Erding:Betrunkene, Fälschungen und Blankoformulare

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Erziehungsbeauftragungen werden genutzt, damit Jugendliche ohne Eltern länger in der Disco bleiben dürfen. Doch oft fehlt es am Pflichtgefühl.

Benedikt Warmbrunn

ErdingDas Jugendamt Erding kritisiert Nachlässigkeiten im Umgang mit Erziehungsbeauftragungen. Von Eltern, den Betreibern von Diskotheken und von den Erziehungsbeauftragten selbst fordert das Jugendamt und auch die Polizei, ihrer jeweiligen Verantwortung stärker nachzukommen. "Die Erziehungsbeauftragung ist ein gesetzlicher Auftrag, entsprechend muss er auch ernst genommen werden", sagt Anton Altmann, Leiter der Polizeiinspektion Erding.

Lust auf Tanzen haben viele junge Menschen. Die Erziehungsbeauftragung ist ein Möglichkeit, damit Jugendliche länger als bis Mitternacht ohne Eltern unterwegs sein dürfen.  (Foto: FRS)

Durch Erziehungsbeauftragungen kann die Aufsichtspflicht eines Jugendlichen für einen Abend von den Eltern auf andere Personen übertragen werden, zum Beispiel für einen Diskobesuch über Mitternacht hinaus. Die einzige gesetzliche Voraussetzung für die Übertragung ist, dass der eingesetzte Erziehungsbeauftragte 18 Jahre oder älter sein muss. Dieser hat dann die Pflicht, darauf zu achten, "dass die ihm anvertraute Person sich an das Jugendschutzgesetz hinsichtlich Alkohol und Rauchen hält", sagte Bernd Grabert vom Jugendamt Erding. Der Erziehungsbeauftragte wird auf einem Formular eingetragen; dieses wird von den Eltern unterschrieben.

Erst vor kurzem, am Samstag, 10. März, wurden bei einer Jugendschutzkontrolle in einer Erdinger Diskothek in sechs Fällen Pflichtverletzungen festgestellt. Darunter waren auch Verstöße gegen das Jugendschutzgesetz: Die Erziehungsbeauftragten hatten an ihre Schützlinge branntweinhaltige Cocktails weitergegeben. Gegen sie hat das Jugendamt ein Ordnungswidrigkeitsverfahren eingeleitet und ein Bußgeld verhängt.

180 Formulare wurden bei dieser Kontrolle eingesammelt. Sie werden zurzeit überprüft, da bei "einer Vielzahl nicht auszuschließen ist, dass die Jugendlichen die Unterschrift der Eltern gefälscht haben", sagte Grabert. Da die Fälschung einer Unterschrift strafbar ist, müssen sich die Jugendlichen eventuell vor dem Jugendrichter verantworten. Zusätzlich stellt das Jugendamt häufig fest, "dass Eltern die Formulare blanko unterschreiben und die Jugendlichen einfach einen Über-18-Jährigen eintragen", sagte Grabert. "Hier wird die Elternverantwortung nicht wahrgenommen."

Im Landkreis Erding ist es in zwei Diskos möglich, als Unter-18-Jähriger mit einem Erziehungsbeauftragten länger als bis Mitternacht zu feiern: im Penthaus in Erding und im Crazy Town in Taufkirchen. Das Crazy Town hat eigenen Angaben zufolge pro Abend im Schnitt fünf Prozent an Besuchern, die mit Erziehungsbeauftragten eingelassen werden. Dies entspricht etwa 50 Jugendlichen. Einmal bis zweimal im Monat würden leichtere Verstöße mit einem Verweis aus der Diskothek geahndet, etwa nach dem Ordern von branntweinhaltigen Cocktails für einen Schützling. Wird beim Verlassen der Disko festgestellt, dass der Erziehungsbeauftragte oder der beaufsichtigte Jugendliche oder beide betrunken sind, wird eine Haussperre von bis zu sechs Monaten Dauer verhängt. Dies passiere einmal bis dreimal im Jahr.

Das Penthaus sammelt an Freitagen meist 100 bis 150 Formulare ein, das entspricht bis zu 15 Prozent der Besucher. Zu konkreten Strafen äußern sich die Betreiber nicht, es gebe aber eine Hausverbotsliste. Der Musikpark Erding dagegen lässt Erziehungsbeauftragungen außer an Sonderveranstaltungen nicht zu, da das allgemeine Eintrittsalter 18 Jahre beträgt. "So gehen wir dem Ärger gleich aus dem Weg", sagte eine Mitarbeiterin. Grabert: "Im Großen und Ganzen wird der Jugendschutz von den Gaststätten- und Diskobetreibern eingehalten."

Laut Grabert gibt es Überlegungen, den Gesetzestext zu ändern und die Altersgrenze des Erziehungsbeauftragten auf 21 Jahre anzuheben. Um die Kontrolle zu erleichtern fordert Polizeichef Altmann zudem, "eine gesetzlich bestimmte Promillegrenze für die Erziehungsbeauftragten einzuführen". Bisher gibt es eine solche Grenze nicht.

© SZ vom 24.03.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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