Am Fliegerhorst:Ein Auftakt nach Maß

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Die ersten kamen am Montagnachmittag, sie wurden herzlich empfangen (Foto: Renate Schmidt)

Im "Camp Shelterschleife" sind am Montag weniger Flüchtlinge angekommen als angekündigt. Die Einsatzkräfte sind froh über den ruhigen Beginn. Jetzt bleibt Zeit, sich auf die nächsten Tage einzurichten

Von Sebastian Fischer, Erding

Familie Suleyman sieht glücklich aus. Mutter, Vater und sechs kleine Kinder sind vor zwei Monaten aus einem Vorort der syrischen Hauptstadt Damaskus geflohen, weil in der Nähe Bomben auf die Nachbarhäuser fielen. Sieben Wochen haben sie in der Türkei ausgeharrt, vor einer Woche sind sie auf ein Boot gestiegen, das sie nach Griechenland brachte. Nun sitzen sie auf einer Holzbank in Erding im Warmen, erschöpft, aber sie lächeln. Die Kinder spielen mit einem Igel aus Plüsch. Am Montag gegen 15.30 Uhr sind die ersten Flüchtlinge im Warteraum Asyl angekommen. Bis zum Abend wurden fünf Busse mit insgesamt bis zu 250 Menschen erwartet. Die Suleymans sind acht davon.

Eigentlich war für den ersten Tag im "Camp Shelterschleife" die Ankunft von bis zu 400 Flüchtlingen angekündigt gewesen. Dass es weniger wurden und die ersten Busse erst am Nachmittag kamen, hing mit den Grenzschließungen in Slowenien und Kroatien zusammen. Der Flüchtlingsstrom auf der Balkanroute verzögerte sich, die Aufnahmeeinrichtung in Passau war vergleichsweise entlastet. Für Serbien und Kroatien bedeutete das Chaos. Am Fliegerhorst bedeutete das einen ruhigen Beginn. Auch am Dienstag sollen nicht mehr als 250 kommen. Zeit, sich auf die kommenden Wochen einzurichten. Zeit, die Heiko Werner durchaus gelegen kommt.

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(Foto: Renate Schmidt)

Froh, endlich anzukommen: Nach einer ersten Registrierung durch das Bamf werden die Flüchtlinge vom Sicherheitsdienst zum Welcome-Center begleitet. Von dort werden sie in die Unterkünfte verteilt.

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(Foto: Renate Schmidt)

Helfer der Flüchtlingshilfe Erding erklären den ersten Ankömmlingen, wo sie sind.

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(Foto: Renate Schmidt)

"Es ist eine neue Herausforderung": Bundeswehrsoldaten sind im Welcome-Center für die Registrierung der Flüchtlinge eingeteilt.

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(Foto: Renate Schmidt)

Es funktioniert: Das liegt an den ehrenamtlichen Helfern und vor allem an den Flüchtlingen.

Der Aufbauleiter des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bamf) hatte am Montag offiziell die Nutzungsrechte für das Gelände übertragen bekommen. Auf der Lagebesprechung mit der Stadt Erding und dem Landratsamt war dies nochmals Thema. Denn für die Verwaltung von allem, was nun auf dem nicht mehr militärisch genutzten Gelände geschieht, wechseln die Zuständigkeiten. Ein simples Beispiel: Das "Camp Shelterschleife" hat nun eine Adresse: Taufkirchener Straße 100.

Doch nicht nur die Verwaltung ist dankbar für ein wenig Eingewöhnungszeit. Auch Victor Asamoah, der leitende Arzt beim Deutschen Roten Kreuz (DRK), hat für den medizinischen Check-up einen Kollegen und vier Krankenpflegekräfte zur Seite, die zudem noch eine kleine Krankenstation betreuen.

Das DRK kooperiert für Notfälle mit dem Klinikum Erding, auch mit Zahnärzten, radiologischen Praxen und Frauenärzten . Asamoah klingt zufrieden und zuversichtlich, wenn er über die Absprachen mit den Erdinger Medizinern spricht. Auch Werner sagt, dass er bei Bedarf das Gesundheitsamt oder mobile Reserven hinzuziehen kann. Aber es sei schon gut, dass Asamoah und sein Team eher entspannt Abläufe proben konnten.

