Erding:Attacke mit dem Ninja-Holzschwert

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41-Jähriger schlägt seinem Opfer mit voller Wucht ins Gesicht. Das Ergebnis: ein offener, mehrfacher Bruch des Unterkiefers, eine Nasenbein- und eine Kinnfraktur, zwei ausgeschlagene Schneide- und Backenzähne

Von Florian Tempel, Erding

Als das Opfer von seinen Verletzungen berichtet, stockt auch dem Angeklagten der Atem. Vor einem Jahr hatte er dem schmächtigen 23-Jährigen, den er im Gerichtssaal des Erdinger Amtsgerichts zum ersten Mal bewusst sieht, spät nachts im Hof eines Wohnblocks in Erding mit einem Ninja-Holzschwert mit voller Wucht ins Gesicht geschlagen. Das Ergebnis: ein offener, mehrfacher Bruch des Unterkiefers, eine Nasenbein- und eine Kinnfraktur, zwei ausgeschlagene Schneide- und Backenzähne. Viermal musste der 23-Jährige operiert werden. Ein halbes Jahr lang konnte er keine feste Nahrung zu sich nehmen. "Mir fehlen die Worte", stammelt der Angeklagte, als er sich bei seinem Opfer entschuldigt, "das ist so heftig, das war nicht beabsichtigt, es tut mir leid."

Der 41-jährige Angeklagte, der am Ende zu 16 Monaten Gefängnis auf Bewährung verurteilt wird, macht äußerlich keinen zimperlichen Eindruck. Er ist groß und schlank, trägt Jeans und ein schwarzes T-Shirt, auf dem eine Billardkugel über zwei gekreuzten Knochen zu sehen ist. Der rasierte Schädel, ein Schnurr- und Kinnbart, dicke Metallarmbänder und Tätowierungen am Unterarm geben ihm ein raues Äußeres. Als Beruf gibt er Sicherheitsfachkraft an. Allerdings sei er schon seit zehn Monaten krankgeschrieben, wegen gleich mehreren chronischen Krankheiten. Früher habe er Kendo trainiert, "traditionellen japanischen Schwertkampf", der "mehr auf Meditation ausgerichtet sei". Die Vorsitzende Richterin Yvonne Folk merkt an, "da ist doch wohl Selbstbeherrschung ein wesentlicher Aspekt". Der Angeklagte sagt, normalerweise sei er ja beherrscht, sonst hätte er gar nicht als Security-Mann arbeiten können. Nur in der Nacht des 10. August 2014, "da ist mir alles total aus dem Ruder gelaufen".

Es war schon spät, nach 3 Uhr. Der Angeklagte stand auf dem Balkon seiner Wohnung. "Im Block gegenüber ging's ziemlich lustig zu", sagt er vor Gericht, irgendeine ziemlich laute Party. Dann seien drei Leute im Hof erschienen und hätten begonnen lauthals zu streiten. Er habe sich vom Balkon aus eingemischt und Ruhe angemahnt. Daraufhin sei er von unten herauf beschimpft worden und habe zurückgeschimpft. "Da sind ein paar harte Worte gefallen." Einer von unten habe ihn angeblafft, "dann komm doch runter". Das habe er getan.

Zu seinem "Selbstschutz" habe er sein Übungsschwert mitgenommen. Sein japanisches Trainingsgerät war aus Eichenholz. Dort wo ein echtes Schwert eine metallene Klinge hat, hatte sein Übungsschwert einen dicken runden Stock, 76 Zentimeter lang, mit einem Durchmesser von fünf Zentimetern.

Im Hof war es dunkel. Er habe so gut wie nichts gesehen, sagt der Angeklagte. Kaum war er aus der Tür getreten, sei irgendwer auf ihn zu gekommen. "Ich hatte den Eindruck, dass er etwas in der Hand hat." Und weil "ich doch nicht erst warte, bis ich angegriffen werde", habe er sofort zugeschlagen. "Ich denke, ich habe halt Angst gehabt", sagte der Angeklagte, "soll's auch mal geben." Nach dem ersten Schlag habe er "aus der Drehung" auf einen zweiten Mann eingeschlagen, der insofern Glück hatte, als dass er davon nur Prellungen am Brustkorb erlitt. Zum Abschluss schlug er dem ersten Mann, "der wieder aufgestanden war", noch ein zweites Mal mit dem Holzschwert ins Gesicht. Dann sei er zurück in seine Wohnung. Das er einem jungen Mann das halbe Gesicht zertrümmert hatte, habe er gar nicht mitgekriegt. Erst als die Polizei und ein Rettungswagen kamen, "ist bei mir der Groschen gefallen". Und weil ihm "die Düse" gegangen sei, habe er schnell sein Holzschwert zerbrochen und versteckt.

Das 23-jährige Opfer, das zu Gast auf der vom Angeklagten erwähnten Party im Block gegenüber war, berichtet, er sei nur deshalb in den Hof hinunter gegangen, weil auch er den lautstarken Streit dort gehört hatte. Er könne sich sonst nur noch an die zwei herben Schläge erinnern.

Ein Nachbar erklärt vor Gericht, er sei ebenfalls im Hof gewesen. Er habe sich über die laute Party geärgert. "Ich wollte für Ruhe sorgen" und deshalb habe er drei rohe Eier in Richtung der Wohnung geworfen, aus der der Lärm kam. Daraufhin sei die Gastgeberin der Party und weitere Personen in den Hof gekommen und hätten mit ihm gestritten. Die Schläge des Angeklagten habe er nicht mitbekommen.

Richterin Folk sagt in der Urteilsbegründung, sie könne "überhaupt nicht verstehen", warum der Angeklagte in den Hof ging und erst recht nicht, warum er sein Ninja-Holzschwert mitnahm. Und obwohl die Folgen seiner Tat eh schon " ganz erheblich waren", müsse ihm auch eines klar werden: Er hätte mit Schlägen nur etwas weiter oben gegen dem Kopf seines Opfers "auch dessen Tod herbeiführen können".

© SZ vom 21.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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