Erdinger City:Bezahlbar muss es sein

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In der Erdinger Innenstadt stehen zahlreiche Geschäfte leer, es finden sich aber auch Interessenten - und die wollen von einer Krise nichts wissen.

Von Regina Bluhme, Erding

Schmuck, Schuhe und viel Schokolade findet der Flaneur beim Einkaufsbummel durch die Erdinger Innenstadt. Doch zwischen attraktiv bestückten Schaufenstern finden sich auch etliche graue Fenster. Da ist - nichts. Der Leerstand ist nicht zu übersehen, doch hinter manchem Fenster tut sich etwas. Die Mieten in der Innenstadt seien zuletzt nicht gestiegen, sagt der Immobilienmakler Karl Kainz. Das bringt offenbar Mieter in die Läden, zum Beispiel am Ende der Langen Zeile: Wo kürzlich noch im "Magazine" Sportklamotten zu kaufen waren, gibt es bald Funktionskleidung für Sportler.

"Zwischen Himmel und Hölle," so beschreibt Thomas Fischer seinen Zustand. Er hat riesigen Stress, weil er dort mit seiner Frau Sybille Gualdi Mitte Oktober seinen Laden eröffnet. Und er freut sich, dass er die Räume am Ende der Langen Zeile, Ecke Mühlgraben, ergattert hat, wie er sagt. Seine Firma begann vor sechs Jahren in der Roßmayrgasse mit dem Verkauf an Endkunden, jetzt geht es an die Lange Zeile: Bestlage. Gesucht habe er schon länger, sagt Fischer. "Nun haben wir einen sehr fairen Vermieter gefunden, der es uns als normal aufgestellte Firma erlaubt zu existieren." Mietpreise von mehr als 20 Euro pro Quadratmeter seien für die meisten nicht zu stemmen. "Die Vermieter haben es in der Hand, ob sich kleine Läden in der Innenstadt halten können", sagt Fischer und begrüßt seinen Nachbarn von gegenüber. Der ist auch neu: Aus der ehemaligen Alm-Lounge wurde "Legalize Edelweiß", ein moderner Trachtenladen mit schicken Strickmodellen. "Es tut sich was in der Langen Zeile", ist Fischer überzeugt.

Der Vermieter von Thomas Fischer heißt Helmut Kraus, und er klingt überzeugt, wenn er sagt: "Die Mietpreise sollen bezahlbar sein." Er habe den Eindruck, "dass es bei den Mieten wieder ein bisschen nach unten geht". Vor zwei Jahren wurde das Miet-Mittel in der engeren Altstadt mit fast 23 Euro beziffert. "Die Zahlen sind ganz sicher nicht gestiegen", davon ist der Immobilienmakler Karl Kainz überzeugt. Einer der Gründe: "Alle wollen ins Gewerbegebiet im Westen."

Dass die Kaufkraft verstärkt ins Gewerbegebiet abfließt, ist eine Klage, die immer wieder zu hören ist. Doch das allein will Dieter Gerlspeck nicht gelten lassen. Der Vorsitzende von Ardeo, der Interessensgemeinschaft der Einzelhändler in der Innenstadt, appelliert an die Hausbesitzer: "Mieter sind keine Sklaven", sagt Gerlspeck, der an der Langen Zeile ein Sportgeschäft betreibt. Verträge sollten so gestaltet werden, "dass es beiden Seiten Spaß macht". Manchmal sei ein Spatz in der Hand besser als die Taube auf dem Dach, betont Gerlspeck: Also, lieber einem langfristig interessierten Mieter ein bisschen entgegenkommen als einen monatelangen Leerstand aushalten. Außerdem wäre seiner Ansicht nach viel gewonnen, wenn sich die Einzelhändler der Innenstadt endlich auf gemeinsame Öffnungszeiten einigen könnten.

Die Konkurrenz im Gewerbegebiet macht auch der Fischer's Stiftungs-Verwaltungsgesellschaft zu schaffen. Geschäftsführer Matthias Vögele hat im Bräuhausviertel 150 Quadratmeter Ladenfläche zu vermieten. Bislang haben ihm alle angeschriebenen Lebensmittelfilialisten eine Absage erteilt, berichtet er. "Die gehen ins Gewerbegebiet." Auch in der Haager Straße gibt es Leerstand. Traditionell gilt dieser Bereich der Altstadt als schwerer zu vermarkten. So sind auch im ehemaligen Möbelhaus Falterer wieder mehr Flächen frei, nachdem dort unter anderem ein kleines Fitnessstudio wieder ausgezogen ist. Einige Einheiten sind jedoch vermietet, an einen Computer-Laden, an eine Heilpraktiker-Praxis und ein Schokoladen-Geschäft. Die größte Ladenfläche steht jedoch leer. Platz ist auch in der Cineplex-Passage an der Dorfener Straße. Im Moment befinden sich dort ein Copy-Shop, ein Reisebüro, ein Edeka und ein Friseur. Seit kurzem gibt es dort auch "Il Gelato". Die Eisdiele hat erst vor wenigen Tagen eröffnet. Man muss sich nur trauen.

An der Haager Straße stehen aber die alten Räume des Buchladens "Lesezeichen" leer, der Laden ist schräg gegenüber eingezogen. Schon seit Jahren herrscht Leere auch in den Räume an der Spiegelgasse, wo einst eine Bäckerei ihre Semmeln verkauft hat. Leer sind auch an der Langen Zeile das ehemalige Reisebüro Alabatros und ein Handygeschäft. Doch da tut sich etwas: Wie auf Nachfrage zu erfahren ist, sind die Räume vermietet. Welches Geschäft einzieht, wird noch nicht verraten. Nur so viel: "Es ist keine Gastronomie."

Der Immobilienmakler Kainz kümmert sich im Auftrag des Hoteliers Wilhelm Kampe um die Vermietung der Kastanienhof-Passage, die vor einem Jahr schräg gegenüber vom Bahnhof eröffnet wurde. Auch hier sind noch Flächen frei. Mittlerweile sind jedoch ein Fitness-Studio, ein Nagel- und ein Tattoo-Studio, eine Praxis für Physiotherapie und ein Versicherungsbüro eingezogen. "Alle, die drin sind, sind auch sehr zufrieden", sagt Kainz. Allerdings: Zwei Läden mit je 80 Quadratmetern sind noch nicht vermietet. Die Passage sei als Gesundheits- und Wohlfühloase konzipiert, da müsse auch der Betrieb dazu passen. Kainz ist überzeugt, dass Erding ein beliebter Standort ist. "Hier wohnen hochqualifizierte Leute, und die Stadt steht von der Kaufkraft her gut da."

Einen Erfolg gibt es auch an der Zollnergasse: In der ehemaligen Bäckerei Rubenberger sind neue Mieter eingezogen. Hier eröffnet demnächst die "hasdenteufel crafts design ltd." ihre Räume. Die Firma ist zum einen auf Renovierung und Sanierung von Häusern spezialisiert, zum anderen bietet sie per Onlinehandel Wohn- und Gartenaccessoires an. Am verkaufsoffenen Sonntag am 18. Oktober wird mit dem Verkauf gestartet. Danach soll das Geschäft immer freitags und samstags geöffnet sein - "ein schön gestaltetes Schaufenster mit wechselnder Dekoration gibt es aber die ganze Woche zu sehen", versichert Barbara Hasdenteufel. Die Geschäftsfrau ist aus Oberhaching nach Erding umgezogen und mit ihrer Wahl sehr zufrieden. "Das Haus ist toll, die Lage ist 1a", sagt sie: "Und Erding ist sowieso super."

© SZ vom 19.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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