Elternrecht:Einschulen oder zurückstellen

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Welcher Name kommt an die Tafel am ersten Schultag? Die Eltern dürfen heuer frei entscheiden, ob sie ihr Kind schicken oder zurückstellen. (Foto: Robert Haas)

Neuer Planungskorridor bietet Eltern mehr Mitspracherecht, bedeutet für Kitas aber eine Mehrbelastung. Die Fachbereichsleiterinnen klagen insbesondere darüber, dass die Änderung zu plötzlich gekommen sei

Von Christoph Seeger, Erding

Erstmalig können Eltern in Bayern dieses Jahr frei entscheiden, ob sie ihr Kind einschulen oder zurückstellen wollen. Zumindest sofern ihr Kind zwischen dem 1. Juli und dem 30. September sechs Jahre alt wird. Laut einer Abfrage des bayerischen Kultusministeriums betrifft die neue Regelung damit 32 000 Kinder. Etwa 44 Prozent von ihnen werden im kommenden Schuljahr vermutlich nicht eingeschult werden. Dieses Mehr an Kindern könnte Betreuungseinrichtungen vor Probleme stellen, auch im Landkreis Erding.

Im Erdinger BRK-Kinderhaus "Die Wolperdinger" sieht Leiterin Silvia Makas verschiedene Probleme auf sich und ihr Team zukommen. "Wir werden überschüttet mit neuen Themen." Teilweise erfahre sie erst durch die Presse von neuen Entwicklungen. Sie beklagt eine teils mangelhafte Kommunikation seitens des Ministeriums. Aus ihrer Sicht stellt der Einschulungskorridor nicht nur Kindergärten und Tagesstätten vor diverse Probleme, auch Schulen hätten mit einer größeren Planungsunsicherheit zu kämpfen. Allerdings betont sie auch, dass sie die Idee des Planungskorridors für gut halte. Für viele Kinder wäre es in ihrer Entwicklung förderlich, ein Jahr länger in einer Vorschulgruppe zu bleiben.

Gizella Foskolos vom AWO Kinderhaus "Märchenmond", sieht die Thematik ähnlich. "Es war nicht einfach", sagt sie. Am Anfang hätten die Mitarbeiter Angst vor den Auswirkungen der neuen Regelung gehabt, diese hätte sich dann aber relativ schnell gelegt. "Bei uns lief fast alles reibungslos", sagt Foskolos. Da bei den betroffenen Kindern schon früher klar gewesen wäre, dass sie länger bleiben würden, hätte das Haus gut planen können. Aber auch sie bemerkt: "Die Änderungen waren zu plötzlich." Zudem könne sich die Situation in Zukunft auch weiter zuspitzen.

Gleiches berichtet auch AWO-Fachbereichsleiterin Sandra Libold. Dass es bisher zu keinen größeren Problemen gekommen ist, führt sie vor allem auf die Leistung ihres Teams zurück. Dieses hätte bereits frühzeitig Elterngespräche geführt und sich mit diesen abgestimmt. Aber auch sie sieht Schwierigkeiten durch den Einschulungskorridor, vor allem in der Kommunikation mit den Eltern. Diese könnten sich relativ kurzfristig umentschieden, was die Planung erschwere. Das größte Problem sieht aber auch sie in der Kurzfristigkeit des Beschlusses. Dadurch "hätte es knapp werden können". Auch der Zeitpunkt wäre sehr ungünstig gewesen, da die Plätze für das nächste Jahr zum Zeitpunkt des Beschlusses bereits vergeben waren. Für die Zukunft wünscht sie sich mehr Rücksicht und Einbindung der Einrichtung in derartige Entscheidungen.

Genau diese Praxis kritisiert die SPD- Landtagsabgeordnete Doris Rauscher. Die sozialpolitische Sprecherin, selbst ehemalige Leiterin von Kindertageseinrichtungen, findet den aktuellen Zustand unzumutbar. Die Staatsregierung habe ohne Rücksicht auf die Kommunen gehandelt. "Manches ist zwar gut gemeint, aber der Rundumblick fehlt", sagt Rauscher.

Die fehlende Kommunikation bemängelt auch Angelika Stolzenberger, Leiterin des Kindergartens St. Antonius. "Die Infos kommen oft hoppla hopp", beklagt sie. Allerdings betreffe die neue Regelung ihrer Einschätzung nach eher weniger Kinder. Für diese würden aber sicherheitshalber Plätze geblockt, um gegebenenfalls flexibel reagieren zu können.

Nach Rauschers Ansicht ist das Kind bereits in den Brunnen gefallen. Durch den Einschulungskorridor hätten die ohnehin oft überfüllten Einrichtungen zunehmende Probleme. Verschärft werde die Situation zudem durch den immer noch akuten Mangel an Fachkräften. Die Mitarbeiter "seien nur noch frustriert". Rauscher sieht nun die Staatsregierung in der Pflicht. Der Freistaat dürfe die Kommunen jetzt nicht sich selbst überlassen. Sie fordert die Staatsregierung deshalb auf, sich mit den Kommunen zusammensetzen, um an Lösungen zu arbeiten.

Dorfen konnte die Mehrbelastung bisher gut abfangen. Laut Therese Engelmaier vom Kinder- und Jugendhaus Dorfen liege das vor allem daran, dass in Dorfen vor kurzem das neue Kinderhaus "Sonnenhügel" eröffnet hat.

© SZ vom 22.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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