Erding:Die Ökumene dient als Vorbild

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Ali Kizilkaya, Peter Felixberger, Andrea Bliese, Marcel Huber, Werner Reuß, Hildegard Kronawitter, Weihbischof Bernhard Haßlberger und Georgios Vlantis (v. li.) beim Ökumenischen Kirchentag in Erding. (Foto: Stephan Görlich)

Der Dialog kann der Schlüssel für ein gemeinsames Miteinander sein. In der Mädchenrealschule Heilig Blut fragen sich Fachleute, ob Religionen polarisieren oder der Integration dienen können

Von Carolin Fraunhofer, Erding

Musik schallte bis spät am Samstagabend durch die Erdinger Innenstadt. Es dämmerte schon, als sich die Harfentöne von Barbara Pöschl-Edrich über den Schrannenplatz verteilten. Es nieselte wieder, nur der harte Kern blieb da noch vor der Bühne. Den ganzen Tag über hatte die nasskalte Witterung Einfluss auf den ersten ökumenischen Kirchentag in Erding übernommen. Auch die Budenbesitzer brachen eine Stunde früher als geplant auf. Das Mosaik der Pfadfinder mit dem Logo des Kirchentages wurde trotzdem fertiggestellt.

Vom Regen ganz unbeeinflusst debattierte man dagegen in der Turnhalle der Mädchenrealschule Heilig Blut zum Motto "Religion - Polarisierung der Gesellschaft oder Hilfe zur Integration?" Die frühere Erdinger SPD-Landtagsabgeordnete Hildegard Kronawitter, der Staatskanzlei-Chef Marcel Huber, der Erdinger Autor und Journalist Peter Felixberger, Georgios Vlantis, Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen in Bayern, Andrea Bliese, Schulleiterin des Camerloher-Gymnasiums in Freising, Weihbischof Bernhard Haßlberger und der Vorsitzende des Islamrats für die Bundesrepublik Deutschland, Ali Kizilkaya waren sich keineswegs immer einig. Der Dialog solle helfen, die Integration voranzutreiben, dazu konnten alle zustimmen.

Werner Reuß, Chefredakteur von BR Alpha, fragte als Moderator nach dem Zusammenhang zwischen Religion und Gewalt. "Religion spielt sich nicht im luftleeren Raum ab, sondern im Menschen." Insofern habe Religion durchaus etwas mit Gewalt zu tun, meinte Haßlberger. Die Religion biete allerdings auch immer eine kritische Basis. Wenn man die Ereignisse der Vergangenheit oder aus dem täglichen Leben auf die Quelle, die Bibel beziehe, würde man schnell erkennen: "Das war falsch!" Der Weihbischof fügte jedoch hinzu, dass fast nichts nur mit Religion zu tun habe. Meist spiele Politisches oder Soziales mit hinein. Kizilkaya griff den Gedanken auf und sagte, dass Terroristen, die die Religion als Rechtfertigung für Gewalt missbrauchen würden, aus Gebieten kämen, die stark von Kriegen und politischen Problemen geprägt seien. "Ich fühle mich doppelt und dreifach als Opfer", so Kizilkaya. "Fast täglich sollte ich eine Distanzierung oder Rechtfertigung schreiben. Doch langsam fällt mir nichts mehr dazu ein, ohne mich ständig zu wiederholen." Felixberger erklärte, dass bei jeglicher Form der Radikalisierung der Betroffene vor einer Wand stünde. Es fände kein Austausch mehr statt, das sei die große Gefahr.

Damit ein harmonisches Miteinander gelinge, brauche es Werte. Das Grundgesetz und die Toleranz, stellte Kronawitter heraus. Huber geriet mit dem Hinweis auf die Leitkultur ins Kreuzfeuer von Kronawitter und Kizilkaya. Beide fanden das Grundgesetz als ausreichend, Huber wollte dagegen die Nächstenliebe und freiwilligen Dienste als zusätzlichen Wertekonsens verstanden haben. Als Huber von "der absoluten Gleichstellung von Mann und Frau" als wichtigen Wert sprach, kam der Verweis aufs Grundgesetz von Kronawitter prompt. Nur wenn man in einen Dialog trete, könne man Fortschritte erzielen, sagte Vlantis. Bliese stimmte zu, dass man die gemeinsamen Werte herausarbeiten müsste. "Wie komme ich in den Dialog", diese Frage sei zuerst zu beantworten.

Noch vor ein paar Jahrzehnten waren sich aber auch die Christen untereinander nicht grün. Durch die Ökumene ist man sich näher gekommen und kann heute gemeinsame Gottesdienste feiern und zusammenarbeiten. "Sich auf die Gemeinsamkeiten besinnen und etwas Positives zum Dialog beitragen", sagte Vlantis. "Wir sind weit gekommen." Die Ökumene könne man als Vorbild für ein Miteinander der Religionen nutzen, um harmonisch als eine Gesellschaft zu leben. "Ich wünsche mir, dass die Religion sich mehr einmischt und vermittelt", meinte dazu Felixberger.

© SZ vom 18.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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