Erding:Eine enorme Belastung

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Die Stadt braucht eine weitere Unterkunft für Obdachlose, darin sind sich alle einig. Die Darstellung des Istzustands durch die Verwaltung stößt allerdings auf Widerstand

Von Antonia Steiger, Erding

120 Obdachlose betreut die Stadt Erding derzeit. Mit einigen ist der Umgang nicht ganz einfach, das schilderte der Sachgebietsleiter Eric Stauch ausführlich am Dienstag vor dem versammelten Stadtrat. Die große Mehrheit jedoch verhält sich unauffällig, das erfuhren die Stadträte ganz am Schluss, nachdem der Grüne Günter Kuhn darüber Klarheit haben wollte. Derzeit gibt es vier Obdachlosenunterkünfte in Erding, auf absehbare Zeit werden sie aber nicht reichen, das machte OB Max Gotz (CSU) klar. Die Diskussion am Dienstag ist wohl als Auftakt zu verstehen gewesen, das Thema Obdachlosigkeit in den Fokus zu rücken und die Gespräche über einen neuen Standort eines Obdachlosenheims in Gang zu bringen.

In wenigen Tagen wird sich Gotz mit Fachleuten und Verbänden an einen Tisch setzen, um das Thema Obdachlosigkeit in Erding zu erörtern. Dabei soll es nicht nur um die Probleme der räumlichen Unterbringung und den Bedarf einer neuen Unterkunft gehen, sondern auch um Möglichkeiten, von Obdachlosigkeit betroffene Menschen besser zu begleiten, damit sie aus dieser schwierigen Situation wieder herausfinden. Man dürfe den Menschen nicht aus dem Blick verlieren, sagte Gotz nicht nur einmal. Allerdings ist diese sozialpädagogische Betreuung keine Aufgabe der Stadt Erding, darauf wies Gotz deutlich hin. Bislang wurden Betroffene nicht betreut, jetzt sucht die Stadt dafür die Zusammenarbeit mit Wohlfahrtsverbänden und Vereinen. Zuletzt hatte die Flüchtlingshilfe Erding ihren Wunsch bekundet, sich für eine bessere Unterbringung und Betreuung von Obdachlosen einzusetzen. Von dort kamen auch Vorwürfe, dass nicht alle Unterkünfte den Bedürfnissen entsprächen. Um diesen Vorwurf zu entkräften, erläuterte Stauch die Art der Unterbringung in den vier Unterkünften, von denen nicht alle für Familien geeignet seien, in einigen wohnen demnach nur alleinstehende Männer; ihre Ausstattung ist einfach. Darüber hinaus belegte Stauch mit einer Vielzahl von Bildern, dass einige Betroffene sorglos und rücksichtslos mit den Unterkünften umgehen. Demnach stapeln viele den Müll verbotenerweise vor dem Haus, eine Frau hat eine Küche im Hausgang aufgebaut, eine Familie hat auf eigene Faust Gipswände eingezogen und den Strom selbst verlegt. Einer fuhr ein halbes Jahr in seine Heimat, sodass für diese Zeit die Unterkunft nicht belegt war, und kam dann wieder zurück. Und eine Frau hat mittlerweile knapp 19 000 Euro Schulden angehäuft.

Dies alles mündete in der Darstellung der Probleme, die die Mitarbeiter im Rathaus mit einigen hochaggressiven, psychisch kranken, teilweise auch straffälligen Obdachlosen haben. Einige zerstören Mobiliar und Räume. Doch es ist laut Stauch sehr schwierig, Menschen aus den Unterkünften hinauszuwerfen, auch wenn sie dort seit vielen Jahren wohnen, eigene Einkünfte haben, sich aber nicht um eine eigene Wohnung kümmern. "Das fordert unser Haus gewaltig", sagte Gotz. Dem wollte auch keiner widersprechen, allerdings kritisierte zuerst Petra Bauernfeind (Freie Wähler) und dann Helga Stieglmeier (Grüne) die Darstellung des Problems durch das Rathaus. So hatte dort jemand die Präsentation mit einem Foto von einem Faschingskostüm bebildert, das eindeutig Hannibal Lecter darstellt, einen der furchterregendsten Mörder des amerikanischen Filmgeschichte. Dazu erfuhren die Stadträte, wie schwierig der Umgang mit einem bestimmten Obdachlosen sei und dass sich die Mitarbeiter Drohungen ausgesetzt sähen. Das Bild aber hatte auch im Zuschauerraum für Empörung gesorgt.

Bauernfeind sagte, man hätte einen anderen Einzelfall schildern können statt den eines Menschen, der "hochgradig krank" sei. Stieglmeier fügte an, dass die Betroffenen in Ausnahmesituationen seien, "die wir uns gar nicht vorstellen können". Gotz erwiderte, es sei darum gegangen darzustellen, wie stark die Verwaltung durch die Arbeit belastet sei. Der Anteil der "Extremfälle" liegt bei 15 Prozent, die restlichen 85 Prozent "verhalten sich unauffällig", sagte Stauch.

© SZ vom 20.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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