Erding:Die Botschaft der Lesescherben

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Erding wird dieses Jahr nicht nur Gastgeber des Bayerischen Archäologentages sein, sondern selbst zum Forschungsstandort werden. Ausstellungen sollen die reiche Denkmallandschaft für alle erlebbar machen

Sarah Schiek

Spätkeltische Viereckschanzen, Gräber aus der Merowingerzeit, mittelalterliche Burgen: Der Landkreis Erding hat eine überaus hohe Dichte wertvoller Bodendenkmäler. Archäologische Ausgrabungen wie hier auf dem Gruber-Areal in der Innenstadt sind daher keine Seltenheit. (Foto: bauersachs)

- Ein ereignisreiches Jahr liegt vor den Archäologen im Landkreis Erding: Nach dem Neujahrsempfang des Archäologischen Vereins Erding (AVE) am Montag, 14. Januar, befassen sich von Mai an gleich zwei Ausstellungen im städtischen Museum mit der Vor- und Frühgeschichte der Herzogsstadt. Darüber hinaus wird Erding heuer nicht nur Gastgeber des Bayerischen Archäologentages sein, sondern selbst zum Forschungsstandort werden.

"Erding im ersten Jahrtausend" heißt das Kooperationsprojekt, an dem das Institut für Vor- und Frühgeschichtliche Archäologie und Provinzialrömische Archäologie der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) in München, das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege und das Museum in Erding beteiligt sein werden. 50 000 Euro und eine Haushaltsstelle hat die Stadt zur Verfügung gestellt, um über die Vergabe von Doktor- und Magisterarbeiten die zahlreichen Ausgrabungen in und um Erding wissenschaftlich aufarbeiten, auswerten und veröffentlichen zu lassen.

"Wenn es um die Erforschung des ersten Jahrtausends nach Christus geht, zählt Erding mit dem Kletthamer Gräberfeld zu den archäologisch bedeutsamsten Orten in Europa", erklärt Archäologe Harald Krause. Als Vorsitzender des Archäologischen Vereins Erding (AVE) war er nicht nur Impulsgeber für das Kooperationsprojekt, sondern hat als freier Mitarbeiter des Erdinger Museums auch dessen neue Dauerausstellung konzipiert. "Schaufenster Archäologie - Einblick in Jahrtausende" wird am 5. Mai eröffnet.

Von winzigen, Jahrtausende alten verkohlten Getreidekörnern bis hin zu keramischen Großgefäßen reichen die Exponate. Richtig stolz ist der Doktorand der Archäologie jedoch auf den frühmittelalterlichen Sattel und das silberblechbeschlagene Zaumzeug aus dem siebten oder achten Jahrhundert, der 1995 bei einer bauvorgreifenden archäologischen Ausgrabung in einem Schachtgrab in Aufhausen-Bergham gefunden wurden. Beide sollen erstmals einer größeren Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.

Wie Krause erklärt, richtet sich die Ausstellung an Besucher aller Altersklassen. Anhand eines Zeitbandes werden sie zu den einzelnen Exponaten geführt, die sich mit Lupen und Leuchtkästen bis ins kleinste Detail betrachten lassen. "Lesescherben" erklären die Bedeutung archäologischer Geschichtsschreibung. Mittels einer interaktiven und begehbaren Fundstellenkarte am Boden werden die gezeigten Objekte mit dem heutigen Lebensraum über virtuelle Karten, Luftbilder und Geländemodelle grafisch verknüpft.

Neben dem Multimedia-Angebot wird die Ausstellung auch originalgetreu angefertigte Repliken - wie nachgewebte Stoffe aus dem bajuwarischen Kletthamer Gräberfeld und eiserne Waffen eines keltischen Kriegers aus Langengeisling - sowie Hunderte Originalfunde zeigen. Diese stammen aus der Stein-, Bronze- und Eisenzeit sowie aus der Römer- und der Merowingerzeit. Keramische Inventare, Waffen und Werkzeuge aus Stein, Bronze oder Eisen sind ebenso darunter wie Schmuck aus Bronze, Gold oder Glas aus über sieben Jahrtausenden Erdinger Kulturgeschichte. Auch geologische, bodenkundliche und naturlandschaftliche Aspekte finden erstmals Raum in der neuen Ausstellung.

Mit Bodendenkmälern in ganz Bayern wird sich auch die Sonderausstellung "DenkMal im Wald! Kultur in der Natur" befassen, die ebenfalls im Mai im Museum Erding gastiert. Wie Krause erklärt, haben der AVE und das Museum Erding darüber hinaus ein Rahmenprogramm erarbeitet, das den Besuchern mit Vorträgen und Exkursionen die zahlreichen Grenzsteine, Grabhügel, Viereckschanzen und Wälle im Landkreis näherbringen soll.

Mit Spannung erwarten dürfen alle Geschichts- und Kulturinteressierten auch die Jahrestagung "Archäologie in Bayern", die die Gesellschaft für Archäologie in Bayern und das Bayerische Landesamtes für Denkmalpflege heuer in der Stadthalle Erding abhalten werden. Das Programm vom 25. bis 27. Oktober sieht Vorträge über die archäologischen Sehenswürdigkeiten in der Erdinger Region vor, Informationen zu aktuellen Funden aus ganz Bayern, einen Empfang im Museum und Exkursionen in Erding und Umgebung. Wie Krause verrät, wird zur Eröffnung auch ein neues Buch mit Ausflügen zu Archäologie, Geschichte und Kultur rund um die Herzogstadt erscheinen. Als Teil einer deutschlandweiten Reihe des Theiss-Verlages wird es in allen Bibliotheken zu finden sein. "Das Buch ist wie ein kleiner Reiseführer aufgebaut, mit dem man sich nicht nur als Tourist, sondern auch als Erdinger staunend auf den Weg machen kann", findet Krause.

Als Netzwerk für Archäologie, angewandte Bodendenkmalpflege und gelebte Geschichte hat es sich sein im Jahr 2010 gegründeter Verein zur Aufgabe gemacht, gemeinsam mit anderen Institutionen und Vereinen die Erdinger Kulturgeschichte für alle erlebbar zu machen. "Archäologie findet nicht nur in Ägypten statt, sondern auch hier, direkt vor unserer Haustür", sagt Krause. "Wir haben in Erding eine sehr reiche Denkmallandschaft - und die gilt es zu erschließen."

© SZ vom 10.01.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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