Erding:Ermittlungen eingestellt

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Das Erdinger Gefängnis ist mehr als hundert Jahre alt und weist auch nach Ansicht von Gefangenenbeirat Fritz Steinberger nicht wenige Mängel auf. (Foto: Stephan Görlich)

Die Staatsanwaltschaft legt die Vorwürfe eines ehemaligen Gefangenen gegen den Dienstleiter der JVA Erding zu den Akten

Von Tahir Chaudhry, Erding

Vor einem Monat hat die E rdinger SZ über Ermittlungen wegen versuchter Körperverletzung gegen den Dienstleiter der Justizvollzugsanstalt (JVA) Erding, Georg Gaigl, berichtet. Das Ermittlungsverfahren ist nun von der Staatsanwaltschaft Landshut eingestellt worden. Die Vorwürfe eines ehemaligen Untersuchungsgefangenen, der Dienstleiter der JV habe ihn im Oktober 2015 während eines Streits beleidigt und beinahe geschlagen - wenn ihn nicht zwei Vollzugsbeamte davon zurückgehalten hätten - wurden durch Zeugen nicht bestätigt.

Der Dienstleiter der JVA hatte den Angaben des 26-jährigen Gefangenen, eines australischen Anwalts, der von Ende 2015 bis Anfang 2016 in Erding inhaftiert war, widersprochen. Einer der JVA-Mitarbeiter, der laut Angaben des Australiers bei dem Vorfall anwesend war, bestätigte die Vorwürfe ebenfalls nicht. Der zweite Vollzugsbeamte gab an, beim Vorfall gar nicht anwesend gewesen zu sein und nur über Dritte davon erfahren zu haben.

Der Australier hatte allerdings etwa 48 Stunden nach dem Vorfall auch eine Vollzugsbeamtin darum gebeten, eine Videoaufzeichnung des Übergriffs zu sichern. Anscheinend kam er damit zu spät. Die Aufzeichnungen waren bereits gelöscht. Laut der Staatsanwaltschaft liegt das an der damaligen Aufzeichnungsanlage mit einem Endlosband, das nach maximal 72 Stunden, unter Umständen aber bereits nach zwei Tagen schon mit neuen Aufzeichnungen überspielt worden sei.

Der Australier hat Beschwerde gegen die Entscheidung der Staatsanwaltschaft eingelegt und erhebt nun eine Privatklage gegen den Dienstleiter der JVA Erding. Der Australier glaubt, dass sich die Mitarbeiter der JVA gegenseitig decken und ist überzeugt: "Der zuständige Sicherheitsbeamte, der das Videomaterial verwaltet, hat die Aufzeichnung bewusst nicht extrahiert." Er präsentiert zudem einen weiteren Augenzeugen des Vorfalls, einen ehemaligen Mithäftling. Dieser und weitere vier ehemalige Häftlinge hatten der Erdinger SZ auch über "unwürdige und miserable" Haftbedingungen berichtet: veraltete Einrichtung, zu enge Einzelzellen, überbelegte Gemeinschaftszellen und unerreichbare Fenster. Die Anstaltsleitung hatte alle Beschwerden zurückgewiesen.

Dazu meldet sich nun auch Fritz Steinberger (SPD), ehemaliger dritter Landrat und Mitglied des Gefangenenbeirats, zu Wort. Der 70-Jährige hatte zusammen mit zwei weiteren Beiräten der Justizvollzugsanstalt Erding vor sechs Jahren gute Noten attestiert. Steinberger empfindet die negative Berichterstattung als ungerecht, wie er sagt, und "neben der Realität". Gleichzeitig gesteht er jedoch: "Natürlich gibt es einige Mängel, aber die muss man Zug um Zug aufbessern. Das ist ein jahrelanger demokratischer Prozess." Auf die Frage, warum er vor Jahren ein sehr positives Urteil über die JVA gefällt hat, entgegnet er: "Ich habe tagtäglich mit den Bürgern zu tun, und ich weiß, was sie denken: Es soll ja auch kein Urlaub für diese Verbrecher sein."

Der Australier will nicht klein bei geben: "Was war mit meinen Menschenrechten und meiner Würde während der sechsmonatigen Haftzeit? Urlaub für Kriminelle? Ist das eine Entschuldigung dafür, dass die Gefangenen wie Dreck behandelt werden?"

© SZ vom 01.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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