Ebersberg/Jakobneuharting:Schüsse im Forst

Lesezeit: 3 min

Es ist besser, beim Waldspaziergang um Wildschweine einen Bogen zu machen. Dass ein Wilderer Jagd auf sie macht ist aber barbarisch. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Wilderer im Landkreis Ebersberg hat es seit Jahren nicht gegeben, nun sind in wenigen Wochen drei Tiere ohne Erlaubnis getötet worden. Die Täter sind noch nicht bekannt

Von Max Nahrhaft, Ebersberg/Jakobneuharting

Der typische Wilderer ist stark, selbstsicher, anpassungsfähig. Er wird umschwärmt von jungen Frauen. Einen coolen Spruch hat er natürlich auch immer parat. Das war zumindest gängiges Schwarz-Weiß-Klischee, genährt von Heimatfilmen im Kino der 50er- und 60er-Jahre und später auch im Fernsehen. Die Wilderer wurden als Helden gefeiert und ihre Taten glorifiziert. Dass sie nicht nur der repressiven Obrigkeit ein Schnippchen schlugen, sondern auch dem Tierbestand zusetzten, wurde dabei gerne vergessen. Martin Otter, Kreisvorsitzender des bayerischen Jagdverbandes, spricht von "verklärter Geschichte".

Inzwischen hat sich dieses Image des vermeintlich freiheitsliebenden Selbstversorgers gewandelt. Wilderei steht definitiv als Straftat im Gesetzbuch. Es ist alles andere als ein Kavaliersdelikt, ein Wildtier ohne Erlaubnis oder Befähigung zu töten. Tatsächlich war Wilderei nicht nur im Landkreis, sondern in ganz Bayern über lange Zeit kaum ein Problem. "Ich bin jetzt schon sehr lange bei der Polizei. Wilderei kommt zwar vor, aber nur äußerst selten", sagt Hendrik Polte, der Dienststellenleiter in der Polizeiinspektion Ebersberg.

Doch das hat sich nun schlagartig geändert. In den vergangenen fünf Wochen sind drei Tiere angeschossen und am Tatort liegen gelassen geworden. Der erste Vorfall ereignete sich in einem Waldstück im Gemeindegebiet von Jakobneuharting. Der ansässige Jagdpächter fand eine Rehgeiß, der mit einer kleinkalibrigen Waffe in den Bauch geschossen wurde. Der Täter hatte das verletzte Tier verenden lassen. Im Ebersberger Forst trugen sich nur kurze Zeit später zwei weitere schwere Fälle von Wilderei zu. Das erste Opfer war eine Wildsau in der Schonzeit. Sie wurde im Hals getroffen. Auch diesmal flüchtete der Täter und ließ das Tier qualvoll verenden. Die Tat wurde in einer Vollmondnacht im Wildpark Ebersberg zwischen der Sauschütt und dem Forsthaus Diana begangen. Drei Wochen danach erschoss mutmaßlich derselbe Täter an der gleichen Stelle einen Keiler. Im Schutz der Dunkelheit trennte er den Kopf des Tieres ab und nahm ihn als Trophäe mit.

In allen drei Fällen hat die Polizei die Ermittlungen übernommen. "Über den Grund für diese Straftaten lässt sich nur spekulieren. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass heute noch gewildert werden muss, um die eigene Not zu lindern. Da müssen andere Motive dahinter stehen", sagt Heinz Utschig. Er ist der Leiter der Forstbetriebe in Wasserburg, die auch für den Ebersberger Forst zuständig sind. Auch er kann aus zehn Jahren Berufserfahrung berichten. Trotzdem habe er bis zu diesem Zeitpunkt noch nie von Wilderei im Landkreis gehört, sagt er.

Den Wilderern ist es also wahrscheinlich nicht darum gegangen, ihren Hunger zu stillen. "Vielleicht wollte der Täter einfach mal was tot schießen", sagt Andreas Schmidt ganz pragmatisch. Er ist der verantwortliche Jäger im südlichen Teil des Wildparks und hat die beiden toten Sauen gefunden. Ging es den Tätern schlichtweg um den Kick, mit einer Waffe zu schießen? "Was in den Leuten in einer solcher Situation vorgeht? Ganz ehrlich, keine Ahnung", sagt Otter.

Unabhängig davon, welches Motiv vorliegt, sei es aber gar nicht so leicht, eine Sau zu erlegen, sagt Schmidt. Der Täter im Forst muss sich nämlich bis auf 50 Meter an das Tier herangeschlichen haben und dabei aufpassen, dass er von der Sau nicht gehört oder gerochen wurde. Schmidt sagt: "In einer Gefahrensituation greift sie zwar nicht an, läuft aber weg - außer Schussweite des Wilderers."

Utschig findet das alles "unvorstellbar" und will die Serie beenden, bevor sie noch mehr Opfer fordert. Schon jetzt seien mehr als 50 Jäger und viele Waldarbeiter im Forst unterwegs. Diese konnten die nächtlichen Schüsse zwar hören, aber niemanden sehen. Der Wilderer konnte sich über die Straße unbemerkt von den Tatorten entfernen. "Wir stehen in enger Verbindung zur Polizei und haben unsere Präsenz im Wald verstärkt", erklärt Utschig. So würden die Jäger nun Kennzeichen von unbekannten Fahrzeugen notieren. Ein unberechenbarer Wilderer mit scharfer Waffe kann aber nicht nur für Tiere, sondern auch für Menschen gefährlich werden, die ihm über den Weg laufen.

© SZ vom 18.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: