Erding:Geistesblitz beim Butterkeks

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Mit einfachen Mitteln individuelle Texte schreiben und präsentieren - das haben die Teilnehmerinnen bei einem Poetry-Slam-Workshop im Jugend- und Kulturhaus Sonic vom Bayerischen U20-Meister gelernt

Von Andreas Junkmann, Erding

"Man wird nie einen Text schreiben, der jedem gefällt." Genau das sei aber auch das Spannende an der Sache, sagt Darryl Kiermeier, Bayerischer U20-Meister im Poetry Slam. Der inzwischen 21-jährige Münchner ist derzeit viel unterwegs. Innerhalb einer Woche stand er in Nürnberg, Bremen, Braunschweig und München auf der Bühne. Trotz dieses straffen Programms möchte der Student sein Wissen über Poetry Slam an Nachwuchskünstler weitergeben, so wie am Freitag bei einem Workshop im Erdinger Sonic. Sieben Schülerinnen der Mädchenrealschule Heilig Blut sind gekommen, um erste Erfahrungen im sogenannten "Dichterwettstreit" zu sammeln.

Kiermeier erklärt den Teilnehmerinnen zunächst den theoretischen Hintergrund und die Regeln des Poetry Slams. Eigene Texte müssen es sein, die auf einer Bühne, ohne Hilfsmittel innerhalb eines bestimmten Zeitlimits vorgetragen werden. Thematisch seien keine Grenzen gesetzt - was die Sache aber nicht wirklich leichter macht, wie die Nachwuchs-Slammerinnen schnell selbst feststellen. Spätestens als Darryl Kiermeier zur Einstimmung einen seiner eigenen Texte vorträgt, ist die Begeisterung bei den Schülerinnen groß. Anschließend steht auch für die Mädchen der erste Slam an, allerdings ein nicht ganz gewöhnlicher. Um auf der Bühne gut zu performen, sei es hilfreich, neutrale Texte mit unterschiedlichen Gefühlslagen zu lesen, erklärt Kiermeier. Und so wird ein Infoflyer über die Wassergrundversorgung durch Emotionen zum Leben erweckt. Eine Workshop-Teilnehmerin nach der anderen trägt den Text vor, der Rest muss die intendierte Gefühlslage erraten. Gar nicht so einfach, wie sich schnell herausstellt. "Wichtig ist, dass die Emotionen deutlich dargestellt werden. Das Publikum muss mitbekommen, was gemeint ist", sagt Kiermeier.

Nach der Performanceübung steht das Schreiben der Texte auf dem Programm. Die Aufgabe für die Teilnehmerinnen: ein Hass- beziehungsweise Liebesgedicht an eine Sache verfassen. Was dabei herauskommt, ist eine bunte Mischung aus Verunglimpfungen und Lobeshymnen an die verschiedensten Gegenstände. So liege etwa ein Fluch auf dem Mathebuch, während das kuschelige Bett über alle Maßen gelobt wird. Kiermeier selbst schreibt einen Text über einen Lampenschirm - der Workshop ist begeistert. Wie er bei so etwas Langweiligem solche Emotionen reinbringen könne, wird Kiermeier gefragt. Die Beurteilung der Texte sei immer subjektiv, entgegnet der erfahrene Slammer. "Es gibt kein gut oder schlecht."

Mit dieser Erkenntnis gehen die Kursteilnehmerinnen in die zweite Schreibübung, in der sie die Texte verfassen sollen, die sie auch im Anschluss auf der Bühne präsentieren. Kiermeier gibt nach und nach Begriffe vor, die die Nachwuchskünstlerinnen in ihren Text einbauen sollen. Das klingt leichter als es ist, vor allem wenn die vorgegebenen Wörter in keiner Weise miteinander in Zusammenhang stehen. So schreibt Darryl Kiermeier zunächst "Butterkeks" an die Tafel im Konferenzraum des Sonic. Schon mit dem nächsten Begriff wird die Kreativität der Slammerinnen auf die Probe gestellt. Kiermeier schreibt "Feuerwehreinsatz" an, der Schreibfluss gerät ins Stocken. Nach kurzem Nachdenken kommt dann der Geistesblitz und das Texten geht weiter. Es folgen noch die Wörter "Herzensangelegenheit", "eisblau" und "Abschluss" - dann wird performt. Und das funktioniert natürlich am besten auf einer Bühne.

In dem Workshop versuchten sich die Schülerinnen an Texten für den Dichterwettstreit. (Foto: Renate Schmidt)

Der Konzertsaal im Sonic ist schon für die Poetry-Slammer vorbereitet. Schummriges Licht, Bühnennebel und Soundtechniker sorgen für die passende Atmosphäre. Kiermeier erklärt noch, wie man das Mikrofon richtig einstellt und fixiert. Sonst könne es sehr schnell peinlich werden, weiß der Bayerische Meister. Dann kann es losgehen. Schon nach den ersten Auftritten zeigt sich, wie aus den gleichen Grundvoraussetzungen, völlig unterschiedliche Texte entstehen können. So würde eine Slammerin bei einem Feuerwehreinsatz zuerst ihre geliebten Butterkekse retten, während für eine andere, die eisblau verpackte Schokolade zur Herzensangelegenheit wird. Es sei schön zu sehen, wie man aus sehr wenig sehr viel machen könne, stellt eine Teilnehmerin fest. Genau das mache auch den Reiz des Poetry Slams aus, bestätigt Kiermeier. "Selbst wenn man denkt, man hat schon alles gehört, entwickelt irgendjemand wieder etwas komplett Neues."

© SZ vom 16.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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