Erding:Fast, als wäre das Bein wieder da

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Neue Prothese für Djalilou Agbéré aus Togo, links Margarete und Christian Kopp von PIT Togohilfe e.V., Franz Wutz und Christian Wosnitza von Ortho Orange, Ulrike Scharf. (Foto: Renate Schmidt)

Verein Togo-Hilfe ermöglicht 27-Jährigem eine Prothese, mit der er ohne Krücken laufen kann. Der junge Mann ist überglücklich und macht sogar auf dem Fahrrad rasche Fortschritte

Von Denis Pscheidl, Erding

Djalilou Agbéré hat im Alter von 14 Jahren sein rechtes Bein verloren. Es musste amputiert werden, nachdem eine eigentlich harmlose Fußballverletzung falsch behandelt worden war. Noch nie ist Agbéré weiter als in sein Nachbarland Ghana gereist. Vergangene Woche bekam der Togoer eine neue Beinprothese vom Erdinger Sanitätshaus Ortho Orange. Beim Pressegespräch am Freitag war er zu Tränen gerührt.

Am 23. November ist Agbéré in Erding angekommen, und bereits nach zwei Tagen fand die erste Untersuchung bei Ortho Orange statt. Eine Woche später wurde die neue Prothese angepasst. "Seitdem ist Agbéré so oft wie möglich zu Fuß oder mit dem Fahrrad unterwegs, um sein neues Bein auszuprobieren und sich daran zu gewöhnen", sagte Margret Kopp von der Aktion Pit-Togohilfe. Auch Christian Wosnitza, Geschäftsführer von Ortho Orange, ist überrascht: "Normalerweise laufen Leute mit einer neuen Prothese nach vier Tagen noch nicht ohne Krücken. Agbéré wollte sogar gleich Fahrrad fahren." Ein Video von ihm auf dem Fahrrad habe er dann gleich in die Heimat geschickt, wo es bereits in den sozialen Netzwerken kursiere, sagte Kopp.

Unter Tränen erzählt der 27-Jährige von seiner neuen Prothese: "Mir fehlen die Worte, um zu beschreiben wie glücklich ich bin." Anfangs habe er sich gar nicht vorstellen können, dass er mit der neuen Prothese zurechtkommen würde. In Togo sei bereits versucht worden, eine Prothese anzupassen. Diese habe aber Schmerzen und wunde Stellen verursacht, erinnerte sich Agbéré. "Die neue Prothese ist unglaublich. Ich bin komplett schmerzfrei und habe fast das Gefühl, mein Bein wäre wieder da", sagte er. Besonders wichtig sei ihm gewesen, dass er sich beim Beten hinknien könne.

Die Prothese bietet die Möglichkeit, manuell zwischen einer Lauf- und einer Fahrradfunktion zu wechseln. Es gäbe auch elektrische Prothesen, so Wosnitza, aber die seien wegen der häufigeren Wartungen nicht sinnvoll. Außerdem müssen sie immer wieder aufgeladen werden. Eine regelmäßige Wartung der manuellen Prothese sei aber trotzdem nötig. Befestigt wird die Prothese an einem Silikonstrumpf, der über den Stumpf gezogen wird.

Möglich gemacht hat die Aktion der Verein Togohilfe. Kopp sagte, sie sei über einen Bekannten, der im gleichen Dorf lebe wie Agbéré, auf den jungen Mann aufmerksam geworden. Mit Hilfe von Spenden und der Unterstützung von Ortho Orange konnte der Togoer nach Erding eingeladen werden.

Agbéré studiert Kommunikation in Lomé, der Hauptstadt Togos. Außerdem arbeitet er bei einem privaten Nachrichtensender. Unter anderem hat er eine Umfrage zu Gewalt und Gewaltvermeidung durchgeführt. Hierfür war er viel unterwegs, was sich mit Krücken sehr schwierig gestaltete. Jetzt könne er aber wieder seine ganze Energie aufwenden.

Die Aktion Pit-Togohilfe ist laut eigener Aussage der wohl größte Togo-Hilfsverein Deutschlands. Seit 1980 engagiere sich der Verein in Togo, einem Land in Westafrika. Beim Projekt "Gesundheit für alle" unterstütze der Verein mehr als 100 Buschkrankenhäuser und Entbindungsstationen mit Basismedikamenten und Sachspenden. Außerdem würden Ärzteeinsätze in ländlichen Regionen durchgeführt, bei denen die Menschen kostenlos behandelt würden. Das Engagement umfasse auch Partnerschaften mit Schulen und Patenschaften für Kinder. Außerdem Brunnenbauprojekte. Verschmutztes Trinkwasser sei laut Pit-Togohilfe die Hauptursache für die hohe Kindersterblichkeitsrate. Ziel sei es Fluchtursachen dort zu bekämpfen, wo sie entstehen.

© SZ vom 13.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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