Helfer der Flüchtlingshilfe Erding erklären den ersten Ankömmlingen, wo sie sind. (Foto: Renate Schmidt)

Abläufe, für die, so wirkt es am Montag, als alle Beteiligten sie noch einmal in der Theorie erklären, jedes Rad ins andere greifen wird. Klaus Meier vom DRK ist für die Versorgung der Flüchtlinge zuständig, sobald das Bamf ihre Namen aufgenommen hat und sie zur zweiten Registrierung ins Welcome-Zelt kommen.

Um den Ablauf zu koordinieren, hat er an seinem Arbeitsplatz eine Holztafel aufgebaut, auf der er kleine Plättchen von hier nach dort schieben kann, um volle Shelter zu markieren oder solche, die gerade gereinigt und für die nächsten Gäste vorbereitet werden. "Wir haben uns das ausgedacht", sagt Meier und grinst: "Hoffen wir, dass es funktioniert." Auch in seinem Blick: Zuversicht.

Ihm gegenüber sitzen Soldaten der Bundeswehr, die alle Flüchtlinge, die im Camp versorgt werden wollen, in die Datenbank des DRK aufnehmen. Sie seien bis gestern unterstützend beim Aufbau tätig gewesen, sagt Schichtführer Tobias Rehmeier, hätten Böden neu verlegt und Zelte aufgestellt. Nun sitzen die Männer in Uniform hinter Bildschirmen. "Es ist eine neue Herausforderung", sagt er: "Es gibt sicher schlimmere Aufgaben." Insgesamt werden bald 485 Bundeswehrsoldaten am Fliegerhorstgelände helfen, manche sind Nachbarn vom Luftwaffenstützpunkt, die anderen kommen aus ganz Deutschland. Die meisten helfen im Schichtbetrieb beim Betreiben des Camps und beim Aufbau, der noch bis Monatsende dauert, andere sind vom Bamf für die Registrierung eingeteilt.

"Es ist eine neue Herausforderung": Bundeswehrsoldaten sind im Welcome-Center für die Registrierung der Flüchtlinge eingeteilt. (Foto: Renate Schmidt)

Dass am ersten Tag dann das meiste genauso funktioniert, wie es soll, liegt auch an den ehrenamtlichen Helfern der Flüchtlingshilfe Erding, und hier vor allem: an den Flüchtlingen. Also denen, die schon eine Weile hier sind und sich auf Initiative von Christina Hundhammer zahlreich gemeldet haben, um zu dolmetschen. Etwa Ibrahim Takruri, 35, aus Syrien.

Er lebt mit seiner Familie in Erding, hat in den USA studiert und spricht deshalb fließend Englisch. Schon auf der Flucht sei er der Ansprechpartner für all die anderen gewesen, die mit ihm die Reise nach Deutschland antraten, weil sie dem Terror daheim entfliehen wollten. Auch das Landratsamt hat ihn in den vergangenen Wochen schon für Übersetzungen kontaktiert. "Ich kenne die Probleme der Flüchtlinge und ihre Bedürfnisse, die sind manchmal schwer zu erklären." Deshalb will er helfen so viel es geht, arbeiten darf er ja noch nicht.

Takruri muss gleich den ersten Landsleuten, die im Camp ankommen, erklären, dass dies kein Gefängnis ist. Sie wollen weiter nach Dänemark. Die Flüchtlingshilfe verteilt Beutel mit Spielzeug an die Kinder, selbst eine Spielecke hat sie im Zelt eingerichtet. In den Augen der meisten Ankömmlinge ist Dankbarkeit und Erleichterung zu sehen, endlich angekommen zu sein. Zum Beispiel wenn Ady Sherzad, ein weiterer Flüchtling, der Flüchtlingen hilft, auf afghanisch übersetzt: "Hier ist es warm. Und gleich gibt es etwas zu essen."

Froh, endlich anzukommen: Nach einer ersten Registrierung durch das Bamf werden die Flüchtlinge vom Sicherheitsdienst zum Welcome-Center begleitet. (Foto: Renate Schmidt)
© SZ vom 20.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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