AWO-Kreisvorsitzender vor Gericht:Gepfeffertes Rambazamba

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Ein Auto stand im Weg. Was dem folgte, wird gerichtsmassig: In einem grotesken Verfahren wird der Kreisvorsitzende der Arbeiterwohlfahrt freigesprochen, der Hausmeister muss 4500 Euro zahlen

Von Florian Tempel, Erding

Fritz Steinberger war schon vieles. Unter anderem war er dritter Landrat und stellvertretender Bürgermeister von Erding. Kreisvorsitzender der Arbeiterwohlfahrt ist er noch immer. Eines war der 79-Jährige aber bislang noch nie: Angeklagter in einem Strafprozess. Seinen Ruf konnte das Verfahren wegen gefährlicher Körperverletzung, an dem er am Dienstag im Amtsgericht Erding teilnehmen musste, allerdings nicht beschädigen. Steinberger wurde freigesprochen. Die Staatsanwaltschaft Landshut hatte ihm zur Last gelegt, er habe Anfang Februar zusammen mit einem Hausmeister einem 43 Jahre alten Bewohner einer Erdinger Wohnanlage eine Ladung Pfefferspray ins Gesicht verpasst. Der Hausmeister wurde nicht freigesprochen. Er wurde zu einer Geldstrafe von 4500 Euro verurteilt.

In den großen Wohnblock, wo sich der in vieler Hinsicht groteske Vorfall ereignete, führt eine schmale Einbahnstraße. Am Abend des 5. Februar parkte das spätere Opfer seinen Kleinwagen in der Straße so, dass niemand mehr vorbei konnte. Der Mann sagte vor Gericht, er habe etwas einladen wollen. Eine 44-jährige Frau, die durch ihn ausgebremst sehr lange warten musste, sagte, der Mann habe nichts eingeladen. Und als er endlich kam und sie glaubte, er fahre nun weg, habe er frech auf dem Absatz kehrtgemacht und sie weiter warten lassen - "ich war fassungslos". Dann kam Fritz Steinberger mit seinem Auto, sah die Situation aus dritter Reihe und entschloss sich, zu handeln: Er fuhr außen herum und von der anderen Seite vorwärts in die Einbahnstraße. Steinberger stellte sein Auto so ab, dass der Blockierer nun selbst blockiert war. Der Hausmeister der Anlage war mittlerweile auch erschienen. Er war schwer genervt, da er wegen ähnlicher Straßensperrungen schon mehrmals mit dem 43-Jährigen aneinander geraten war. Steinberger vertrat die Meinung, man sollte die Polizei und einen Abschleppdienst rufen.

Nun erschien der 43-Jährige und setzte sich in seinen Wagen. Doch Steinberger wollte ihm nicht den Weg frei machen. Daraufhin versuchte der Mann erfolglos, Steinbergers Auto mit seinem Wagen wegzuschieben. Die Frau packte ihr Handy aus und begann, die Situation zu filmen. Das passte wiederum dem 43-Jährigen nicht. Er sprang aus seinem Wagen, entriss ihr das Handy und rannte damit weg.

Die Frau und ein weiterer Bewohner der Wohnanlage, der zwischenzeitlich dazugekommen war, rannten ihm nach und holten ihn ein. Der Mann gab das Handy zurück - und die Lage schien sich zu beruhigen. Doch auf dem Rückweg zu den Autos ging es erst richtig los. Der Hausmeister sprühte dem 43-Jährigen auf einmal Pfefferspray ins Gesicht. Der schlug daraufhin dem Hausmeister die Brille von der Nase. Und Steinberger schrie, er werde den Mann jetzt festnehmen.

Über den weiteren Ablauf herrschte Unklarheit. Das Opfer behauptete, Steinberger habe ihn von hinten geklammert, damit ihm der Hausmeister ein zweites Mal Pfefferspray verpassen konnte. Eine Zeugin hatte bei der Polizei angegeben, Steinberger habe dem 43-Jährige im Tumult mit einem Beinschlag zu Boden gebracht. Ein anderer glaubte sich zu erinnern, dass Steinberger die runtergefallene Pfefferspray-Dose aufnahm und selbst in Richtung des Mannes gesprüht habe.

Die Staatsanwältin sah Fritz Steinberger durch die Zeugenaussagen überführt. Sie beklagte zudem, dass er durch sein "besserwisserisches Verhalten", sein Auto vor dem Straßenblockierer zu parken, zur Eskalation der eh schon unguten Situation beigetragen habe. Ein "Festnahmerecht" habe er nicht gehabt. Richterin Sabine Seefelder befand jedoch, die Zeugenaussagen zu Steinbergers Part seien zu unterschiedlich und bewiesen gar nichts.

© SZ vom 10.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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