Erding:Geniales Marketing

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Richard Loibl, Direktor des Hauses der Bayerischen Geschichte, erläutert beim Unternehmerfrühstück den Erfolg des bayerischen Bieres

Von Thomas Daller, Erding

Staatsministerin Ulrike Scharf (CSU) lädt immer mal wieder zu einem "Unternehmerfrühstück" ein. Dabei werden manchmal ernste Themen wie der Hochwasserschutz besprochen, aber dieses Mal ging es am vergangenen Freitag bei dem Treffen im Gasthaus Weißbräu um das Bier in Bayern, mit vielen heiteren Anekdoten von Richard Loibl, Direktor des Hauses der Bayerischen Geschichte. Anlass war die Landesausstellung "Bier in Bayern", die zur Feier von 500 Jahren Reinheitsgebot noch bis 30. Oktober in Aldersbach gezeigt wird.

Anknüpfungspunkte gab es zur Genüge, denn Scharf ist nicht nur Umwelt-, sondern auch Verbraucherschutzministerin und das Reinheitsgebot ist das älteste noch gültige Lebensmittelgesetz der Welt. Für die Unternehmer war der Vortrag unterhaltsam und informativ, weil Loibl den weltweiten Erfolg des bayerischen Bieres mit der "genialsten Werbestrategie" erläuterte, "die jemals in der deutschen Wirtschaftsgeschichte gelaufen ist".

Eigentlich beginnt die bayerische Biergeschichte erst um das Jahr 1400. Vorher sei das damalige Altbayern ein Weinland gewesen. Aber als 1400 eine kleine Eiszeit einsetzte, kam es zum Klimawandel und die Weinstöcke gingen ein. Bier entfaltet in der Folgezeit eine starke soziale Wirkung, Wirtshäuser und Biergärten prägen das soziale Leben. In den Wirtshäusern werden Geschäfte abgeschlossen und Ehen angebahnt, man kommt zu Taufen und zum Leichenschmaus zusammen. "Der Wirt", sagte Loibl, "war wichtiger als der Bürgermeister. Auch Wandermusikanten hätten früher in den Wirtshäusern aufgespielt, die oft aus dem Böhmischen gekommen seien und in der Regel Dudelsackspieler gewesen seien. "Der Dudelsack ist ein bayerisches Instrument", sagte Loibl. Darüber hinaus sitzt in den bayerischen Biergräten der Kommerzienrat neben der Dienstmagd; ein Umstand, den Reiseschriftsteller aus Norddeutschland, wo es im 18. Jahrhundert keine Biergärten gab, immer wieder staunend erwähnten.

Historische Aufnahme einer Bierfassinventur in Kloster Ettal. Jedes Kloster hatte früher eine eigene Brauerei, so Loidl. (Foto: HDBG)

Aber das bayerische Bier war bis etwa 1800 nichts Besonderes; geschmacklich waren die Biere aus Böhmen oder Österreich ebenbürtig, sagte Loibl. Erst als der Brauersohn Gabriel Sedlmayr zusammen mit seinen beiden Studienkollegen Dreher und Lederer in Englands Brauereien Industriespionage betrieb, wurde das Münchner Helle zu dem entwickelt, was es heute noch ist. Auf Initiative von Sedlmayr wird auch die Kühlung erfunden, Versuche von Linde werden von der Spatenbrauerei bezahlt. Die Kältemaschine von Linde machte es möglich, überall und zu jeder Zeit untergärig zu brauen. Als bayerische Innovation kam die Flaschenabfüllung hinzu, die industrielle Bierherstellung ging 1860 bis 1870 richtig los.

Zu dieser Zeit ist der heimische Bedarf gewaltig. 1890 gibt es die letzte Choleraepidemie in München, Wasser zu trinken ist gefährlich. Bier hingegen ist abgekocht, der Bierkonsum liegt pro Einwohner bei fast 250 Litern im Jahr. Allerdings wird bei der Ernte und bei der Arbeit in den Fabriken Dünnbier getrunken mit einem Alkoholgehalt von etwa 2,5 Prozent. Davon jedoch pro Tag acht Maß. Und die Münchner Brauereien gingen sehr schnell in den Export. Als Werbeplattformen nutzen sie die damaligen Weltausstellungen. Sie schenkten dort nicht nur Bier aus, sondern zogen eine Show ab: Mit Schuhplattlern, bayerischem Wirtshaus-Ambiente, bayerischen Bedienungen und Gesangsvereinen. Letztere waren "meistens Tiroler", sagt Loibl. "Aber das war wurscht, denn in Chicago merkt das ohnehin keiner." Chicago, San Francisco, Paris - nach jeder Weltausstellung wurden an den Ausstellungsorten Bierpaläste nach bayerischem Vorbild errichtet und Bier aus München dorthin exportiert. "1910 stammte jedes zehnte in der Welt getrunkene Bier aus Bayern", sagte Loidl. "Das war eine echte unternehmerische Spitzenleistung." Der Exportboom des bayerischen Bieres sei die genialste Marketingleistung gewesen, die jemals in der deutschen Wirtschaftsgeschichte gelaufen sei.

Staatsministerin Ulrike Scharf. (Foto: Renate Schmidt)

Loidl ging auch darauf ein, dass Wirtshäuser früher ein Treffpunkt der Vereine gewesen seien. Die Schützen hätten in den Sälen sogar geschossen. "Eine der dümmsten Maßnahmen der bayerischen Politik" sei es dann gewesen, jeden Verein beim Bau eines eigenen Vereinsheims zu unterstützen, sagte Loidl unter dem Beifall der Zuhörer. Damit habe das Sterben der Dorfwirtschaften und Landgasthäuser begonnen. "Zuviel Geld, Frau Ministerin, kann auch schädlich sein."

Richard Loibl nutzte die Gelegenheit auch, für die aktuelle Landesausstellung in Aldersbach Werbung zu machen. Er rechnete mit etwa 200 000 Besuchern, damit werde "Bier in Bayern" wohl eine der erfolgreichsten dieser Art werden. Das ehemalige Zisterzienserkloster Aldersbach im Passauer Land mit angrenzender Brauerei biete eine einmalige Kulisse. "Mit jeder erfolgreichen Landesausstellung in Altbayern", scherzte Loibl, "werden wir von der Bayerischen Staatsregierung zu zwei Ausstellungsflopps in Franken verpflichtet."

© SZ vom 17.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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