Ebersberg/Erding:Ein offenes Ohr in der Not

Lesezeit: 2 min

Der Krisendienst Psychiatrie für Ebersberg und Erding hat seine Arbeit aufgenommen und ist nun jeden Tag erreichbar

Von Alexandra Leuthner, Ebersberg

Jeder dritte Deutsche gerät einmal in seinem Leben in eine seelische Krise, sechs Millionen Menschen in Deutschland leiden an einer Depression. Heruntergebrochen zum Beispiel auf den Landkreis Ebersberg unterschieden sich die Prozentsätze nicht von denen im Bund, erklärte Georg Knufmann, Leiter der Sozialpsychiatrischen Dienste Ebersberg (SPDI) anlässlich der Einführung des Krisendiensts Psychiatrie für Erding und Ebersberg am Donnerstag. Nehme man die Zahl der Angehörigen dazu, steige die Quote der Betroffenen auf fast 70 Prozent.

Und nicht jeder hat das Glück, jemanden zu kennen, der ihn an der Hand nimmt, ihm einen Therapeuten sucht oder ihn zu einer Beratungsstelle bringt, die dann vielleicht die richtigen Therapien vermitteln kann. Der Krisendienst Psychiatrie Ebersberg und Erding soll nun genau diese Lücke füllen. In München, wo die Leitstelle sitzt, gibt es das Angebot bereits seit 2007, seit Juni gilt es auch für den Landkreis München und bis Ende April nächsten Jahres soll es auch die Landkreise Starnberg, Fürstenfeldbruck, Dachau und Freising umfassen. Wenn das Hilfsnetz, in das die Beratungsstellen der Freien Wohlfahrtsverbände, wie die SPDI, und die Psychiatrischen Institutsambulanzen eingebunden sind, Ende 2017 über ganz Oberbayern gespannt ist, wie Bezirkstagspräsident Josef Mederer bei der Eröffnungspressekonferenz in Ebersberg ankündigte, werden 600 Personen eingebunden sein, 26 alleine für den Kreis Ebersberg. Fürs Erste betreut das Team Erding und Ebersberg zusammen. Den Bezirk Oberbayern, so Mederer, koste das bayernweit einmalige Projekt 7,4 Millionen Euro - zumal sich die Krankenkassen nicht daran beteiligen. Obwohl es gerade ein Ziel ist, stationäre und teilstationäre Aufenthalte zu reduzieren. Von der Neufassung des Psychisch-Krankenhilfegesetzes erhoffe er sich aber finanzielle Unterstützung vom Freistaat, bisher zahlt der Bezirk allein. Eine Hoffnung sei es auch, die Erreichbarkeit der Hotline auf die Nachtstunden ausdehnen zu können.

Zunächst können Betroffene nun also zwischen 9 und 24 Uhr die zentrale Notrufnummer (0180) 655 30 00 anrufen, ganz egal, ob es Eltern sind, die feststellen, dass ihr Kind nach einem traumatischen Erlebnis nicht mehr schläft, ob es ein Arbeitskollege ist, der sein Gegenüber völlig apathisch hinter seinem PC sitzen sieht, oder ein selbst von einer Depression Betroffener, der nicht mehr weiß, was er sonst noch gegen den bleigrauen Nebel tun soll, in dem die Welt um ihn verschwindet. Und natürlich kann es auch ein Nachbar sein, der mitbekommt, dass ein Mensch Dinge tut, die nicht mehr erklärbar sind, dass er schreit, vielleicht gewalttätig wird, um sich schlägt, gar mit Selbstmord droht.

"Die Berater nehmen sich die Zeit, die es braucht", erklärte Claudia Fischer, Teamleiterin der Münchner Leitstelle Krisendienst Psychiatrie. Die Mitarbeiter seien Fachkräfte aus dem psychiatrischen und sozialpädagogischen Bereich, die für ihren Einsatz am Telefon - der, so Fischer, eine besondere Herausforderung darstelle - zusätzlich geschult werden. "Es gibt da ja keine Checkliste, die abgearbeitet werden kann, sondern das ist ein Kommunikationsprozess", erklärte sie, "es gilt herauszufinden: Wozu ist der Betroffene überhaupt bereit?" Pro Landkreis sollen zweieinhalb Vollzeitstellen geschaffen werden, hauptamtliche Mitarbeiter der Sozialpsychiatrischen Dienste, die die Kernzeit abdecken. Für die Abendstunden gibt es einen Bereitschaftsdienst, bestehend aus niedergelassenen Psychologen oder Mitarbeiter aus dem psychiatrisch-stationären Bereich, die zunächst am Telefon beraten, aber auch ein zweiköpfiges Team losschicken können, das den Betroffenen zu Hause aufsucht - das maximal eine Stunde braucht, um da zu sein. Durch die enge Zusammenarbeit aller Stellen - auch die Polizei wird eingebunden - sei es möglich, zeitnah Beratungstermine zu vermitteln, die weiterhelfen können, erklärte Knufmann. Im SPDI stehe ein Raum zur Verfügung, in dem sich Betroffene und Berater treffen können.

© SZ vom 02.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: