Fehlende Auszubildende:Flüchtlinge sollen die Lage entspannen

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Die Ausbildungszahlen im Landkreis gehen von Jahr zu Jahr zurück. Um diesen Abwärtstrend zu bremsen, will die IHK vermehrt Asylbewerber in den Arbeitsmarkt integrieren. Die örtlichen Betriebe sehen dieses Vorhaben mit eher gemischten Gefühlen

Von Andreas Junkmann, Erding

Die Zahl der Auszubildenden ist im Landkreis weiter rückläufig. Gerade die Handwerksbetriebe klagen über viele offene Stellen und einen Mangel an Bewerbern. Eine stärkere Integration von Flüchtlingen in die Unternehmen könnte nach Ansicht der IHK die Lage entspannen. Die regionalen Betriebe stehen diesem Vorhaben zwar offen gegenüber, befürchten jedoch auch Probleme.

"Es ist höchste Zeit zu handeln", mahnt Otto Heinz, Vorsitzender des IHK-Gremiums Erding-Freising. Heinz bezieht sich dabei auf die aktuelle Ausbildungssituation im Landkreis Erding. Bis zum Ende des Jahres 2015 haben Betriebe aus Industrie, Handel und Dienstleistung 328 Auszubildende eingestellt. Das sind 3,5 Prozent weniger als noch im Jahr zuvor. Diese Werte gehen aus der aktuellen Ausbildungsstatistik der IHK für München und Oberbayern hervor. Dabei sei die Ausbildungsbereitschaft der Betriebe nach wie vor ungebrochen. Es fehlten schlicht die Bewerber, stellt die IHK fest. Das Problem ziehe durch alle Branchen. Traditionellerweise sind es gerade Berufe im Bau-, Bäckerei- und Metzgereigewerbe, in denen händeringend nach Auszubildenden gesucht wird.

Für eine Entspannung der Situation könnte nach Ansicht von Otto Heinz, die zunehmende Integration von jungen Asylbewerbern in die Ausbildungsberufe sein: "Sie könnten dabei der Schlüssel zur Lösung des Azubimangels werden". Dazu sei die rasche und zielgerichtete Einbindung von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt dringend notwendig. Damit dieses Vorhaben funktioniert, müssen die örtlichen Betriebe mitspielen. Im Landkreis Erding stehen die Gewerbetreibenden in den sogenannten Problemberufen der Ausbildung von Asylbewerbern fast durchweg positiv gegenüber, es gibt aber auch noch viele offene Fragen.

Otto Heinz, Vorsitzender des IHK Gremiums Freising-Erding, möchte Flüchtlinge für die vielen offenen Ausbildungsplätze gewinnen, etwa im Bauhandwerk. (Foto: Manfred Neubauer)

Bei der Metzgerei Stuhlberger im Markt Wartenberg etwa wäre man froh über jeden Auszubildenden. "Wir haben ganz massive Probleme, neue Lehrlinge zu finden. Wir bekommen ja nicht mal Bewerbungen", sagt Cornelia Stuhlberger. Auch deshalb sei man für die Ausbildung eines jungen Flüchtlings jederzeit offen. Allerdings haben die Stuhlbergers damit bereits zu Zeiten des Kosovo-Krieges schlechte Erfahrungen gemacht. "Bei uns hat ein junges Mädchen gearbeitet. Kurz bevor sie mit der Ausbildung fertig war, sind ihre Eltern abgeschoben worden und das Mädchen musste mit", erzählt Cornelia Stuhlberger. So ein Szenario wolle man keinesfalls noch einmal erleben. Zwar würde man den Versuch gerne wieder wagen, davor müsse allerdings die Aufnahmegenehmigung des Bewerbers klar geregelt sein.

Auch Peter Schachtl vom Markthaus Schachtl in Erding klagt über den eklatanten Azubimangel im Metzgergewerbe. "Dieses Jahr haben wir zwar einen bekommen, aber das war eher Zufall". Auch hier bleiben die Bewerbungen aus. Junge Flüchtlinge wurden Schachtl zwar noch keine angeboten, der Geschäftsführer zeigt aber durchaus Interesse. "Wir wären da auf jeden Fall aufgeschlossen." Allerdings sieht Schachtl auch Schwierigkeiten bei der Schulung von Flüchtlingen. Bei Moslems etwa, müsse man bei der Ausbildung zum Fleischer natürlich auf den Umgang mit Schweinefleisch achten. "Wir haben im Betrieb auch Moslems, die zwar selbst kein Schweinefleisch essen, aber ganz normal mitarbeiten. Wenn aber jemand sagt, er fasst das nicht an, hat das Ganze natürlich keine Zukunft." Im Verkauf dagegen seien vor allem wegen der Kundenkontakte ausreichende Sprachkenntnisse nötig.

