Erding:Augen auf beim Autofahren

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Amtsgericht wertet die Sorgfaltspflicht von Pkw-Lenker höher als die Pflicht, potenzielle Gefahrenstellen abzusichern

Als Autofahrer ist man verpflichtet, sich aufmerksam zu verhalten. Eine Verkehrssicherungspflicht gelte nur dort, wo eine Gefahrenlage überraschend eintrete. Diese Rechtsauffassung hat das Amtsgericht Erding in einem Gerichtsurteil zum Umfang der Verkehrssicherungspflicht eines Baustoffhändlers vertreten. In der Berufungsverhandlung vor dem Landgericht Landshut sah man den Fall auch so. Das Urteil ist rechtskräftig und hat exemplarischen Charakter. Das Amtsgericht Erding hat den Fall daher als "Entscheidung des Monats" veröffentlicht.

Erleidet der Eigentümer eines Wagens einen Schaden, weil er auf dem Gelände eines Baustoffhändlers einen niedrigen Stapel mit Baustahlmatten beim Ausparken übersieht, so haftet der Baustoffhändler nicht wegen einer Verletzung der Verkehrssicherungspflicht, lautet die grundsätzliche Entscheidung.

Dabei ging es um einen Fall, der sich am 30. Mai 2015 auf dem Gewerbegrundstück des Beklagten in Dorfen ereignet hatte. Der Kläger parkte sein Auto an einer Stelle, wo Fahrzeuge zur Warenausgabe vorfahren aber auch Baustoffe gelagert werden. Als er später wieder losfuhr, übersah er einen neben seinem Fahrzeug gelagerten etwa zwanzig Zentimeter hohen Stapel mit Baustahlmatten. Der Kläger überfuhr diese mit dem Fahrzeug und beschädigte dessen gesamte linke Vorderseite sowie ein Hinterrad. Ihm entstanden Reparaturkosten von 4023 Euro. Zum Zeitpunkt des Unfalls war kein Sicherheitshinweis an den streitgegenständlichen Eisenmatten angebracht. Auch sonstige Hinweisschilder, welche auf die Gefahrenstelle hinwiesen, waren nicht vorhanden. Die Beklagte hat außergerichtlich eine Schadensregulierung abgelehnt.

In seiner Klage argumentierte der Kläger, der Unfall wäre nicht passiert, wenn die offenen Stahlspitzen nicht auf derart geringer Höhe im Durchfahrtsbereich der Warenausgabe gelagert worden wären, beziehungsweise wenn sie zumindest mit einem Signal gekennzeichnet worden wären. Er nahm deshalb eine Teilschuld der Beklagten von 40 Prozent am Unfall an und beantragte, diese zur Zahlung des entsprechenden Anteils an den Reparaturkosten zu verurteilen.

Demgegenüber machte die Beklagte geltend, der Kläger hätte beim Heranfahren und Parken die Baustahlmatten erkennen können, genauso wie beim Aus- und Wiedereinsteigen in das Fahrzeug. Es sei zu vermuten, dass der Kläger zu eng an die Baustahlmatten herangefahren oder zu schnell gefahren war.

Das Amtsgericht Erding wies die Klage ab und begründete dies damit, dass der Sorgfaltspflichtverstoß des Klägers so gravierend gewesen sei, dass ein etwaiges Verschulden des Betreibers des Baustoffhandels nicht ins Gewicht falle. Denn denjenigen, der mit einem Kraftfahrzeug fahre, träfe eine hohe Sorgfaltspflicht, die ihn dazu verpflichte, insbesondere beim Parken genau auf die Umgebung zu achten.

Der Kläger legte gegen das Urteil Berufung ein, wurde jedoch vom Landgericht Landshut darauf hingewiesen, dass eine haftungsrelevante Verletzung der Verkehrssicherungspflicht erst dort beginne, wo auch für einen aufmerksamen Verkehrsteilnehmer eine Gefahrenlage überraschend eintritt, die für ihn nicht erkenn- und beherrschbar ist. Eine absolute Gefahrlosigkeit sei unter Einsatz zumutbarer Mittel nicht erreichbar. Darauf hin nahm der Kläger die Berufung zurück. Das Urteil des Amtsgericht ist rechtskräftig: Urteil des Amtsgerichts Erding vom 25.04.2016, Az. 3 C 2730/15

© SZ vom 04.10.2016 / SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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