Eishockey beim TSV Erding:Vernünftig aus Leidenschaft

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TSV Erding (grüne Trikots) gegen Bad Tölz (Foto: Bauersachs)

Kein Trainingslager, keine teuren Spieler und die schwarze Null als großes Ziel: Die ruhmreiche, aber krisengeplagte Eishockey-Sparte des TSV Erding will vor dem Neustart nach dem Zwangsabstieg in die Landesliga in Zukunft mit mehr Disziplin wirtschaften.

Von Sebastian Fischer, Erding

Petr Vorisek sitzt in der Kabine des Erdinger Eisstadions und lacht ein schnaubendes Lachen, als wäre diese Frage die abwegigste, die man ihm stellen könnte. Wie oft er, der Trainer der Erding Gladiators, an Eishockey denke? "Pah", sagt Vorisek: "Immer. Morgens zum Frühstück, zum Mittagessen und zum Abendbrot." Dabei ist die Frage durchaus berechtigt: Ob es sich noch lohnt, so viel an Eishockey zu denken - jetzt, wo das Team nur noch fünftklassig ist? Doch wenn die Gladiators an diesem Freitagabend (20 Uhr) gegen den ERV Schweinfurt in die Landesligasaison starten, soll vieles noch so sein wie in den vergangenen vier Oberliga-Jahren. Und manches natürlich ganz anders.

Ein paar Tage vor dem Saisonstart ist am Stadion eigentlich alles genauso wie früher: Draußen steht der Mannschaftsbus auf dem Parkplatz, auf dem Eis wird trainiert, immer noch dreimal die Woche - und die Wand mit den Logos der Sponsoren in den Katakomben ist erstaunlich bunt. Sie hätten gedacht, dass viel mehr Geldgeber abspringen würden, nach diesem Sommer. Denn es war ja lange nicht klar, wie es mit dem traditionsreichen Erdinger Eishockey weitergehen würde, nachdem der TSV Erding im April entschieden hatte, seine mit 120 000 Euro defizitäre Eishockeyabteilung vom Spielbetrieb in der Oberliga abzumelden: In welcher Liga, unter welcher Führung? Ungewiss. Zudem klagten der gekündigte Trainer und drei Spieler Gehaltszahlungen ein.

Doch der Rückzug des Erdinger Weißbräu als Großsponsor ist die Ausnahme geblieben. Mit Ex-Trainer John Samanski und den Spielern hat sich der TSV außergerichtlich geeinigt. Die Gladiators müssen nicht wie mal befürchtet ganz unten in der Bezirksliga neubeginnen. Es geht weiter. Und Rainier Sabus, 49, Betriebswirt, sitzt vor der Sponsorenwand und erzählt das alles - er ist der neue Abteilungsleiter.

Grund für die Krise war die Naivität, mit der die Sparte geführt worden war. Sabus ist vorsichtig mit Vorwürfen, vom "Crash" spricht er nur, wenn er mit seinen Händen Anführungszeichen formt: "Der wirtschaftliche Fokus war nicht richtig." Es wurde mit Geld gerechnet, das nicht da war. "Wenn es schlecht läuft, holen wir einen teuren Spieler, dann kommen bestimmt mehr Zuschauer - so wurde gedacht", sagt Sabus. Die Frage ist: Wird das jetzt anders?

Im Vorstand sitzen viele mit Erdinger Eishockeyvergangenheit. Es brauchte ihre Leidenschaft, etwa die von Angreifer Daniel Krzizok, der nun auch Schriftführer ist, um die Sparte auf der Mitgliederversammlung im Mai überhaupt am Leben zu halten. Sabus macht keinen Hehl daraus, dass er keine Eishockeyvergangenheit hat - er war Volleyballer. Man nimmt es ihm ab, wenn er in den Katakomben des Stadions vom neuen Kurs des Erdinger Eishockey spricht und dabei wie der Finanzminister klingt: "Wir würden gerne in die Playoffs kommen. Aber unser Fokus ist die schwarze Null." Mehr als die Anfahrt bekomme niemand bezahlt, der Trainer könne noch so betteln um neue Spieler. "Es ist ganz einfach: Man muss nur Disziplin haben", sagt Sabus. Es ist die einzige Lösung für den Erhalt des Erdinger Standorts in einer Sportart, die deutschlandweit um ihre Wirtschaftlichkeit kämpft.

Die größte wirtschaftliche Herausforderung in der neuen Liga sind fehlende Derbys: Es werden wohl kaum Auswärtsfans nach Erding kommen. Mit 350 bis 400 Zuschauern pro Spiel, also 300 weniger als in der Vorsaison, kalkuliert Sabus. Der Etat beträgt vierzig Prozent des Oberliga-Etats: 215 000 Euro. Davon sind bis zu 100 000 für die Nachwuchsarbeit geplant. Natürlich soll die Jugendarbeit forciert werden - das sagt jeder Sportverein in der Krise. Doch Sabus hat selbst zwei Kinder im Gladiators-Nachwuchs. Und er hat auch schon neue Ideen: Zweimal im Jahr soll es einen Schnuppertag für Kinder geben, gerade werden Flyer entworfen. Naheliegend? Vorher war darauf noch niemand gekommen.

Vielleicht am treffendsten beschreiben die Situation die Erdinger Fans. Schon in den letzten Oberligaspielen, als die Gladiators mit Siegen gegen EV Füssen den sportlichen Klassenerhalt sicherten, hielten sie ein Transparent in die Luft: "Unsere Leidenschaft, unsere Liebe, unser Verein. Egal in welcher Liga." Florian Well und Andreas Wiethaus sind beide seit Jahren dabei. Klar sei er auch wütend, es sei einiges schief gelaufen, sagt Wiethaus. Aber jetzt glaubt er, sind die richtigen Leute am Werk. Gegen Schweinfurt kommen beide übrigens nicht ins Stadion, Urlaub, private Termine. Well sagt: "Es gibt wichtigeres als Eishockey." Egal in welcher Liga.

Vorisek, der die Gladiators vor fünf Jahren in die Oberliga führte, denkt trotzdem täglich darüber nach. Sein Team, das in großen Teilen aus Spielern der zweiten Mannschaft der Vorsaison besteht, aus ein paar Zugängen und fünf Akteuren aus dem Oberligakader, muss noch zusammenfinden. Dafür durften sie nicht ins Trainingslager fahren, ein Trainingswochenende im Stadion musste reichen. Die Eindrücke aus den Testspielen waren ordentlich.

Klar: Im Team ist nicht die schwarze Null das Ziel, sondern der Aufstieg. Die Gladiators gelten als Favorit, "der Weg in die Bayernliga führt ausschließlich über die Erdinger", schreibt die Mittelbayerische Zeitung. Vorisek spricht jedoch lieber von einem "Wunsch". Wichtiger ist ihm, dass er wieder sagen kann: "Die Umgebung in Erding ist gut für Eishockey." Für sparsames Amateur-Eishockey, versteht sich.

© SZ vom 09.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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