Jemand, der selbst schon Erfahrung mit einem jungen Asylbewerber sammeln konnte, ist Rudolf Waxenberger. Der Kreishandwerksmeister und Inhaber der Anzinger Baubetriebsgesellschaft in Erding hatte einen 25-jährigen Syrer in seinem Unternehmen beschäftigt. "Ich dachte mir, für den Anfang gebe ich ihm eine leichte Aufgabe und lasse ihn Dämmplatten für eine Heizung verbauen". Schon am nächsten Morgen habe der Mann aber angerufen und mitgeteilt, er werde nicht mehr kommen, da ihm die Arbeit zu schwer sei.

Waxenberger wurden in seiner Funktion als Kreishandwerksmeister schon häufiger solche Szenen geschildert. "Manche der Flüchtlinge scheinen einfach ein anderes Verhältnis zur Leistungsbereitschaft zu haben. Das mag vielleicht in deren Heimatländern ausreichen, aber hier in Deutschland eben nicht". Grundsätzlich werde im Baugewerbe jeder eingestellt, wenn er denn leistungsbereit sei und sich in die Gemeinschaft einfügen könne. Das, so Waxenberger, erwarte er von jedem Azubis, ganz egal wo derjenige herkommt. Die Einbindung von Flüchtlingen sei oft auch aufgrund der Größe der Betriebe schwierig. "Ein Unternehmen mit vier oder fünf Mitarbeitern kann es sich nicht erlauben, einen davon komplett für die Integration abzustellen", gibt Waxenberger auch noch zu bedenken.

Dass die Ausbildung von Flüchtlingen noch nicht die von der IHK gewünschte Fahrt aufgenommen hat, bestätigt auch der Lehrlingswart und Vorsitzende des Gesellenprüfungsausschusses der Bauinnung Freising-Erding, Josef Irl. In den Berufsschulklassen "ist schon hin und wieder ein Flüchtling mit dabei". Dies sei jedoch im Moment noch eher die Ausnahme. Auch an ihn selbst sei als Geschäftsführer der Erdinger Bauunternehmung Irl noch niemand herangetreten, um einen Asylbewerber zu vermitteln.

Gleiches berichtet auch Rainer Fleck, Inhaber der gleichnamigen Erdinger Bäckerei. Auch die Bäcker suchen händeringend nach Auszubildenden. Mangels Bewerbungen werden Fleck neue Lehrlinge über das Arbeitsamt vermittelt. Diese kommen von Förderschulen und werden entsprechend auch vom Staat bezahlt. Auch deshalb wäre der Bäcker gerne dazu bereit, junge Flüchtlinge im Betrieb aufzunehmen. Doch auch er hegt ähnliche Bedenken wie seine Kollegen im Baugewerbe. "Ich habe ein bisschen Zweifel, was die Arbeitseinstellung der Leute angeht". In den Herkunftsländern habe man oft einfach ein anderes Verständnis von Pünktlichkeit, vermutet Fleck. "Deshalb befürchte ich, dass ein Großteil der Asylbewerber für eine Ausbildung leider nicht geeignet ist". Diese Meinung teilt Flecks Bäckerkollege Ludovic Gerboin nicht. Der Geschäftsführer der Bäckerei Ways in Moosinning hat sich sogar aktiv darum bemüht, junge Asylbewerber als Azubis zu gewinnen. "Ich habe beim Arbeitsamt nachgefragt, ob sie mir jemanden vermitteln können". Die Anfrage wurde aber mit der Begründung abgelehnt, dass die in Frage kommenden Flüchtlinge erst eine Arbeitserlaubnis benötigten, um eine Ausbildung beginnen zu können. So wartet Gerboin also weiter auf geeignete Bewerber. Einer seiner beiden Lehrlinge hat gerade erst die Ausbildung abgebrochen. Neue Kandidaten für dieses Jahr sind nicht in Sicht.

Das Stimmungsbild der Erdinger Betriebe kann auch die IHK München und Oberbayern bestätigen. Die Bereitschaft, Flüchtlinge als Azubis einzustellen sei zwar vorhanden, dennoch gebe es noch viele offene Fragen. Damit die Integration der Asylbewerber in den Arbeitsmarkt aber gelingen kann, stellen die bayerischen IHKs zusammen acht Millionen Euro für berufs- und ausbildungsbegleitende Sprachförderung, den Aufbau von Unterstützungsstrukturen und die spezifische Fortbildung von Ausbildern zur Verfügung. Mit dieser Maßnahme reagiere man auf die vermehrten Anfragen der Unternehmen zum Thema Asylbewerber. Das Interesse der Betriebe an der Ausbildung von Flüchtlingen sei groß, teilt die Pressestelle der IHK mit. Groß sei im Moment allerdings auch noch die Verunsicherung.

© SZ vom 20.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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