das Baugenehmigungsverfahren wieder aufgenommen, teilt eine Aldi-Sprecherin mit. Man plane eine schnellstmögliche bauliche Umsetzung nach Erteilung des Bauantrags. Äußerlich werde das Gebäude nicht verändert, sondern nur eine Wand zurückgebaut. Die Lagerfläche werde aufgrund einer neuen Lieferstrategie nicht mehr benötigt, der freigewordene Raum zur besseren Warenpräsentation und für mehr Gangfläche genutzt.

© SZ vom 22.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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