Erding:Den Status als Biotop verloren

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Idealerweise müsste die Sempt aufgeweitet werden, damit Fischwanderungen stattfinden können. Am allerbesten wäre es, die Wehre abzureißen, sagt das Wasserwirtschaftsamt. Doch das ist illusorisch

Von Antonia Steiger, Erding

Die Sempt ist in keinem "guten ökologischen Zustand", so lautet das eindeutige Urteil des Wasserwirtschaftsamtes Freising. Das ist auch im Erdinger Rathaus bekannt, doch was die Stadt im Zuge der Stadtparksanierung plant, wird am Zustand der Sempt nichts ändern. Das gilt ebenfalls für die Initiative der CSU, die in einem Antrag fordert, dass das Wasserwirtschaftsamt die Kiesbänke in der Sempt wieder freilegen lassen soll. Die Sedimente dort rauszubaggern, wo die Sempt sich staut, bringe nicht viel, sagt Matthias Junge, Gewässerökologe am Wasserwirtschaftsamt. "Die sammeln sich wieder an." Viel wichtiger sei es, die Durchgängigkeit für Fische zu verbessern.

Mehrere Kriterien ziehen die Biologen und Ökologen heran, wenn sie die Qualität eines Gewässers beurteilen. Die schlechteste Note bestimmt dann die Gesamtnote. Für die Sempt gab es die schlechteste Note - eine Vier, unbefriedigend, auf einer Skala von eins bis fünf - für den Zustand der Fische, wie Junge erklärt. Durch die zahlreichen Begradigungen und Uferbefestigungen, die teilweise aus dem Mittelalter stammen, weise die Sempt eine einheitliche Strömung, Wassertiefe und Kiesbettzusammensetzung auf, die sich ungünstig auf die Möglichkeiten zur natürlichen Fortpflanzung von Fischen auswirke, heißt es vom Wasserwirtschaftsamt. Idealerweise müsste die Sempt aufgeweitet werden, damit Fischwanderungen stattfinden können. "Am allerbesten wäre es, die Wehre abzureißen." Doch das ist illusorisch, das weiß auch Junge. Deswegen muss die Technik helfen: Fischtreffen oder Bypässe, wie es sie bereits an einigen Stellen - zum Beispiel in Altenerding - schon gibt. Momentan sei man jedoch weit entfernt davon, dass die Sempt durchgängig sei für Fische, betont Junge.

Nur an einer Stelle bei Berglern sind die Proben für die Bewertung der Sempt entnommen worden, doch nach Ansicht von Matthias Junge ist diese Stelle repräsentativ. Denn wie im Bereich der Stadt Erding sei die Sempt auch bei Berglern in einem recht begradigten Zustand. Dass die Verhältnisse in Erding grundlegend anders sind als in Berglern, hält er für unwahrscheinlich. Insgesamt hat die Sempt von ihrem Ursprung bei Ottenhofen bis zur Isar eine Länge von 40 Kilometern. Mäßig belastet - das gibt die Note Zwei - ist die Sempt aber auch durch Nährstoffe, die aus der Landwirtschaft stammen. Messbar ist dies an Pflanzen, wie Junge erklärt, die nur dann vorkommen, wenn es diese Nährstoffbelastung gibt. "Der gute Zustand ist hier auch nicht mehr erreicht", sagt der Wasserökologe. Ebenso kann die Zusammensetzung von Kleinlebewesen Aufschluss darüber geben, ob Abwasser in den Fluss eingeleitet werden, aber hier gibt Junge Entwarnung. Der Zusand der Kleinlebewesen sei "gut". Würmer und Egel seien nicht gefunden worden.

Einen freien Blick auf die Kiesbänke in der Sempt, das schwebt Anton Euringer vor, Leiter der Unteren Naturschutzbehörde am Landratsamt, der die Stadt Erding bei der Sanierung des Stadtparks begleitet. Im Herbst ist der zweite Abschnitt in Angriff genommen worden. Pläne wurden vorgestellt und mit den Bürgern diskutiert. Euringer hatte im Verlaufe dieser Diskussionen gesagt, dass die Sempt ihren Status als Biotop verloren habe: "Zu viel Schwebstoffe, zu viel Schlamm am Boden", lautete seine Diagnose. Die Sempt müsste eigentlich "ein wunderbares Forellengewässer mit Kies" sein, sagte er und forderte die Stadt zur Zusammenarbeit mit dem Wasserwirtschaftsamt auf. Auch dort weiß man, dass "die Zusammensetzung der Fischgesellschaften" zu wünschen übrig lasse. Typische Wanderfische wie die Nase, die früher ihre Laichwanderungen von der Donau über die Isar bis in die Sempt hineinführten, seien "praktisch ausgestorben". Auch umweltsensible Arten wie die Äsche zählten zu den bedrohten Fischarten in der Sempt. Die CSU hatte in ihrem Antrag vorgeschlagen, die verkrustete Sedimentschicht am Gewässergrund zu entfernen und so "die ökologische Funktionalität des Gewässers entscheidend" zu verbessern. Doch Junge ist skeptisch. Es sei aus Gründen der Ökologie "wenig zielführend", die Sempt auszuräumen. Zumindest nicht oberhalb des Stadtwehrs. Wo sich das Wasser staut, sammelten sich die Sedimente wieder.

© SZ vom 04.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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