Erding:Applaus für Stolpersteine-Konzept

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Ein Stolperstein, der in München an den von den Nationalsozialisten ermordeten Anton Braun erinnert. (Foto: Florian Peljak)

Stadtrat sichert Arbeitskreis, der das Gedenken an die Opfer der NS-Zeit wachhalten möchte, seine Unterstützung zu. Den Geschwistern Sophie und Leopold Einstein sowie Pierino Riccio sollen die ersten Steine gewidmet werden

Von Antonia Steiger, Erding

Ein Stolperstein soll die Passanten dazu bringen, sich nach vorne zu beugen, weil sie sonst die Inschrift nicht lesen können. Dies soll eine Verbeugung vor dem Menschen sein, an den mit einem Stolperstein erinnert wird. Auch in Erding sollen bald Stolpersteine verlegt werden, wie in vielen anderen Kommunen schon. Der Historiker Giulio Salvati, Katharina Keßler und Elisabeth Boxberger, die stellvertretende Leiterin des Museums Erding, haben das Konzept für die Stolpersteine dem Erdinger Stadtrat vorgestellt, der diese Präsentation mit Applaus quittiert hat. Sie alle sind Teil eines Arbeitskreises, der das Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus in Erding wachhalten möchte. Auch Heike Kronseder, die Vorsitzende des Historischen Vereins Erding, und Schorsch Wiesmaier von der Geschichtswerkstatt Dorfen gehören dem Arbeitskreis an.

Zwei Biografien haben die Mitglieder des Arbeitskreises Stolpersteine bereits erarbeitet, ihnen sollen die ersten beiden Steine gewidmet werden: Einer für die Geschwister Sophie und Leopold Einstein und einer für den Zwangsarbeiter Pierino Riccio. Zur Zwangsarbeit im Landkreis Erding forscht Giulio Salvati seit sieben Jahren, er wurde erst vor wenigen Tagen für seine Arbeit mit dem Tassilo-Kulturpreis der Süddeutschen Zeitung ausgezeichnet. Im Museum Erding ist derzeit seine Ausstellung "Erding 1945 - Wessen Heimat?" zu sehen, die sich ebenfalls mit Zwangsarbeit und anderen Themen während und nach dem Nationalsozialismus und dem Zweiten Weltkrieg beschäftigt.

Den Stadträten schilderte Salvati das Schicksal des am 15. Februar 1907 in Turin geborenen Zwangsarbeiters Pierino Riccio. Er musste seit dem 28. April 1944 im Eichenkofener Zwangsarbeiterlager leben und wurde in den Bartholith-Werken ausgebeutet. Als er im Mai 1944 an einer Lungenentzündung erkrankte, wurde bestraft, dass er der Arbeit fernblieb. Mitte 1944 wechselte er zum Friseursalon Löffler in der Langen Zeile. Am 5. Februar 1945 starb er an einer Lungenentzündung im Krankenhaus.

Sophie und Leopold Einstein, geboren am 27. März 1879 und am 19. Mai 1880, waren die Kinder des Kaufmanns-Ehepaars Jakob und Amalie Einsteins, die Ende des 19. Jahrhunderts in der Langen Zeile neben der Stadtapotheke wohnten. Anfang des 20. Jahrhunderts zog die Familie nach Nürnberg. Sophie Einstein heiratete 1913 und hieß dann Sophie Buchmann. Nur einer ihrer Söhne überlebte. Sie wurde 1942 in das Ghetto nahe Lublin deportiert und ermordet, ihr Bruder Leopold wurde 1943 in Theresienstadt ermordet. Es sei nicht die einzige jüdische Familie aus Erding gewesen, die deportiert und getötet wurde, sagte Salvati. Zudem seien dem Arbeitskreis auch drei Euthanasie-Opfer aus Erding bekannt, die wegen körperlicher oder geistiger Behinderungen getötet wurden.

Wie Elisabeth Boxberger sagte, hat sich der Arbeitskreis an den NS-Opfergruppen wie Sinti, Roma, Juden und Zwangsarbeiter orientiert. Anfangs sei es das Ziel gewesen, für jede Opfergruppe ein Schicksal zu identifizieren und nachzuzeichnen. Es sei aber "sehr schwer", sagte sie, Biografien zu recherchieren. Viele Unterlagen seien verschwunden, Spuren hätten sich verloren. Einige Familien wollten das auch nicht. Bei der Recherche zu den beiden genannten Biografien bekam der Arbeitskreis die Unterstützung von Stadtarchivar Markus Hiermer. Auch in Pfarrregistern, in der Gedenkstätte Dachau und in Yad Vashem in Jerusalem wurde geforscht. Natürlich seien die Opfergruppen viel größer, sagte Salvati. Der Arbeitskreis wolle ein Fundament für weitere Recherchen legen, ein Forum für Diskussionen bieten und sich auch kritischen Stimmen öffnen. Erdings OB Max Gotz (CSU) attestierte dem Arbeitskreis einen "hohen wissenschaftlichen Anspruch" und sicherte seine ganze Unterstützung zu. Wie Katharina Keßler erläuterte, soll die Arbeit an den Stolpersteinen dazu beitragen, die Zeit zwischen 1933 und 1945 in Erding aufzuarbeiten. Sie soll jedoch darüber hinaus auch dazu beitragen, sich "gegen rassistische und antisemitische Bewegungen zu positionieren".

© SZ vom 31.05.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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