Eleni Lehner:"Sprache ist Ausdruck von Identität"

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Die Leiterin des Fachbereichs Sprachen an der Erdinger Volkshochschule erklärt, was Sprachkurse mit Europa zu tun haben

Von Anna-Lena Klingenstein, Erding

Die Europäische Union hat es sich zum Ziel gesetzt, dass jeder Bürger seine Muttersprache sowie mindestens zwei weitere Sprachen beherrscht. Dadurch soll die Kulturvielfalt geachtet und die Mehrsprachigkeit bewahrt werden. Eleni Lehner, Leiterin des Fachbereichs Sprachen an der Volkshochschule Erding, unterrichtet Spanisch, Griechisch und Deutsch. Sie selbst spricht sieben Sprachen.

SZ: Frau Lehner, welche Sprachkurse werden derzeit in der Volkshochschule Erding am häufigsten besucht?

Eleni Lehner: In erster Linie Englisch, Italienisch, Spanisch und Französisch.

Haben sich bei der Nachfrage in den vergangenen Jahren bestimmte Auffälligkeiten ergeben?

In den 1990er Jahren gab es eine starke Zunahme der Anfängerkurse für Englisch. Bürger aus der ehemaligen DDR hatten in der Schule Russisch als Pflichtfach. Wenn sie hier in der Arbeitswelt Fuß fassen wollten, mussten sie aber Englisch lernen. Heute sind die Teilnehmer der Anfängerkurse für Englisch meist schon im fortgeschrittenen Alter.

Welche Sprachen wurden in den letzten Jahren in der VHS Erding neu angeboten?

Wir haben vor zwei Jahren eine große Befragung abgeschlossen, bei der wir herausfinden wollten, nach welchen Sprachen eine Nachfrage im Landkreis besteht. Das Ergebnis war verblüffend: Besonderes Interesse war an den Sprachen Chinesisch, Russisch, Brasilianisch, Portugiesisch und Arabisch zu verzeichnen. Momentan sind nordische Sprachen gefragt.

Beeinflusst die politische Lage die Nachfrage nach Sprachkursen?

Finden in einem Land Skandale politischer oder wirtschaftlicher Natur statt, nehmen auch die Zahlen bei den Sprachkursen ab. Vor vielen Jahren konnten wir das nach der Olivenölkrise in Italien feststellen. Später, als die Wirtschaftskrise im Süden Europas anfing, nahmen die Zahlen bei den Griechisch- und bei den Spanischkursen ab. Noch später, mit den Auseinandersetzungen in der Türkei, nahmen die Zahlen in den Türkischkursen ab. Das sind aber erfreulicherweise nur Trends, die sich dann auch wieder ändern.

Merken Sie denn Konkurrenz zu den beliebter werdenden Möglichkeiten, mit dem Smartphone eine Sprache zu lernen?

Diesen Trend gibt es, ja. Allerdings werden Computerprogramme die Sprachkurse auf keinen Fall ersetzen können. Jemandem, der kognitiv lernt, der Zusammenhänge verstehen möchte, der dialogisch und interaktiv lernt und für den soziale Aspekte wichtig sind, dienen diese Programme nur als unterhaltsame Vertiefungsübungen. Glücklicherweise ist ein menschliches Lebewesen als Lehrer doch nicht ersetzbar. Die Emotionen sind ein unverzichtbarer Teil des Spracherwerbs.

Was bedeutet das für die Volkshochschule?

Diejenigen Sprachinteressierten, die mit diversen Apps beginnen, kommen dann doch irgendwann in unsere Kurse, wenn sie eine Grenze erreichen, bei der sie selbst nicht mehr weiterkommen.

Aus welchen Beweggründen suchen die meisten Teilnehmer Sprachkurse auf?

Die überwiegende Zahl unserer Befragten gibt "Freizeit" oder "Urlaub" an. Berufliche Gründe folgen mit großem Abstand erst auf Platz drei, meistens ist es bei Englisch. Auch das Intellektuelle steht oft im Vordergrund. Bei Chinesisch gab zum Beispiel jemand an, eine im bildlichen Sinne geistige Reise antreten zu wollen, um das Gehirn zu trainieren. Wissenschaftliche Studien ergaben, dass das Sprachenlernen sogar Demenz vorbeugt. Im Prinzip leben wir hier das, was der europäische Gedanke ist. In einem Quadratmeter trifft sich die gesamte Welt. In unserer VHS können wir täglich nicht nur Menschen aus bis zu vierzig verschiedenen Nationen antreffen. Wir können uns auch mit Gleichgesinnten unterhalten, die großes Interesse daran haben, die Kulturen und Sprachen, der Länder, die sie bereisen, zu eigen zu machen.

Wie fördert die europäische Union die Mehrsprachigkeit?

Durch viele verschiedene Programme und Projekte: Den internationalen Tag der Muttersprache. Den internationalen Tag der Fremdsprache. Die Erasmus Projekte für die berufliche Ausbildung und für die Weiterbildung für Erwachsene, und vieles mehr. Das ist meine Überzeugung: Die Sprache ist Ausdruck von Identität und Kultur. Beherrsche ich die Sprache nicht, kann ich weder die Kultur noch die Identität des anderen verstehen. Kulturvielfalt und Mehrsprachigkeit sind sehr wichtig in Europa. Die gilt es zu erhalten.

© SZ vom 11.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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