Erding:Geduld und Einfühlsamkeit

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In unserer immer älter werdenden Gesellschaft nimmt zwangsläufig auch die Zahl der an Demenzerkrankten stetig zu. (Foto: dpa)

Beim Tag der Pflege im Klinikum Erding steht ein Thema ganz weit oben: Der Umgang mit Demenzerkrankten gewinnt zunehmend an Bedeutung

Von Florian Tempel, Erding

Zum Tag der Pflege am Klinikum Erding hat Pflegedirektorin Gertrud Friess-Ott "das Thema Pflege" als eine "der zentralen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts" hervorgehoben. Insbesondere die Zunahme von Demenzerkrankungen fordere Pflegende in Krankenhäusern, Heimen und zu Hause immer stärker. Mitarbeiterinnen des Klinikums berichteten in zwei Vorträgen, wie sie in der Pflegerausbildung und in der Kurzzeitpflege in der Klinik Dorfen den Umgang mit Demenzerkrankten professionalisieren.

Angesichts der demografischen Entwicklung ist ein immer größer werdender Teil der Patienten in den Krankenhäusern ältere Menschen und damit oft auch Menschen, die neben anderen Leiden eben auch an Demenz erkrankt sind. Für die etwa 200 Auszubildenden der Erdinger Berufsfachschulen für Krankenpflege und Krankenpflegehilfe ist der kompetente Umgang mit Dementen deshalb zu einem wichtigen Unterrichtsstoff geworden.

Sybille Müller und Mandy Afeltowicz, die als sogenannte Praxisanleiterinnen die angehenden Pflegerinnen und Pfleger im praktischen und alltäglichen Umgang mit Demenzerkrankten schulen, betonten den wesentlichen Aspekt: "Das Allerwichtigste ist die Geduld." Das hörte sich nur im ersten Moment banal an. Denn angesichts eines modernen Krankenhausbetriebs, der sich stark an wirtschaftlichen Parametern ausrichten muss, war es eine fast schon unerhörte Feststellung. Der Umgang mit an Demenz erkrankten Patienten verlangt etwas, was Pflegerinnen und Pfleger immer weniger haben: Er braucht Zeit.

Müller und Afeltowicz legten dar, dass ein Krankenhausaufenthalt für einen dementen Patienten noch belastender sei, als für andere: "Sie brauchen Sicherheit." Das beginne bereits mit scheinbaren Kleinigkeiten, die die Orientierung in einer für sie ungewohnten Umgebung erleichtern: Zum Beispiel farbige Markierungen am Boden, die den Weg zur Toilette weisen. Zudem seien demente Menschen sturzgefährdeter als andere. Ein Risiko, dass sich durch gezielte und einfach Präventionsmaßnahmen zumindest verringern lasse. Neben der Verbesserung äußerer Umstände sei jedoch vor allem das Pflegepersonal gefordert, durch Einfühlsamkeit, eigene Ruhe und respektvollen Umgang. Was keine leichte Aufgabe sei, da demente Menschen nicht selten gereizt und aggressiv reagieren können. Die Pflegenden müssten sich jedoch gerade in solchen Situationen klar machen, dass dies Auswirkungen der Demenzerkrankung seien können und nicht ihrerseits gereizt reagieren.

Silvia Seifert arbeitet als Betreuungshelferin tagtäglich mit dementen Menschen in der Kurzzeitpflege in Dorfen. Betreuungshelfer, meist sind es Frauen, haben nicht gerade einen gut bezahlten Job. Ihr Beruf ist jedoch, wie man aus ihrem Vortrag erfahren durfte, ganz sicher äußerst wertvoll. Seifert kümmert sich in der Kurzzeitpflege ausschließlich um die "Betreuung und Aktivierung" von Dementen. Sie tut das mit den fitteren Bewohnern in Gruppenarbeit, mit einfachen Ballspielen, gemeinsamen Singen oder Gesprächsrunden. Ein schönes Beispiel: Seifert zerreibt Küchenkräuter und füllt sie in Streichholzschachteln. Die Bewohner bekommen sie in die Hand, riechen und erinnern sich, was das wohl für ein Gewürz ist.

Seifert hat allerdings auch mit vielen Bewohnern zu tun, bei denen die Demenz schon sehr weit fortgeschritten ist. Für sie ist sie in Einzelbetreuung da. Manchmal sitze sie nur bei ihnen am Bett, halte ihnen die Hand - und singe. Denn sie habe festgestellt, das sie mit Singen, anders als mit Reden, viele demente Menschen besser erreiche. Und was auch sehr gut ankomme: Sie lese vor allem schwer dementen Bewohnern gerne aus illustrierten Märchenbüchern vor. "Das hört sich jetzt vielleicht ein bisschen blöd an", entschuldigte sich Seifert - doch das ist es nicht. Seifert hat lediglich erkannt, dass der Zugang und Umgang mit Demenzerkrankten schlicht einfühlsam sein muss.

© SZ vom 19.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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