Großprojekt gestoppt:Bundespolizei hat sich zu früh gefreut

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Das Großprojekt des Investors Georg Scharl, der im Auftrag der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben Wohnraum für die Beamten schaffen sollte, ist gestoppt. Der Europäische Gerichtshof hat was dagegen

Von Florian Tempel, Erding

Anfang März sah es noch ganz so aus, als ob der Bau einer "Unterbringungs- und Fortbildungsstätte Bundespolizei" am Stadtrand von Erding womöglich noch in diesem Jahr beginnen könnte. Doch so schnell wird daraus nichts werden. Das Großprojekt mit zirka 200 Einzelappartements, Büros und Schulungsräumen, das der Dorfener Immobilieninvestor Georg Scharl im Auftrag der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (Bima) verwirklichen sollte, ist vorerst gestoppt. Der Grund: Die Bima hat - wie es der Europäischen Gerichtshof (EuGH) im Juli 2014 zu einem ähnlich gelagerten Fall festgestellt hat - die in der EU geltenden Vergaberichtlinien missachtet. Das etwa 30 Millionen Euro schwere Bauprojekt ist nicht offen ausgeschrieben worden.

Für die Bima ist der Fall Erding eine heikle und offenbar auch peinliche Angelegenheit. Presseanfragen werden nur schriftlich akzeptiert und schriftlich beantwortet. Die Bima teilt nun mit: "Es ist noch gar keine Entscheidung für Erding getroffen worden. Sollte sich das Präsidium der Bundespolizei für Erding entscheiden, müsste sich Herr Scharl im Rahmen einer EU-weiten Ausschreibung neuerlich bewerben." Wie und wann es weitergeht, sei noch nicht absehbar, denn: "Zu zeitlichen Verzögerungen kann derzeit keine Aussage getroffen werden."

Was ist passiert? Die Bundespolizei braucht Wohnraum für zusätzliche Beamte, wenn am Flughafen München der neue Satelliten-Terminal in Betrieb geht. Die Bima ist deshalb von der Bundespolizei beauftragt worden, die benötigten Räumlichkeiten zu beschaffen. Im September 2013 hat die Bima in der Süddeutschen Zeitung ein Inserat veröffentlicht, in der sie ein "anzumietendes Gebäude" mit einer Nutzfläche von zirka 1100 Quadratmetern und 80 Einzelzimmerappartements "in unmittelbarer Nähe zum Flughafen München" suchte. Auf diese Anzeige gingen vier Angebote mit Standorten in Erding, Freising, Eching und Moosburg ein. Die vier Interessenten reichten Exposés für Neubauten bei der Bima ein, die die Angebote "nach Eignung und Wirtschaftlichkeit bewertete". Ende November 2013 schickte die Bima das Ergebnis ihres "Erkundungsverfahrens" an die Bundespolizei. Offenbar sagte das Angebot aus Erding am besten zu. In der Folge wurde jedenfalls "mit Herrn Scharl konstruktive Verhandlungen geführt", schreibt die Bima .

In Erding hätte nach dem vorgesehenen Verlauf ein Bestellbau errichtet werden sollen. Ein Bestellbau bedeutet, dass ein Investor das gesamte Projekt von der Planung bis zur Schlüsselübergabe komplett organisiert und finanziert, natürlich nach den Wünschen und Vorstellungen des Auftraggebers. Nach der Fertigstellung des Bestellbaus hätte dann die Bima die Gebäude vom Investor angemietet und an die Bundespolizei weitervermietet.

Genau hier liegt das rechtliche Problem: Öffentliche Bauaufträge von einem Volumen von mehr als fünf Millionen Euro müssen europaweit ausgeschrieben werden. Anmietungen durch die öffentliche Hand sind von der Ausschreibungspflicht befreit. Der EuGH hat im Juli 2014 aber klargestellt, dass die öffentliche Hand mit einem Bestellbau-Modell die Vergaberichtlinien nicht umgehen darf. Der EuGH hat dabei nur wiederholt, was er schon 2009 einmal entschieden hat: Geben staatliche oder kommunale Stellen einen Bau in Auftrag, den sie später anmieten wollen, dann ist und bleibt das zuerst mal ein öffentlicher Bau, dessen Realisierung ausgeschrieben werden muss. Die Haltung, das Ganze sei lediglich nur ein Mietvertrag, der nicht unter die Vergaberichtlinien falle, ist laut EuGH grundsätzlich falsch. Die einzig neue, aber nicht wesentliche am EuGH-Urteil 2014 war: Auch einen Bestellbau-Investor mittels eines unverbindlichen Erkundungsverfahrens auszusuchen, ändere die Sache nicht.

Die Bima hat für das Projekt in Erding noch keine Verträge abgeschlossen. Insofern gibt es formal nichts zu beanstanden. Die Bima ist zudem der Ansicht, dass erst die EuGH-Entscheidung im Juli 2014 dem jahrelang praktizierte Bestellbau-System ohne Ausschreibungen einen Riegel vorgeschoben habe. Im Juli 2014 wurde im oberfränkischen Selb ein von der Bima in Auftrag gegebener Bestellbau für die Bundespolizei fertiggestellt. "In diesem Fall bestand nach damaligem Stand der Rechtsprechung keine vergaberechtliche Relevanz", schreibt die Bima.

© SZ vom 28.03.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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