Erding:Eine Regel für Sonnenschirme

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Im Erdinger Rathaus arbeitet man an einer "Altstadtfibel", die als Handreichung für Hauseigentümer gedacht ist. Es sollen Regeln für die äußere Gestaltung der Gebäude getroffen werden - was nicht jeder für dringend erforderlich hält

Von Antonia Steiger, Erding

Schon seit vielen Jahren kennt man den Anblick von Passanten, die mit gezücktem Handy durch die Erdinger Altstadt laufen. Sie gefällt ihnen so gut, dass sie alle Nase lang ein Foto machen wollen: von den Brunnen, von den Türmen, vom Schrannenplatz oder von der bunten Langen Zeile. Andere sehen das anders: "Grausame Dinge" habe er in Erdings Altstadt gesehen, das hat am Dienstagabend CSU-Sprecher Burkhard Köppen gesagt, als der Stadtentwicklungsausschuss darüber in Kenntnis gesetzt wurde, dass in der Verwaltung eine Altstadtfibel in Arbeit ist. Sie soll eine Handreichung für Hausbesitzer sein, andere fürchten ein Bürokratie-Monster, wie Hans Egger (Erding Jetzt) sagte. Er sei "nicht zwingend begeistert".

Lolita Liening vom Stadtplanungsamt präsentierte den Vorentwurf, über den nun die Stadträte in ihren Fraktionen beraten dürfen. Mit unüberhörbarem Enthusiasmus referierte sie über die beträchtliche Vorarbeit, die im Rathaus geleistet wurde und für die es Lob von den Stadträten gab. Sie erläuterte auch, was sich mit der Altstadtfibel alles regulieren lasse, zum Beispiel die Art der Sonnenschirme, das Material für Tisch und Stühle für die Außengastronomie, die Form der Dächer, das Verbot einer Beleuchtung von Freischankflächen und natürlich die Farben der Fassaden. Wobei diesbezüglich Zufriedenheit im Rathaus herrscht. Die Altstadt bekomme langsam ihre Farblichkeit wieder, sagte Stadtbaumeister Sebastian Henrich. Hauseigentümer, die ihrem Haus einen neuen Anstrich verpassen wollen, müssen sich bei der Farbgebung mit dem Rathaus absprechen, und das scheint gut zu klappen. Es sei ganz selten, "dass man zwei oder drei Mal hingehen muss", sagte Henrich. Meist erfolge die Einigung mit den Hausbesitzern demnach zügig und ohne Probleme.

Henrich erläuterte einen weiteren Grund, weswegen es die "bebilderte Satzung", wie Liening sie bezeichnete, brauche: um in Debatten mit dem Denkmalschutz nachweisen zu können, dass man sich an eigene Regeln halte. Es gehe um ein "nachhaltig geltendes Regelwerk". Die Regeln der Denkmalschutzbehörde änderten sich dagegen immer wieder, zum Beispiel ob eine senkrecht verlaufende Schrift an Fassaden oder ein Sockel erlaubt sei.

Zu Solaranlagen auf den Dächern wird wohl keine Aussage getroffen werden, wie Henrich auf eine Frage von Stefan Grabrucker (SPD) sagte. Die Dachlandschaft sei zu heterogen und die Dächer zu wertvoll, "als dass wir sie entstellen lassen wollen würden". Rechtsamtsleiter Andreas Erhard sagte, eine Photovoltaikanlage würde es nie und nimmer "am Denkmalschutz vorbeischaffen" und reagierte damit auf Thomas Schmidbauer (Erding Jetzt), der gesagt hatte, wenn er sich zwischen Klimaschutz und Denkmalschutz entscheiden müsse, dann würde er den Klimaschutz wählen. Der Anblick einer Photovoltaikanlage störe auch nicht mehr als der Anblick eines Zinkdaches.

OB Max Gotz (CSU) schaltete sich mit dem Hinweis ein, man dürfe nicht "den Respekt vor der Altstadt verlieren". Die Stadt Erding sei "nicht weit weg davon", dass sie Fördermittel der Städtebauförderung zurückzahlen müsse, weil Vorgaben offenbar nicht eingehalten werden. Noch mehr Vorgaben bedingen aber auch, dass noch mehr kontrolliert werden müsse, gab Grabrucker zu bedenken. Er befürchtete, dass Einzelhändler in der Altstadt dies als überreguliert empfinden würden.

Das neue Regelwerk mache die Dinge nicht komplizierter, sondern einfacher, findet dagegen Henrich, auch weil es auch Hinweise auf Fördermöglichkeiten gebe. Eggers Aufforderung, doch auch mal ein paar schlechte Beispiele zu nennen, damit man sich vorstellen könne, was man mit einer Fibel hätte vermeiden können, leistete der Stadtbaumeister in der öffentlichen Sitzung nicht Folge. Er nannte jedoch den Anbau des Gewandhauses Gruber in der Straße Am Rätschenbach als gelungenes Beispiel einer Zusammenarbeit mit dem Denkmalschutz. Der spektakuläre Glasanbau, der vor allem am Anfang auf erheblichen Widerstand gestoßen war, habe diese Ecke aufgewertet, findet Henrich. Bei anderen ehrgeizigen Projekten dieser Größenordnung würde man ohnehin den Denkmalschutz und die Städtebauförderung mit ins Boot holen, so wie das auch beim Erweiterungsbau des Rathauses in der Landshuter Straße 4 passiert sei.

© SZ vom 15.10.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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