Bier aus dem Landkreis:500 Jahre Tradition

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Das deutsche Reinheitsgebot: Die Erdinger Braumeister schwören darauf - und wollen doch Neues bieten

Von Mathias Weber, Erding

Wer sich im Landkreis Erding für Bier interessiert, der lebt im Himmel. Hier gibt es nach wie vor acht Brauereien: Weltbekanntes Weißbier aus Erding. Überregional bekanntes und mit vielen Preisen ausgezeichnetes Bier aus Taufkirchen. Und Bier aus kleinen Brauereien, aus Loh bei Dorfen zum Beispiel oder aus Wartenberg. Hier wird viel gebraut: Weißbier natürlich, Helles, Pils, Märzen, Bock und jahreszeitliche Spezialbiere. Und, man darf davon ausgehen, dass alle diese Biere mit nur vier Zutaten hergestellt wurden: Hefe, Wasser, Malz und Hopfen.

Das Reinheitsgebot will es so. Die Verordnung aus dem Jahr 1516 feiert diesen April seinen 500. Jahrestag. Manche nennen es das "Elfte Gebot Bayerns", international gibt es nichts Vergleichbares, und das wissen die Erdinger Brauereien zu nutzen. Auf der Homepage der Schlossbrauerei Grünbach heißt es: "Streng nach dem bayerischen Reinheitsgebot werden in handwerklicher Vollendung Bierspezialitäten gebraut." Und Thomas Drechsel, Braumeister von der Taufkirchner Brauerei, sagt, das Reinheitsgebot habe einen großen Vorteil: Der Kunde könne "auf bewährte Qualität vertrauen." Wobei aber Bier kein reines Bio-Produkt ist. Kritiker warnen, dass auch deutscher Hopfen mit Pestiziden verunreinigt sein kann. Und was auch erlaubt ist: Große Brauereien setzen dem Sud Kunststoffpulver bei, die Eiweiß- und Gerbstoffe binden, bevor sie später wieder aus dem Bier herausgefiltert werden.

Der Bierverbrauch in Deutschland sinkt. Im Jahr 2000 wurden 126 Liter Bier pro Kopf und Jahr getrunken, 2012 waren es nur noch 107 Liter. Der Fachzeitschrift "Brauwelt" zufolge hat zum Beispiel die Marke Erdinger im Jahr 2014 einen Ausstoß von 1,51 Millionen Litern Bier gehabt, knapp 200 000 Liter weniger als im Jahr 2013. Darin nicht eingerechnet sind die Marken Fischers und St. Prosper. Zudem machen neue, kleine Brauereien den Etablierten den Markt streitig. Und dann melden sich in den Medien auch noch Kritiker zu Wort, die das deutsche Reinheitsgebot für vollkommen überflüssig halten: Das Ausland lacht uns aus, weil wir uns selbst beschränken.

Drechsel kann das nicht verstehen: Was die "Belächelung der deutschen Brauer" durch das Ausland angehe sagt er, "dass die Protagonisten der bayrischen Bierbranche sich keineswegs so fühlen und wir auch nicht neidisch auf unsere Kollegen im Ausland blicken." Auf die deutsche Braukunst lässt er nichts kommen: Es sei wesentlich schwieriger - "und da kann ich sicher auch im Namen meiner Kollegen sprechen" - ein gutes Helles oder Weißbier herzustellen als ein Bier-ähnliches Getränk mit allerlei Geschmackszusätzen, das "fachliche Unzulänglichkeiten durch starke Aromatisierung ausgleicht".

Steckenbleiben in der Vergangenheit will aber keiner der Erdinger Brauereien. Manche haben erkannt, dass sich der Kunde mehr wünscht. Alle Brauereien bieten spezielle Jahreszeitenbiere an, Sommerbiere, Kirta-Biere, Bock-Biere. Zum Sinnflut-Festival bietet die Fischers Stiftungs-Brauerei, die zum Erdinger Weißbräu gehört, spezielle Radler an, die sich an bestimmte Zielgruppen richten: "Die dunkle Schönheit", ein dunkles Bier mit Limo, zum Beispiel an Frauen. Und in Taufkirchen ist man bereits auf den Craftbier-Trend aufgesprungen. So werden sehr spezielle Biere bezeichnet, die ihren intensiven und besonderen Geschmack durch spezielle Malze, Hopfen und Hefen erhalten.

Weitere geschmacksverändernde Zutaten sind nicht möglich - so schnell werden die Erdinger Brauer wohl keine Kirschen ins Bier mischen, wie es die Belgier tun. Obwohl, sagt Drechsler: Das schmeckt ihm schon auch.

Reinheitsgebot

Der Vorläufer des Reinheitsgebotes wurde von den bayerischen Herzögen Wilhelm IV. und Ludwig X. am 23. April 1516 in Ingolstadt erlassen, um die Verwaltung der einstigen bayerischen Teilherzogtümer zu harmonisieren - und, so sagen manche Forscher, gar nicht, um das Bier "rein" zu halten. Denn aufgrund von Hungersnöten wurde Weizen für Brot gebraucht; nur die Gerste sollte zum Brauen verwendet werden. Trotz des Gebotes werden später aber Koriander und Lorbeer beigemischt.

Der Begriff "Reinheitsgebot" ist eine moderne Erfindung. Es tauchte erstmals 1918 im bayerischen Landtag auf. Seitdem regeln verschiedene Biergesetzte, was in das deutsche Bier kommt, seit 1993 gilt das Vorläufige Biergesetz. Dort sind zwar Gerstenmalz, Hopfen, Wasser und Hefe explizit erwähnt; obergärige Biere dürfen aber auch Malz aus anderen Getreidesorten und Zuckerzusatz enthalten. webe

© SZ vom 22.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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