Debatte:Gegen Gewalt und Diskriminierung

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Mitorganisatorin Ulla Dieckmann (SPD). (Foto: Renate Schmidt)

Im Johanneshaus diskutieren Kommunalpolitikerinnen verschiedener Parteien über Feminismus. Dabei werden konkrete Vorschläge zur Verbesserung der Situation von Frauen im Landkreis Erding laut

Von Thomas Jordan, Erding

Bei einer Diskussionsveranstaltung anlässlich des Weltfrauentages mit Kommunalpolitikerinnen von CSU, SPD, Grünen und Freien Wählern sind konkrete Vorschläge gegen die Gewalt gegen Frauen und die Ungleichbehandlung von Männern und Frauen im Landkreis Erding laut geworden. Im vergangenen Jahr hatte Landrat Martin Bayerstorfer (CSU) überraschend dem bisherigen Träger des Frauenhauses Erding, dem Sozialdienst katholischer Frauen, gekündigt. Um das Thema dennoch weiterhin im Landkreis in der Öffentlichkeit präsent zu halten, fand die Veranstaltung am Donnerstagabend im Johanneshaus in Erding statt. Bei dem lebhaften Ideen- und Erfahrungsaustausch mit Bürgern und Expertinnen gab es nicht nur Zahlen und Fakten zu hören. Politikerinnen berichteten auch über ihre eigene Erfahrungen in der Kommunalpolitik zu dem Thema.

Angela Rupp vom Sozialdienst katholischer Frauen (SkF), die bis vor kurzem das Frauenhaus Erding geleitet hatte, brachte mit ihrer Kollegin Stefanie Sturm den Vorschlag in die Diskussion, im Landkreis Erding einen eigenen Notruf für Frauen einzurichten. Extra dafür geschulte Sozialarbeiterinnen sollten dort bei sexualisierter und häuslicher Gewalt gegen Frauen als niedrigschwellige Ansprechpartnerinnen zur Verfügung stehen. Die Kreistagspolitikerinnen Ulla Dieckmann (SPD) und Helga Stieglmeier (Grüne) griffen diese Anregung auf. Sie kündigten an, dazu auf Kreisebene fraktionsübergreifend tätig werden zu wollen. Unterdessen kommt auch von anderer Seite Bewegung in die Diskussion um die Einrichtung eines telefonischen Hilfsangebots bei sexualisierter Gewalt im Landkreis Erding. Am Freitag erklärte die Kreis-Geschäftsführerin des BRK, des neuen Trägers des Frauenhaus Erding, Gisela van der Heijden: "Wir stehen positiv dazu." Der Antrag liege beim Landrat.

Auch einem Diskussionsbeitrag zum Kreisklinikum Erding wollte Ulla Dieckmann nachgehen. Eine Zuhörerin hatte gefragt, ob es dort - wie in anderen Krankenhäusern - in der gynäkologischen Abteilung Anlaufstellen für anonyme Meldungen bei Missbrauchsfällen gebe.

Gewalt gegen Frauen kann sich aber nicht nur auf den körperlichen Bereich beschränken, sondern auch subtilere Formen annehmen. Das machte Johanna Gastager an diesem Abend im Johanneshaus deutlich. In ihrem Vortrag ging die Kulturwissenschaftlerin insbesondere auf das Thema Sexismus ein. Während es in anderen Ländern offene, auf das Geschlecht bezogene Diskriminierung von Frauen gebe, habe man es "dahoam" eher mit der Leugnung von Diskriminierung zu tun. Gerade wenn es um Maßnahmen gehe, die darauf abzielten, Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern abzubauen. Als Beispiele nannte sie etwa die Forderung nach gleichem Lohn für Männer und Frauen. Hier zu sagen, "des brauchts ned, des passt scho", sei auch Sexismus, so die Kulturwissenschaftlerin. Gastager unterfütterte ihren Vortrag mit Zahlen. Laut einer Studie des Bundesverbands der Frauenberatungsstellen hätten 40 Prozent der Frauen in Deutschland seit ihrem 16. Lebensjahr körperliche und/oder sexuelle Gewalt erlebt.

Dass Sexismus auch in der Kommunalpolitik ein Problem ist, betonten dann die Vorsitzende der Kreistagsfraktion der Grünen, Helga Stieglmeier und ihre Kreistagskollegin Petra Bauernfeind (Freie Wähler).

"Wir erleben täglich Beispiele von Respektlosigkeit, einfach weil man eine Frau ist", sagte Stieglmeier. "Das geht an bei einer falschen Anrede und endet nicht bei flapsigen Bemerkungen über Figur oder Frisur." Petra Bauernfeind betonte, sie komme nicht aus einem politischen Umfeld, in dem man auf das Thema Feminismus eingeschworen sei. Trotzdem stelle auch sie fest, dass man es als Frau schwerer habe, "auch bei den eigenen Leuten."

Auch zum Thema Sexismus gab es eine Anregung aus dem Publikum. Ob man nicht auch in Erding sogenannte "Awareness-Teams" einführen könne, schlug eine Teilnehmerin vor. Dabei handelt es sich um eigens geschulte Experten, die etwa auf Volksfesten und abends in Clubs unterwegs sind. Kommt es zu Fällen von unerwünschter sexueller Annäherung, können sich Frauen bei ihnen direkt vor Ort für die jeweilige Situation Rat und Hilfe holen.

Es gab an diesem Abend im Johanneshaus aber auch Warnungen zu hören, Feminismus nicht gegen, sondern mit den Männern zu betreiben. So sagte die Dritte Landrätin Gertrud Eichinger (SPD): "Wir müssen die Gewalt zum Thema machen. Wir brauchen aber auch die Männer, die sagen, das geht gar nicht." Die können ihren übergriffigen Geschlechtsgenossen "am Stammtisch über den Mund fahren." Auch die Referentin Johanna Gastager betonte in ihrem Vortrag, Feminismus sei keine Frauen-, sondern eine Menschenbewegung, die für gleiche Rechte für alle eintrete. Anlass zur Hoffnung gab an diesem Abend eine Angehörige der jüngeren Generation. Unter den etwa vierzig Teilnehmerinnen, darunter auch fünf Männern, war ihre Altersgruppe ansonsten allerdings spärlich vertreten. Sie erlebe, sagte die junge Frau, dass immer mehr Männer ihrer Generation mit ins Boot geholt würden, wenn es um Feminismus und Frauenrechte gehe.

© SZ vom 10.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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