Qualitätsprüfung:Brot ist ein Gesamterlebnis

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Backwaren-Prüfer Manfred Stiefel testet bei der jährlichen Brotprüfung mit allen fünf Sinnen. Die Beteiligung an den regionalen Qualitätsprüfung ist gering. Nur sechs von 26 Bäckereien nehmen teil

Von Tanja Kunesch, Erding

Die Kruste splittert und kracht, als das Messer mit einem geübten Schnitt durch den Laib fährt. Routiniert nimmt Manfred Stiefel eine Hälfte in die Hände, drückt zweimal kräftig zu und riecht daran. Am Freitag testete der Brot- und Semmelprüfer wie jedes Jahr Backwaren aus Betrieben der Bäckerinnung Erding. Die Teilnehmerzahl war nicht allzu groß. Sechs Bäckereien waren mit 76 Sorten Brot und Brötchen gekommen, 26 Bäckereien hätten mitmachen können.

Die Brotprüfung gibt es schon seit mehr als 50 Jahren. Und das Schema, nach dem geprüft wird, ist seitdem mehr oder weniger gleich geblieben, auch wenn es über die Jahre ab und an leicht verändert und angepasst worden ist, sagt Stiefel. Er ist seit zehn Jahren als Brotprüfer für das Institut für die Qualitätssicherung von Backwaren für ganz Süddeutschland zuständig. Stiefel kommt also viel herum und kennt sicher so viele Backwaren wie kaum ein anderer. Allein im vergangenen Jahr habe er etwa 7000 Proben getestet. Und nein, sagte er und lacht, er habe sich noch nicht daran satt gegessen: "Ich esse häufig abends nach der Arbeit noch ein Brot, ich mag es einfach."

Obermeister Franz Huber von der Bäckerinnung Erding hatte alle Hände voll zu tun. Richtig zufrieden konnte er bei der Brotprüfung nicht sein. (Foto: Renate Schmidt)

Es gibt sechs Kriterien, anhand deren Stiefel die Qualität misst: Form und Aussehen, Oberfläche und Kruste, Lockerung und Krumenbild, Struktur und Elastizität, Geruch und schließlich der Geschmack. 100 Punkte können vergeben werden und nur die Höchstzahl bringt die Note "Sehr gut". In Erding erhält im Schnitt ein Drittel der Produkte die Bestnote. In den vergangenen Jahren sei das Niveau im Landkreis sogar stetig gestiegen, sagt Stiefel. Brot habe eben noch immer einen hohen Stellenwert und auch die Nachfrage sei da. Im Zwischenergebnis der diesjährigen Prüfung hatten alle sechs Bäckereien mindestens ein Produkt, was mit "Sehr gut" bewertet wurde.

Ein spezielles Lieblingsbrot hat Stiefel nicht: "Vielleicht mag ich die dunklen in Richtung Roggenbrot ein bisschen lieber. So wie das Berliner Landbrot. Das gab es immer in meiner Kindheit in Berlin." Dort hat er lange als Bäckermeister gearbeitet, bis er die Umschulung zum Brotprüfer gemacht hat. Das Selber-Backen vermisse er schon manchmal, aber das gehe nun eben als Prüfer nicht mehr. "Ich mache das gerne", sagt Stiefel, "und wenn mich mein Geschmackssinn nicht verlässt, dann mache ich das auch noch weiter." Um diesen zu schulen, treffen sich alle Prüfer mehrmals im Jahr und testen gemeinsam Backwaren. "Unsere Ergebnisse stimmen meist miteinander überein, sogar was den Geschmack und Geruch angeht."

Manfred Stiefel kann sich an Brot nicht satt essen. Seit zehn Jahren ist er als Brot- und Semmelprüfer in Süddeutschland unterwegs. (Foto: Renate Schmidt)

Auch Obermeister Franz Gruber von der Bäckerinnung Erding hat einige Backwaren zur Prüfung gegeben. "Es ist schon schade, dass so wenige mitmachen", sagt er. Auch Stiefel findet, dass sie dadurch eine einmalige Gelegenheit verpassen, ihre Ware zu überprüfen oder zu verbessern. Zudem gibt es eine Urkunde als Auszeichnung und die Ergebnisse werden im Internet auf www.brot-test.de veröffentlicht. "Leider kämpfen wir auch zunehmend mit den Supermärkten. Für viele Leute ist es einfach bequemer, dort ihre Backwaren zu kaufen", sagt Gruber. Mehr und mehr Bäckereien werden wohl in den nächsten Jahren schließen, prophezeit der Obermeister. Dadurch gehe die Vielfalt und das Individuelle der kleinen Bäcker verloren. "Eine unserer Spezialitäten ist zum Beispiel das Saatenbrot", für das er 2014 die Bestnote von Stiefel einheimsen durfte.

Bei der Prüfung selbst geht der Prüfer zunächst vom Idealfall der Probe aus. Sollte der nicht erreicht sein, versucht er anhand der vorgegebenen Kriterien die Mängel herauszuarbeiten.

Berge an Backwaren liegen vor ihm aufgereiht. Er nimmt einen Laib Brot vom Tisch. Mit geradem Schnitt durchteilt er den Laib und schneidet gekonnt eine Scheibe ab. "Ich höre bereits, wie die Kruste ist, wenn ich es durchschneide", sagt Stiefel, "für die Bewertung nutze ich alle meine Sinne." Er nimmt eine Hälfte in die Hand, führt sie zur Nase, atmet tief ein und gibt etwas in den Laptop ein, der vor ihm steht. Anschließend befühlt er das Innere des Laibs und bricht sich aus der Scheibe ein Stück aus der Mitte heraus. Denn: "Wichtig ist das Innere beim Brot. Die Aromastoffe entwickeln sich beim Backen in der Kruste. Das Innere wiederum ist schwammähnlich und saugt diese dann auf." Konzentriert kaut er das Stück, riecht abschließend noch einmal kurz an dem Laib und legt ihn beiseite. Die Prüfung ist abgeschlossen.

Ob er auch so gewissenhaft beim Brotkauf am Wochenende vorgehe? Stiefel lacht: "Ich achte beim Bäcker sicher bewusster auf manche Sachen. Man geht schon ganz anders in den Laden rein. Und wirklich loswerden kann man den Röntgenblick nicht."

© SZ vom 13.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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