Erding:Der Preis für den Sonderstatus

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Spätabendliche Kontrollgänge in der Disco, stärkere Befugnis in der Bauverwaltung: Seit Erding Große Kreisstadt ist, hat die Kommune viele neue Kompetenzen. Die Mitarbeiter müssen aber auch härter arbeiten

Florian Tempel

Von außen gesehen ist in Erding alles beim Alten geblieben. Doch im Rathaus - im Bild unten zu sehen - haben die Mitarbeiter allerhand neue Aufgaben zu bewältigen (Foto: Bauersachs Peter)

Die ersten hundert Tage Erdings als Große Kreisstadt sind schon vorbei. Seit Januar zeigen die neuen gelben Ortsschilder die kommunalrechtliche Beförderung der Stadt an. Ansonsten ist jedoch keine Veränderung wahrzunehmen, gefühlt bleibt für den Bürger alles beim Alten. Spürbar ist die Erhebung von der einfachen zur Großen Kreisstadt hingegen für nicht wenige Beschäftigte im Rathaus. Denn die Stadtverwaltung hat eine ganze Reihe neuer Kompetenzen erhalten und Aufgaben zu erfüllen, die früher am Landratsamt erledigt worden waren.

Einige Mitarbeiter gehen zum Beispiel seit dem 1. Januar öfter mal in die Disco. Sie können und sollen ihre spätabendlichen Ausflüge dabei als Arbeitszeit abrechnen, denn sie sind mit Segen und auf ausdrücklichen Wunsch von Oberbürgermeister Max Gotz unterwegs. Der findet es, nicht nur weil er vierfacher Vater ist, "sehr gut", dass Mitarbeiter des Ordnungsamts in Erding auf Club-Tour gehen und ganz nüchtern nachschauen, ob in den Tanzlokale die Fluchtwege nicht verstellt sind und das Jugendschutzgesetz beachtet wird.

Die Kontrolle des Gaststättenwesens ist zwar ein ganz besonderer, aber vergleichsweise kleiner Arbeitsbereich, der seit Januar dazu gekommen ist. Den größten Zuwachs an Kompetenzen hat die Bauverwaltung im Rathaus bekommen. Denn seit Erding eine Große Kreisstadt ist, werden alle Arten von Bauvorhaben im Rathaus selbst genehmigt und müssen nicht mehr der Bauabteilung im Landratsamt vorgelegt werden. Die Mitarbeiter spüren die Mehrarbeit vor allem bei Großprojekten wie dem geplanten Erlebnishotel an der Therme Erding.

Die Statik des außergewöhnlichen Entwurfs - das Hotel soll ein Nachbau des Flaggschiffs der englischen Königsflotte werden, auf dem Vizeadmiral Horatio Nelson die Briten im Jahr 1805 in die Seeschlacht von Trafalgar führte - muss ebenso genau geprüft werden wie die Einhaltung der heutzutage sehr anspruchsvollen Brandschutzvorschriften. Darüber hinaus muss die Bauverwaltung vor einer abschließenden Baugenehmigung mit allen möglichen Behörden wie dem Wasserwirtschaftsamt oder Versorgungsunternehmen wie den Stadtwerken Erding abklären, ob alles so passt, wie es die Bauherren und ihre Architekten angeben.

Neben zusätzlichen Mitarbeitern im Bauamt hat die Stadt Erding wegen der neuen Kompetenz in Bauangelegenheiten zusätzlich noch eine eigene neue Abteilung schaffen müssen. Es gibt nun ein eigenes Rechtsamt im Rathaus, geführt vom Juristen Andreas Erhard. "Den brauchen wir, weil wir ja jetzt rechtsmittelfähige Baugenehmigungen machen", erklärt Oberbürgermeister Gotz. Erhards Arbeit besteht unter anderem darin, die Baugenehmigungen für einzelne Projekte oder größere Bebauungspläne rechtlich so festzuzurren, dass sie möglichen Klagen am Verwaltungsgericht standhalten.

Erhard ist auf diesem Gebiet ein ausgewiesener Fachmann, er war zuvor Baujurist am Landratsamt in Eichstätt. Die Einführung des städtischen Rechtsamtes ist für den Oberbürgermeister aber über die rechtliche Bearbeitung von Baugenehmigungen ein großer Gewinn: "Eine Stadt unserer Größe mit 36 000 Einwohnern, kann immer einen eigenen Juristen brauchen."

Eine weitere neue Kompetenz der Stadt ist die Vergabe von Sozialwohnungen. Das sei doch "ein ganz schwieriger Bereich", sagt Gotz. Nicht nur weil die Ermittlung der Einkommen derer, die die Zuteilung verbilligten Wohnraums beantragen, und die Berechnung, wie hoch die Miete sein darf, für die städtische Verwaltung rechtliches Neuland ist, wie Kämmerer Hermann Held bestätigt. Sondern auch weil die Bürger, die in diesen Angelegenheiten ins Rathaus kommen, "sehr, sehr unterschiedliche Menschen sind". Gotz sagt, er sei deshalb sehr froh, dass die Stadt auch für diese Aufgabe erfahrene neue Mitarbeiter gefunden habe, die zuvor unter anderem beim Jobcenter Aruso tätig waren.

Neben all den neuen Aufgaben einer Großen Kreisstadt - von denen viele, wie die Genehmigung von Motorsportveranstaltungen, Tabledance-Bars oder Friedhofserweiterungen bislang nur Theorie blieben - hat die Kommune aber auch finanzielle Vorteile erlangt. Die Grunderwerbssteuer fließt seit Anfang des Jahres vollständig in die Kasse der Stadt und muss nicht mehr mit dem Landkreis geteilt werden.

Das sollte schon in diesem Jahr zu Mehreinnahmen von einer Millionen Euro führen, denkt Kämmerer Held. Ob es wirklich so ist, werde sich erst im kommenden Jahr zeigen, wenn die Überweisungen durch das für die Grunderwerbssteuer bayernweit zuständigen Finanzamts Kehlheim zusammengerechnet sind. Da Erding eine Stadt ist, in der wohl noch sehr viel gebaut wird, scheint die Erhebung zur Großen Kreisstadt zum richtigen Zeitpunkt gekommen zu sein. Held ist jedenfalls zuversichtlich: "Wir sind auf einen guten Weg."

© SZ vom 25.04.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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