Erding:"Geld und Zeit werden knapp"

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Maria Brand arbeitete viele Jahre bei der Caritas als Asylsozialberaterin in München. Jetzt engagiert sich als Sprecherin der Aktionsgruppe Asyl. (Foto: Renate Schmidt)

Die Unterstützung für die Aktionsgruppe Asyl nimmt im Landkreis wieder ab. Ihre Leiterin Maria Brand erklärt im Gespräch, warum die Gruppe deshalb zu einem Verein geworden ist

Interview von Tahir Chaudhry, Erding

Ein Grund zur Freude für die Aktionsgruppe Asyl Landkreis Erding (AGA). Anlässlich der anerkannten Gemeinnützigkeit des Vereins, lud die AGA zu einem Empfang ein. Die Vereinsmitglieder besprachen darin den neu gegründeten Verein und dessen Ziele. Die Erdinger SZ hat die Vereinsvorsitzende Maria Brand, 69, zur Entwicklung der Aktionsgruppe und zur momentanen Flüchtlingssituation befragt.

SZ: Frau Brand, was versprechen Sie sich durch die Vereinsgründung?

Maria Brand: Seit vier Jahren leisten wir nun aktive Hilfe für Asylbewerber und Flüchtlinge: Wir begleiten sie bei Behördengängen, vereinbaren für sie Arzttermine, melden ihre Kinder bei Kindergärten oder Schulen an, bieten Deutschkurse an, und stehen ihnen in den Unterkünften und im alltäglichen Leben zur Seite. Das kostet Geld und erfordert den Einsatz ehrenamtlicher Helfer. Beides ist in der letzten Zeit sehr knapp geworden. Durch die Gründung eines gemeinnützigen Vereins erhoffen wir uns große Vorteile. Wir sind nun von Ertrag- und Vermögenssteuern befreit und wir können Spendenquittungen ausstellen. Wir versprechen uns nun natürlich mehr Spenden und Helfer, damit wir langfristiger und effizienter planen können.

Woran liegt es, dass trotz des gestiegenen Bedarfs an Helfern die Unterstützung in Erding abgenommen hat?

Im Sommer 2014 hatten wir im Landkreis 350 Asylsuchende und anerkannte Flüchtlinge. 2015 kam es dann zu einer Verzehnfachung: circa 1400 Menschen, mehrheitlich aus den Krisengebieten Syrien und Afghanistan. Weil das Thema damals überall präsent war, hatten wir einen großen Zuwachs bei den Helfern, aber unter anderem seit den Vorfällen der Kölner Silvesternacht ist die Bereitschaft zurückgegangen. Mir haben öfter Ehrenamtliche gesagt, dass sie gefragt wurden: "Denen hilfst du?". Davor hatte ich zahlreiche Anrufe von Bereitwilligen, zwei bis drei Vorstellungsgespräche in der Woche und heute ist es nur noch ein Gespräch im Monat. In Erding gibt es mehr als 20 Unterkünfte, und wir haben pro Unterkunft zwischen zwei und zehn ehrenamtliche Helfern, was bei Weitem nicht ausreicht. In den Helfergruppen der kleineren Gemeinden im Landkreis ist die Situation aber deutlich besser.

Kann es auch daran liegen, dass einige Helfer negative Erfahrungen machen?

Klar, wenn die Grundstimmung im Land gegenüber den Flüchtlingen nicht gut ist, kann ein Riss auch mal durch eine Familie gehen, wenn die Mama zum Beispiel wieder helfen geht. Wir wissen, dass es zunehmend negative Einstellungen gegenüber der Hilfe für Flüchtlinge gibt.

Wie würden Sie den typischen Helfer aus dem Landkreis Erding beschreiben?

Wir haben mehr weibliche als männliche Helfer aus unterschiedlichen Gesellschaftsbereichen. Einige sind Hausfrauen und Mütter, manche sind Schüler, Studenten, Ärzte oder Lehrer. Sie steigen aus unterschiedlichen Gründen aus: Die Studenten schließen ihr Studium ab, Jugendliche gehen für ein paar Monate ins Ausland, einige Mütter müssen entbinden oder Väter treten eine neue Stelle an. Auch gibt es Helfer, die seit Anfang an dabei sind und jetzt sagen, dass sie unbedingt eine Pause brauchen.

Stehen Ihnen neben ehrenamtlichen Helfern auch professionelle Betreuer zur Verfügung?

Nein, wir wünschen uns aber schon seit langem ausgebildete Sozialarbeiter von einem Wohlfahrtsverband. Zurzeit versuche ich diese Lücke zu füllen. Ich bin Sozialpädagogin, aber ich bin theoretisch in Rente und möchte mit 70 aufhören. Es braucht also jemanden, der auch politisch und in der Beratung unabhängig ist und auch eine rechtliche Beratung anbieten kann. In unseren benachbarten Landkreisen macht das die Caritas, und die sind dort recht gut aufgestellt. In Erding wäre ich schon froh, wenn wir wenigstens einen hätten, der meine Arbeit auf professioneller Ebene übernehmen kann. 25 Jahre Asyl ist genug.

Ist neben der personellen Unterstützung auch die finanzielle zurückgegangen?

Ja, wir brauchen viel Geld, beispielsweise für unsere Deutschförderung. Wir bieten viermal in der Woche einen dreistündigen Kurs an, von Lehrkräften, die wir bezahlen, aus Spendenmitteln und einem Zuschuss von der Diözese. Es heißt immer: "Die Flüchtlinge wollen nicht, die machen nicht." Unsere Kursleiter machen die gegenteilige Erfahrung. Zu viele wollen den Kurs machen und über 20 sind es pro Kurs, aber wir können sie nicht alle aufnehmen. Es ist nicht wie von einigen vermutet, dass sie nach und nach abbröckeln, sondern sie sind konstant da. Grundsätzlich ist es so, dass wir ja gar nichts aus öffentlicher Hand kriegen. Keinen Cent bekommen wir von der Stadt und vom Landkreis. Bisher kamen von einer Schule, von der Kirche und der SZ größere Spenden, die noch bis Oktober reichen, aber dann wird es knapp.

Die Aktionsgruppe Asyl ist seit 23. Juni ein eingetragener gemeinnütziger Verein. Spenden können auf folgende Kontoverbindung überwiesen werden: Aktionsgruppe Asyl Landkreis Erding (AGA) e.V., IBAN: DE39 7016 9356 0000 7070 07, BIC:GENODEF1EDR (Stichwort: "Flüchtlingshilfe")

© SZ vom 27.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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