Amtsgericht Erding:Brandstiftung aus Liebesfrust

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Das Amtsgericht Erding verurteilt einen 38-Jährigen, der in einem Freisinger Mietshaus Feuer gelegt hat, zu zwei Jahren Haft - und ordnet die Unterbringung des alkoholkranken und psychisch auffälligen Mannes in einer Entziehungsanstalt an.

Von Florian Tempel, Erding

Das Amtsgericht Erding hat einen 38 Jahre alten Mann aus Freising wegen schwerer Brandstiftung zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt. Der Angeklagte hatte am 30. November vergangenen Jahres in einem Mehrfamilienhaus in Freising nachts das Türschild einer Heilpraktikerpraxis angezündet. Ein größeres Feuer breitete sich zwar nicht aus. Das Mietshaus, in dem sich neun Menschen aufhielten, musste jedoch vorübergehend evakuiert werden. Der alkoholkranke und psychisch auffälligen Täter hatte das Feuer gelegt, weil er das Ende einer kurzzeitigen Liebesbeziehung zu der Besitzerin der Praxis nicht verwunden hatte. Schon in den Monaten zuvor hatte er mit Zündeleien und Sachbeschädigungen die verheiratete Frau und ihren Ehemann in Angst und Schrecken versetzt.

Der Angeklagte machte vor Gericht weder Angaben zur Sache noch zu seinen persönlichen Verhältnissen. Pflichtverteidiger Martin Paringer erklärte in seinem Namen, dass er allerdings "alle Vorwürfe voll umfänglich einräume" und dass "er die Taten zutiefst bedauere".

Was den Angeklagten zu seinen Taten trieb, erklärte sich erst durch die Ausführungen des Psychiaters Georg Groß, der ihn in der Untersuchungshaft exploriert und seine Biografie untersucht hatte. Die Eltern des Angeklagten lebten beide in einer Behinderteneinrichtung. Er selbst durfte nach seiner Geburt nur wenige Jahre bei ihnen in der Behinderteneinrichtung bleiben. Als Kleinkind kam er zu Pflegeeltern. Nachdem sich diese wenige Jahre später getrennt hatten, lebte er zunächst bei seiner Pflegemutter, dann bei seinem Pflegevater und wurde schließlich ins Internat in Wartenberg abgeschoben. Als Erwachsener hatte der Angeklagte zwar mehrere feste Beziehungen, die jedoch alle "regelmäßig scheiterten", so Groß. Die Trennungen hätten ihm jedesmal schwer getroffen, da er stets ein tiefes Bedürfnis hatte - und noch immer habe -, eine eigene Familie zu gründen. Sein dringender Wunsch nach partnerschaftlicher und familiäre Geborgenheit resultiere offensichtlich aus dem mehrfach erlebten "Verlust seiner Bezugspersonen" in seiner Kindheit.

Im Sommer 2012 lernte der Angeklagte die verheiratete Heilpraktikerin kennen. Ihre Liebesbeziehung dauerte etwa ein halbes Jahr. Die Trennung Anfang 2013 warf ihn - wieder einmal - völlig aus der Bahn. Er wollte das Ende der Beziehung zu ihr nicht akzeptieren. Die Frau berichtete vor Gericht, dass er zunächst fast täglich Kontakt zu ihr suchte. Seine Hartnäckigkeit habe ihr "Angst gemacht". Nachdem er dann aber einige Monate lang nichts mehr von sich hören ließ, glaubte sie, er habe die Trennung überwunden. Doch Anfang 2014 war er wieder da. Nicht offen, sondern mit versteckten Zeichen ließ er sie wissen, dass er weiterhin in ihrer Nähe war: Sie fand Kuscheltiere auf dem Balkon ihrer Praxis, vor ihrer Haustür lagen auf einmal Leckerli für ihren Hund; die Scheibenwischer ihres Autos waren regelmäßig hochgeklappt. Alles "keine bösen Sachen", sagte die Frau, aber dennoch höchst irritierende Botschaften.

An Karfreitag 2014 wurde es erstmals richtig bedrohlich. Er zündete an ihrem Wohnhaus ein Plastik-Hinweisschild für ihre Praxis an. Drei Wochen darauf setzte er die Plane eines Autoanhängers vor ihrem Haus in Brand. Und Ende Mai zerschnitt er das Verdeck des Cabrios ihres Mannes und versuchte, es anzuzünden. Das Ehepaar hatte da bereits auf Anraten der Polizei Überwachungskameras installiert, die ihn bei seiner Tat aufzeichneten. Doch auch die nun eingeleiteten Anzeigen bei der Polizei brachten den Angeklagten nicht dazu, die Frau in Ruhe zu lassen. Er tauchte immer wieder in ihrer Nähe auf. "Das letzte halbe Jahr war sehr belastend für mich und meinen Mann, weil wir richtig Angst gehabt haben", sagte die Frau. Als schließlich in dem Mietshaus, wo sich ihrer Praxis befindet, Feuer gelegt wurde, war sofort klar, wer das getan hatte. Die Polizei nahm den 38-Jährigen einen Tag später in seiner Wohnung fest.

Psychiater Groß erklärte, die Gefahr, dass der Angeklagte auch künftig ähnliche Taten verüben könnte, sei sehr hoch. Er müsse dringend behandelt werden, wobei sowohl seine Alkoholerkrankung als auch seine psychischen Probleme therapiert werden müssten. Das Gericht folgte dieser Einschätzung. Da Brandstiftung in einem Mietshaus "ein wirklich schweres Verbrechen ist", so die Vorsitzende Richterin Yvonne Folk, ging das Gericht noch über den Antrag der Staatsanwältin von eineinhalb Jahren plus Unterbringung in einer Entziehungsanstalt hinaus. Verteidiger Paringer hatte auf ein Jahr Haft ohne Unterbringung plädiert.

© SZ vom 20.03.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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