Erding:Blutige Rache

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Angeklagter soll nach Schlägerei Verstärkung geholt und Kontrahenten brutal verprügelt haben

Von Thomas Daller, Erding

Innerhalb weniger Stunden musste die Polizei im Februar vergangenen Jahres zwei mal zu einer Flüchtlingsunterkunft wegen Schlägereien ausrücken. Die erste endete vergleichsweise harmlos mit blauen Augen und Bisswunden. Doch dann nahm einer der beiden offenbar brutale Rache: Zusammen mit einer Gruppe von Freunden soll er seinen Kontrahenten krankenhausreif geprügelt haben. Der Fall wird aktuell am Amtsgericht Erding verhandelt.

Der Anlass für die Auseinandersetzung war so banal wie alltäglich. Einer von zwei Asylbewerbern in dem Vier-Bett-Zimmer wollte Ruhe, um für die Schule lernen zu können. Der andere war nach seiner Nachtschicht ausgeschlafen und drehte am Nachmittag die Musik laut auf. Nachdem der eine dem anderen gedroht hatte, er werde ihm seine Lautsprecher kaputt schlagen, drehte der andere zwar leiser. Doch am Abend flammte dieser Streit erneut auf und die beiden Afghanen lieferten sich in der Flüchtlingsunterkunft in der Nähe des S-Bahnhofs Erding eine Schlägerei. Mit zwei geschwollenen Augen räumte der Unterlegene das Feld und verbrachte die Nacht bei Freunden in einer anderen Flüchtlingsunterkunft in Erding.

Laut Anklageschrift kam er gegen 7 Uhr morgens zurück, aber nicht allein. Zusammen mit einer Gruppe von Freunden, über deren Anzahl die Aussagen auseinandergehen, verprügelte er den anderen mit erheblicher Brutalität. Unter anderem schlug man das Opfer so heftig mit der Stirn gegen eine Glasschiebetür, dass die Tür dabei zu Bruch ging. Das Opfer erlitt neben einer Gehirnerschütterung auch noch Platzwunden im Gesicht, Schnittwunden an der Hand und Prellungen am ganzen Körper. Der mutmaßliche Rädelsführer dieser "Strafexpedition" wurde nicht zum ersten mal dabei straffällig; er sitzt wegen anderer Taten derzeit in der Justizvollzugsanstalt Landshut und wurde in Handschellen vorgeführt. Seine Mitangeklagten bestritten sowohl den Vorwurf, mit Vorsatz gehandelt zu haben, als auch die Tatbeteiligung als solche.

Insgesamt konnten vier mutmaßliche Täter identifiziert und angeklagt werden. Es handelte sich - wie das Opfer - allesamt um Paschtunen zwischen Anfang und Mitte 20. Darauf beriefen sie sich auch bei ihrer Verteidigung: Eben weil sie alle Paschtunen seien, seien sie mitgegangen, um den Streit schlichten zu helfen. Einer behauptete, er sei lediglich mitgegangen, um beim Aufräumen des Zimmers zu helfen, das nach der ersten Schlägerei in Unordnung gewesen sei. Selbst zugeschlagen zu haben, stellten die drei mutmaßlichen Mittäter in Abrede: Das habe allein der 25-jährige Haupttäter getan, der behauptete, das Opfer habe ihn mit der Drohung provoziert, ihn erneut zu schlagen.

Das Opfer sagte als Zeuge hingegen aus, er sei von der Gruppe überfallen wollen, als er noch schlafend im Bett gelegen habe. Zu viert hätten sie ihn festgehalten und auf ihn eingeprügelt. Dann hätten sie ihn mit dem Kopf gegen die Glasschiebetür geschubst, dass diese zerbrochen sei. Anschließend habe man ihn auf ein anderes Bett gezerrt und ihn dort weiter verprügelt. Gestützt wurde seine Version von einem weiteren Flüchtling, der im Nebenzimmer hinter der Glasschiebetür geschlafen hatte. Als die Scherben auf sein Bett flogen, wurde er wach, sah wie die Gruppe nebenan auf das Opfer einschlug und wollte Hilfe holen. Er wurde zwar festgehalten, konnte sich aber losreißen und eine Familie alarmieren, die im gleichen Haus wohnte. Als er Minuten später in das Zimmer zurückkehrte, kollabierte er beim Anblick der Scherben und des Blutes am Boden und wurde ohnmächtig. Das Opfer und der Zeuge kamen beide ins Krankenhaus.

Der Prozess vor dem Schöffengericht zog sich am Dienstag erheblich in die Länge. Dazu trugen aber nicht allein die Dolmetscher für die Angeklagten und die Zeugen bei. Die vier Pflichtverteidiger legten jedes Wort aus den polizeilichen Vernehmungen auf die Goldwaage und monierten, es habe sprachliche Missverständnisse gegeben. Der Prozess wurde um 21 Uhr vertagt und soll am 21. Januar fortgesetzt werden.

© SZ vom 14.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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