Erding:An der Gurgel

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Angeklagter belastet bei Verfahren vergeblich einen Polizeibeamten

Von Thomas Daller, Erding

"Ich habe keine Luft mehr bekommen. Da habe ich ihn weggestoßen." Der 44-jährige Angestellte hatte auch ein Farbfoto dabei, das deutlich seinen großflächig stark geröteten Hals zeigt, kurz nachdem er von einem Polizeibeamten mit Handschuhen gewürgt und an die Wand gedrückt worden sei. Nachts um zwei Uhr morgens, in seiner eigenen Wohnung. Aber nicht der Polizeibeamte saß im Amtsgericht auf der Anklagebank, sondern der 44-jährige Erdinger. Denn beim Wegstoßen sei der Polizist über ein paar Schuhe gestolpert, die im Hausgang standen, und habe sich ein Knie leicht angeschlagen. Auch davon gab es ein Foto: eine kleine Rötung, etwa so groß wie eine Münze. Das führte zu der Anklage wegen Körperverletzung und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte.

Der Vorfall, der am Donnerstag im Amtsgericht Erding verhandelt wurde, liegt bereits eineinhalb Jahre zurück. Am 19. Januar 2014 wurde der Sohn des Angeklagten bei einem Einbruchsversuch von der Polizei gesehen und erkannt, er konnte aber flüchten. Also machte sich eine Streife zur Wohnung des Vaters auf, wo der junge Mann gemeldet war. Um zwei Uhr morgens klingelten sie den Vater und dessen Lebensgefährtin aus dem Bett und verlangten, dass er sie in die Wohnung lasse: Sie hätten zwar keinen Durchsuchungsbeschluss, aber es sei Gefahr in Verzug; der Sohn könnte ja Beweismittel vernichten. Der Vater entgegnete, sie sollten einen Moment warten. Er werde nachsehen, ob der Sohn Zuhause sei. Ab diesem Punkt gingen die Schilderungen des Angeklagten, seiner Lebensgefährtin, die als Zeugin geladen war, und der beiden Polizeibeamten, die ihn belasteten, weit auseinander: Er sei einen Schritt in Richtung Zimmer seines Sohne gegangen, sagte der Angeklagte, "da stürzt der Polizist von hinten auf mich zu, packt mich am Hals und drückt mich an die Wand". Seine Lebensgefährtin ergänzte, sie habe noch gerufen, ihr Freund sei Herzpatient, der Polizist solle ihn loslassen. Der Mann habe bereits zwei Infarkte hinter sich: "Ich fand es nicht in Ordnung, jemand an die Gurgel zu gehen." Daraufhin habe der zweite Polizist zu ihr gesagt, sie solle "die Fresse halten".

Die beiden Polizeibeamten sagten hingegen aus, der Angeklagte habe erst die Tür blockiert und sei dann "schlagartig aggressiv" geworden und habe einen von ihnen weggestoßen. Die Verletzung sei zwar geringfügig gewesen, der Polizist sei auch nicht dienstunfähig geschrieben worden. Aber solange der Angeklagte die Darstellung aufrecht erhalte, dass der Polizist der Aggressor gewesen sei, halte er seinen Strafantrag aufrecht, sagte der Beamte, der den Vater gewürgt haben soll. Auf Nachfrage von Richter Andreas Wassermann, wie es zu dem roten Hals auf dem Foto gekommen sei, hatten die beiden Polizeibeamten aber keine Erklärung.

Wassermann und die Staatsanwaltschaft erkannten, dass die Anklage auf wackeligen Beinen stand. Der Richter schlug vor, das Verfahren gegen eine Geldauflage ohne Verurteilung einzustellen. Der Angeklagte muss jedoch als Geldauflage 1000 Euro an die Behinderteneinrichtung Lebenshilfe in Freising zahlen. Er nahm den Vorschlag an.

© SZ vom 04.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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