Erding:Auf den Brexit vorbereitet

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Das Logistikcenter der Group7 in Schwaig bietet eine Lagerfläche von 31 600 Quadratmetern und 18 000 Palettenstellplätze. (Foto: Privat)

Die Folgen von Boris Johnsons Gewinn der Wahlen in Großbritannien spielt die Group7, einer der größten Spediteure im Landkreis, schon seit Jahren durch. Das AEO Zertifikat erleichtert der Firma den Warengrenzverkehr

Von Denis Pscheidl, Erding

Die Group 7 ist als einer der größten Spediteure im Landkreis besonders von den Auswirkungen des Brexit betroffen. Das Unternehmen bereitet sich allerdings seit Bekanntgabe des Brexit auf den EU-Austritt Großbritanniens vor und könnte dadurch am Ende einen Wettbewerbsvorteil gegenüber seinen Mitbewerbern erlangen. Die Group7 hat mit ihren Kunden bereits individuelle Brexitpläne ausgearbeitet. Außerdem besitzt sie seit elf Jahren ein AEO Zertifikat, das die Verzollung stark vereinfacht. Laut Hubert Borghoff, Prokurist und Leiter Logistik der Group7, werde Großbritannien einfach zu einem Drittland. Trotzdem werden an den Grenzen Probleme auftreten.

Boris Johnson hat die Neuwahlen am Donnerstag mit deutlicher Mehrheit gewonnen. "Wer gehen nun davon aus, dass Großbritannien zum 31. Januar die EU verlassen wird", teilte Borghoff mit. Die Auswirkungen eines Brexit unterscheiden sich laut Borghoff erheblich von Kunde zu Kunde. Deswegen könne man kein allgemeines Rezept entwickeln, sondern müsse jeden Fall einzeln betrachten. Aus diesem Grund habe die Group7 bereits 2017 ein Expertenteam ins Leben gerufen um die Kunden individuell auf den Brexit vorzubereiten. Nachdem der Brexit nun so gut wie sicher sei, wolle die Group7 jetzt mit den Kunden den jeweiligen Brexitplan umsetzen, sagt Borghoff.

Den wichtigsten Schritt habe die Group7 bereits deutlich vor dem Brexitreferendum gemacht, als sie vor elf Jahren das Zertifikat zum zugelassenen Wirtschaftsbeteiligten (AEO) erworben haben. Das Zertifikat vereinfacht die Verzollung enorm und sorgt für eine Zeitersparnis von bis zu einem Tag. "Man kann sich das vorstellen wie bei einer Videomaut", sagt Borghoff, "wer ein solches Zertifikat besitzt, kann einfach an der Schlange vor der Grenze vorbeifahren." Es würden auch deutlich weniger Zollbeschaue durchgeführt, da ein Vertrauensverhältnis zwischen zertifizierten Unternehmen und dem Zoll bestünde. Falls kontrolliert würde, geschehe dies dann am Zielort. Um ein AEO Zertifikat zu erhalten muss nachgewiesen werden, dass man während der vergangenen drei Jahre alle Zoll- und Steuerrechtlichen Vorschriften eingehalten hat. Außerdem wird die Jahresbilanz des Unternehmens vom Zoll geprüft, um die Zahlungsfähigkeit zu gewährleisten. Das Unternehmen muss zusätzlich über genügend Spezialisten bei Zollfragen verfügen und diese regelmäßig fortbilden. Die Prüfungen der Buchführung durch das Hauptzollamt würden auch nach Ausstellung des Zertifikats weiter durchgeführt.

"Das AEO Zertifikat ist kein Freifahrtschein aber es vereinfacht die Abfertigung extrem", sagt Borghoff. Außerdem habe die Group7 Partner und Zwischenlager in Drittländern, von denen aus die Ware weiterverteilt wird. Das biete den Vorteil, dass die Partner in den Drittländern sich mit den Gegebenheiten vor Ort noch besser auskennen und durch die Zwischenlager der Warenumlauf gewährleistet sei.

"Am Ende des Tages wird Großbritannien aber einfach zu einem Drittland, ähnlich der Schweiz oder Türkei", sagte Borghoff. Das bedeute zwar, dass Systeme und Abläufe kurzfristig umgestellt werden müssen, aber die Group 7 habe Erfahrung mit der Belieferung von Drittländern. "Es ist jetzt halt so und man muss sich damit auseinandersetzen", sagt Borghoff, "man tut gerade so, als ob man mit dem Thema Drittland zum ersten Mal konfrontiert wäre." Borghoff wünscht sich, dass die EU und Großbritannien jetzt schnellstmöglich und konstruktiv über die Austrittsmodalitäten verhandeln und idealerweise ein Freihandelsabkommen schließen.

Die Veränderungen am Markt können laut Borghoff auch Vorteile mit sich bringen. Unternehmen, die gut vorbereitet seien, wären in der Lage sich gegenüber der Konkurrenz zu differenzieren und so Marktanteile zu sichern oder sogar zu steigern. "Es wird immer wieder Veränderungen durch politische Einflüsse geben, mit denen man sich auseinandersetzen muss", sagt Borghoff.

Durch den Brexit entstehen für den Spediteur Kosten. Zum Beispiel durch Wartezeiten an der Grenze und Zollgebühren. Diese Kosten müssen nach Angaben von Borghoff an die Kunden weitergegeben werden. Im Moment lasse sich aber noch nicht sagen wie hoch diese sein werden, da es noch zu viele Eventualitäten gäbe. Es entstehen auch Nachgelagerte Probleme durch den Brexit. Ein Thema seien dabei die Lenk- und Ruhezeiten der Fahrer. "Wenn ein Lastwagen an der Grenze im Stau stehe, zähle das natürlich zur Lenkzeit", gibt Borghoff zu bedenken.

Die Group 7 wurde 2006 gegründet und ist mit rund 550 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von 121 Millionen Euro einer der größten Speditionsdienstleister im Landkreis. Sie besitzt circa 200 Stützpunkte auf der ganzen Welt. Die Group7 ist eine Inhabergeführte Aktiengesellschaft. Das bedeutet, dass sie zwar aufgrund der internationalen Tätigkeit an der Börse notiert sind, aber der Inhaber 100 Prozent der Aktien hält. Das Logistikcenter in Schwaig bietet eine Lagerfläche von 31 600 Quadratmeter und 18 000 Palettenstellplätze.

© SZ vom 16.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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