Ebersberg:Neid löst Anzeige aus

Lesezeit: 3 min

Gericht spricht aber Rentnerin vom Vorwurf des Sozialkassenbetrugs frei

Kaum hat mal einer ein bissel was, gleich gibt es welche, die ärgert das, reimte einst Wilhelm Busch über den Neid. Wie richtig dieser Satz immer noch ist, war nun am Amtsgericht Ebersberg zu erfahren. Angeklagt war eine Rentnerin wegen Betruges. Angezeigt hatte die 65-Jährige ausgerechnet eine Verwandte, Auslöser waren offenbar Erbstreitigkeiten. Letztlich erwiesen sich die Anschuldigungen aber als haltlos, die Rentnerin wurde freigesprochen.

Es war keine Bagatelle, was der Angeklagten vorgeworfen wurde: Um knapp 25 000 Euro soll sie die Sozialkassen betrogen haben, indem sie Unterstützung kassiert habe, die ihr nicht zustand. Die Frau hatte in den vergangenen Jahren Sozialhilfe bezogen, gleichzeitig aber die Vollmacht über ein gut gefülltes Konto ihres Vaters besessen. Dieses Geld, so die Anklage, habe sie für ihren Lebensunterhalt genutzt, was ein Verstoß der Auflagen für Sozialhilfeempfänger sei.

Dass es dieses Konto gebe und sie darauf auch zugegriffen habe, räumte die Angeklagte vor Gericht ein. Sie bestritt aber, das Geld für sich selbst verwendet zu haben, stattdessen sei sie nur so etwas wie eine Verwalterin gewesen. Denn das Konto habe ihr Vater für seine Enkelkinder eingerichtet. Wenn ein Geburtstag, eine bestandene Prüfung oder Ähnliches anstand, habe ihr Großvater Geld auf das Konto überwiesen, sie habe es dann entweder direkt abgehoben oder Geschenke für ihre Kinder damit gekauft. Auch die Unterhaltskosten für die Autos der Enkel seien über das Konto abgewickelt worden, genau wie finanzielle Zuwendungen während des Studiums.

Genau drei Mal habe sie Geld von dem Konto für eigene Belange genutzt, einmal um Reparaturen am Haus zu bezahlen zweimal um überraschend kaputt gegangene Gerätschaften zu ersetzen - allerdings immer nur im Rahmen eines Darlehens. Das Geld sei jedes Mal vollständig zurückbezahlt worden, einmal sogar sei es sogar direkt vom Sozialamt auf das fragliche Konto des Vaters überwiesen worden. "An meinen Vermögensverhältnissen hat sich durch das Konto nichts geändert", sagte die Angeklagte.

Wieso es überhaupt zu der Anzeige gekommen war, wollte Richterin Vera Hörauf von der Angeklagten wissen. Diese habe ihre Nichte eingereicht, so die Rentnerin, vorausgegangen sei ein Streit um den Nachlass ihres Vaters. Die Nichte habe, so die Angeklagte weiter, das Erbe gegen den Willen der Witwe sehr ungünstig investiert, angeblich mit dem Ziel, dass bis zu deren Ableben so gut wie nichts davon ausgegeben werden konnte. Als sie sich bei ihrer Schwester über deren Tochter beschwert habe, sei es erst zum Krach und dann zu der Anzeige gekommen.

Die Kinder der Angeklagten bestätigten als Zeugen die Aussagen ihrer Mutter - wenn auch mit Unterstützung von Notizen. Doch auch nachdem die Richterin die Verwendung von Spickzetteln untersagt hatte, waren die Aussagen der beiden Zeugen eindeutig: Der Großvater sei immer sehr großzügig gewesen, sagten Tochter und Sohn der 65-Jährigen. Das Konto habe der alte Herr, der in Norddeutschland lebte, vor vielen Jahren für seine Besuche bei Tochter und Enkelkindern eingerichtet, als er nach einer Autopanne Probleme hatte, auf sein Konto zu Hause zuzugreifen. In den folgenden Jahren war das Konto dann für die Enkel genutzt worden.

Diese berichteten auch von dem angespannten Verhältnis zur Familie ihrer Tante. Mit der Cousine, welche die Anzeige getätigt habe man ein "angespanntes Verhältnis" gehabt, so die Tochter der Angeklagten, sie vermutete, dass sie einfach neidisch war, wegen den Zuwendungen des Großvaters. Nach dessen Tod sei der Streit dann eskaliert, so die Zeugin weiter, "vielleicht spekulieren sie darauf, dass sie mehr erben, wenn die Unterstützung unrechtmäßig war".

Dass sie das nicht war, fand am Ende sogar die Vertreterin der Anklage. Die Aussage der 65-Jährigen und ihrer Kinder seien nicht zu widerlegen, so die Staatsanwältin und beantragte Freispruch. Das Gericht folgte der Argumentation und dem Antrag. Zwar sei das von der Angeklagten und ihrer Familie praktizierte Überweisungsmodell kompliziert und "vielleicht etwas komisch", so die Richterin, "aber schließlich ist es jedem selbst überlassen, wie man so etwas gestaltet."

© SZ vom 30.08.2016 / wkb - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: