Erding:Ein Schloss zum Preis einer Haustür

Lesezeit: 2 min

77-Jährige beschuldigt Schlüsseldienst-Handwerker einer räuberischen Erpressung. Doch er wird freigesprochen

Von Thomas Daller, Erding

461 Euro hat der Inhaber eines Schlüsseldienstes von einer 77-jährigen Frau aus dem Holzland dafür verlangt, dass er ihr Haustürschloss ausgetauscht hat. Als er ihr die Rechnung präsentierte, war sie schockiert. Mehr als 150 Euro wollte sie nicht zahlen, das sei der Preis gewesen, als sie schon einmal das Schloss austauschen ließ. Daraufhin habe er sie so fest an der Hand gepackt, dass sie blaue Flecken bekam und sie mit Drohungen genötigt, das Geld zu zahlen. Vor dem Schöffengericht in Erding wurde dieser Fall nun verhandelt, die Anklage lautete auf "räuberische Erpressung".

Der 51-jährige Angeklagte bestritt die Anschuldigung vehement: Er habe die Frau weder angefasst, noch habe er von ihr Geld erhalten. Da sie die Rechnung nicht beglichen habe, hätte er die Angelegenheit seinem Anwalt übergeben und ein Mahnverfahren eingeleitet. Das mache er in solchen Fällen immer so. Daher habe es für ihn keinen Grund gegeben, handgreiflich zu werden. Die Höhe der Rechnung begründete er mit einem weiten Anfahrtsweg und damit, dass das alte Schloss wegen einer beschädigten Schraube sehr zeitaufwendig ausgebaut werden musste.

Yvonne Folk, Vorsitzende Richterin des Schöffengerichts, hatte Zweifel: Es sei bekannt, dass der Angeklagte "ständig mit Gerichten zu tun hat" und "für 461 Euro kriege ich schon fast eine Haustür".

Als Zeugen traten neben der 77-Jährigen die beiden Polizeibeamten auf, bei denen sie ihre Aussage gemacht hatte. Sie hatte sich zuerst an die Polizeiinspektion Erding gewandt, im weiteren Verlauf übernahm die Inspektion Dorfen, die für das Holzland zuständig ist. Bei der Vernehmung in Erding hatte die Frau noch nichts von einem tätlichen Angriff erwähnt. Erst als sie von dem Dorfener Polizeibeamten gefragt wurde, woher sie denn die blauen Flecken am Handgelenk habe, beschuldigte sie den Angeklagten. Außerdem war der Beamte in Erding nicht sicher, ob die Schilderung der 77-Jährigen den Tatsachen entspreche: Sie sei "sehr weitschweifig" gewesen, "nicht auf den Kern gekommen"; er habe den Verdacht gehabt, sie stehe möglicherweise unter Betreuung. Sein Kollege aus Dorfen war weniger skeptisch: Die Aussagen der Frau seien "schlüssig" gewesen, allerdings habe er ihr "alles aus der Nase herausziehen müssen", sagte er vor Gericht. An dieser Stelle hakte der Rechtsanwalt des Angeklagten nach: Er habe den Eindruck, die Aussage könne durch Suggestivfragen beeinflusst worden sein.

Hinzu kam, dass die 77-Jährige keine Quittung hatte, dass sie das Geld tatsächlich bezahlt hätte. Bei den Akten lagen nur die Auftragsbestätigung und die Rechnung, was die Version des Angeklagten stützte.

Als die Zeugin zum Schluss selbst aussagte, war sie so verängstigt, dass sie sich nicht in den Zeugenstuhl setzen wollte. Die Nähe des Angeklagten würde sie einschüchtern, erklärte die 77-Jährige. Zum Tathergang machte sie so wirre, widersprüchliche Angaben, dass sie der Rechtsanwalt des Angeklagten regelrecht vorführen konnte.

Richterin Folk machte dem unwürdigen Verhör ein Ende: Eine weitere Befragung sei nicht erforderlich; es sei dem Gericht nicht möglich, auf ihre Aussage eine Beurteilung zu stützen. Der Angeklagte wurde freigesprochen; "in dubio reo", wie die Staatsanwältin gefordert hatte. Sie war zwar der Meinung, "dass sich ein Vorfall abgespielt hat", eine belastbare Aussage habe man jedoch nicht.

© SZ vom 03.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: