Erding:CSU in Schockstarre

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Die Parteispitze des Erdinger Kreisverbandes hat sich von der Niederlage bei der Kür des Bundestagskandidaten noch nicht erholt. Nur der Vorsitzende Martin Bayerstorfer bleibt gelassen.

Florian Tempel und Antonia Steiger

Landrat Martin Bayerstorfer reagiert mit Gelassenheit, andere mit Entsetzen (Foto: Bauersachs)

Für viele in der Führungsriege der Kreis-CSU ist es weitaus mehr als eine normale Abstimmungsniederlage, dass sich bei der Nominierung des Bundestagskandidaten am Samstag der Bewerber der Ebersberger Parteifreunde, Andreas Lenz, gegen den Erdinger Josef Widmann durchgesetzt hat. Es sei ein "Desaster", dass der Sieg Lenz' durch Erdinger Stimmen ermöglicht wurde, sagte Erdings Oberbürgermeister Max Gotz - "das ist ganz mies gelaufen". Denn alle CSU-Delegierten aus dem Landkreis Erding waren nur drei Stunden zuvor in einer internen Zusammenkunft von ihrem Kreisvorsitzenden Martin Bayerstorfer noch einmal eindringlich darauf eingeschworen worden, Widmann geschlossen zu unterstützen.

Der Landtagsabgeordnete Jakob Schwimmer nannte das Abweichen von dieser klaren Marschroute sogar "entsetzlich". Dagegen versucht Landrat Martin Bayerstorfer, der Kreisvorsitzende, gelassen zu bleiben: "Für mich war das schon auch sehr überraschend. Aber so ist Demokratie." Nicht alle verfügen über seine Gelassenheit: Die Kreisrätin und Landesschatzmeisterin der CSU, Ulrike Scharf, sagte, sie habe das Wahlergebnis "erst gar nicht glauben können - das gibt's doch gar nicht". Auch Bezirksrat Franz Hofstetter war am Montag noch immer fassungslos. Wie der Bundestagsabgeordnete Max Lehmer wertete er die Abstimmungspleite als schmerzlichen Vertrauensverlust innerhalb der Erdinger CSU, der intern "aufgearbeitet" werden müsse.

Die Kreisverbände der Erdinger und Eberberger CSU waren zur Aufstellungsversammlung in Forstern mit je 80 Delegierten angetreten. In der Erdinger CSU hatte man sich auf folgendes Szenario eingestellt: In zwei Wahlgängen würden die Erdinger und Ebersberger Delegierten jeweils für ihren Kandidaten stimmen. Nach zwei ergebnislosen Patt-Abstimmungen würde das Los entscheiden. "Dann wäre jeder absolut fein raus gewesen", so Gotz, denn niemand hätte sein Gesicht verloren.

Vor Beginn der Nominierungsversammlung waren die 80 Erdinger Delegierten im Kochhaus Oskar zu einer letzten Lagebesprechung zusammengekommen. CSU-Chef Bayerstorfer habe sie dabei "wie eine Mannschaft bei einer Kabinenansprache" vor einem wichtigen Fußballspiel auf die Wichtigkeit hingewiesen, geschlossen und zusammen zu agieren, sagte Gotz. Niemand habe auch nur andeutungsweise durchblicken lassen, dass er wenig später nicht für Widmann stimmen würde. Schwimmer bestätigte, es habe "nur freundlichste Zustimmung" gegeben. Auch Lehmer sagte, keiner habe erkennen lassen, "dass er nicht mit vollem Herzen dabei ist". Scharf war sich deshalb vollkommen sicher, "dass unsere Delegierten geschlossen stehen, denn wenn es um eine so wichtige Entscheidung geht, muss man zusammenhalten".

Dass der 31-jährige Lenz dann mit einer emotionaleren und mitreißenderen Bewerbungsrede Erdinger Delegierte spontan für sich gewonnen habe, ist für Hofstetter kein überzeugendes Argument: "An den Personen kann es nicht gelegen haben." Auch Lehmer befand, es habe "keinen Qualitätsunterschied" der Bewerber gegeben. Schwimmer sagte, Widmanns Rede sei zwar "wie es bei Juristen nicht unüblich ist, etwas trockener" gewesen, aber "sachlich hoch qualifiziert".

Hofstetter zieht daraus einen "schmerzlichen" Schluss: Es habe keineswegs an den Kandidaten gelegen, dass mindestens drei Erdinger überliefen. Die Abweichler müssten vielmehr planmäßig die eigenen Reihen verlassen haben. Seiner Einschätzung nach müsse Unzufriedenheit mit dem eigenen Kreisvorstand - "ob aus persönlichen oder thematischen Gründen" - für mindesten drei Parteifreunde zum Abweichen geführt haben. Eine solche Haltung sei nicht akzeptabel. Als Delegierte, noch dazu in einer derart heiklen Situation "muss ich meine persönliche Meinung hintan stellen".

Es sei "nicht besonders charmant" gewesen, sagte Bayerstorfer über diesen Vorgang. Er habe zuvor keine Anzeichen verspürt, sondern viel Zuspruch erhalten für die Wahl des Kandidaten. Er habe keine Befürchtungen gehegt, auch wegen des einstimmigen Beschlusses im Vorstand. Nach den Abtrünnigen will er nicht suchen. "Man würde vielleicht die Falschen verdächtigen. Pauschale Verunglimpfungen wären nicht in Ordnung."

© SZ vom 26.02.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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